Papst in Marseille: „Nicht länger Tragödien von Ertrinkenden mitansehen"
Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt
Das Monument für Ertrunkene auf einer Anhöhe über dem Meer ist eine Skulptur, die ein Kreuz, ein Herz und einen Anker vereint. Franziskus legte einen Kranz nieder, vorher aber hielt er in Gegenwart anderer Religionsführer eine eindringliche Rede. „Gewöhnen wir uns nicht daran, Schiffbrüche als Schlagzeilen und die Toten auf See als bloße Zahl zu betrachten: Nein, es sind Namen und Nachnamen, es sind Gesichter und Geschichten, es sind zerstörte Leben und zerbrochene Träume. Ich denke an die vielen Brüder und Schwestern, die in Angst ertrunken sind, zusammen mit den Hoffnungen, die sie in ihren Herzen trugen,“ so Franziskus bei der Andacht an der Stele der auf See verschollenen Seeleute und Migranten in Marseille. Auch zu einer Schweigeminute lud er ein.
Im Garten des Palais de Pharo waren neben den Führern verschiedener Religionen auch Delegationen von Hilfsorganisationen anwesend wie Marseille Espérance, Stella Maris, Caritas Gap-Briançon, die sich um Migranten in den Alpen kümmern, sowie der Diözesanstelle für Migrantenpastoral und der Seenotrettungsorganisationen. Ihnen sprach der Papst am Ende seiner Rede in freien Worten seinen Dank aus. Oft genug könnten die Rettungsschiffe wegen angeblicher Sicherheitsmängel nicht auslaufen: „Das", sagte der Papst, „sind Gesten des Hasses gegen die Geschwister, die sich als maßvolles Verhalten tarnen. Danke für das, was ihr tut."
Taten und vor allem Menschlichkeit
Angesichts des Dramas der vielen Menschen, die auf See ihr Leben gelassen haben, forderte der Papst Taten und mahnte zur Menschlichkeit.
Wie schon mehrfach beklagte Franziskus, den sein erster Pastoralbesuch 2013 nach Lampedusa geführt hatte, dass das „Meer zu einem riesigen Friedhof“ geworden sei. Einem Friedhof, auf dem „viele Brüder und Schwestern selbst des Rechtes auf ein Grab beraubt werden – das einzige, was hier begraben wird, ist nur die Menschenwürde,“ so der Papst.
Franziskus sprach von einem „Scheideweg der Zivilisation“ zwischen Geschwisterlichkeit und Gleichgültigkeit. Man dürfe sich nicht damit abfinden, „Menschen zu sehen, die als Tauschware behandelt, eingesperrt und auf grausame Weise gefoltert werden.“ Menschenhandel, Folter, Schiffbrüche und ein „Fanatismus der Gleichgültigkeit" könnten nicht länger hingenommen werden, sagte der Papst und forderte: „Menschen, die zu ertrinken drohen, wenn sie auf den Wellen ausgesetzt werden, müssen gerettet werden. Das ist eine Pflicht der Menschlichkeit, eine Pflicht der Zivilisation!"
Franziskus rief an diesem Punkt die Gläubigen anderer Religionen auf, „ein Beispiel zu geben.“ An den Wurzeln der drei monotheistischen Religionen des Mittelmeerraums stehe „die Gastfreundschaft, die Liebe zum Fremden im Namen Gottes. Und das ist unerlässlich, wenn wir wie unser Vater Abraham von einer gedeihlichen Zukunft träumen.“
Begegnung oder Konfrontation
Auch Marseille, das von einem bunten religiösen Pluralismus geprägt sei, stehe heute an einem Scheideweg: Begegnung oder Konfrontation, erinnerte Franziskus.
„Ihr seid das Marseille der Zukunft. Macht weiter und lasst euch nicht entmutigen, damit diese Stadt für Frankreich, für Europa und für die Welt ein Mosaik der Hoffnung sein kann,“ so der Appell von Papst Franziskus.
(vaticannews - skr)
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