Papst in Mongolei: Wahrer Fortschritt meint menschliche Entwicklung
Anne Preckel - Vatikanstadt
Es war der letzte Programmpunkt für Papst Franziskus in der Mongolei: Am Montagmorgen kehrte er im kirchlichen Sozialzentrum „Haus der Barmherzigkeit“ ein und traf dort mit Mitarbeitern der Einrichtung zusammen. Eine Mongolin mit Behinderung berichtete Franziskus, was ihr der Glaube bedeutet, der Direktor der Einrichtung und eine Ordensschwester schilderten Details der Hilfsarbeit. Die Begegnung mit dem Papst fand in einem kleinen Raum des ehemaligen Schulgebäudes in familiärer Atmosphäre statt. Kinder trugen Franziskus ein Lied vor, der Papst wandte sich ihnen zu und überreichte als Gastgeschenk eine Marienikone mit Jesuskind, Bildnis der Sanftheit und Güte.
In seiner Ansprache beschrieb der Papst die neue Anlaufstelle für Bedürftige als Herzstück bestehender Initiativen der katholischen Kirche in der Mongolei. Zu dem Komplex im Zentrum von Ulaanbaatar gehören eine Notunterkunft und eine Klinik; Arme, Gewaltopfer und Migranten sollen hier Hilfe und Schutz erhalten.
Hafen für Bedürftige
„Das Haus der Barmherzigkeit möchte ein Bezugspunkt für eine Vielzahl von karitativen Maßnahmen sein, die sich wie ausgestreckte Hände den Brüdern und Schwestern anbieten, die Mühe haben, die Probleme des Lebens zu bestehen“, so Franziskus: „Es ist eine Art Hafen, in dem man festmachen kann, wo man ein offenes Ohr und Verständnis finden kann.“
Caritas und Armenfürsorge seien das Fundament kirchlicher Identität, erinnerte der Papst, dieser Dienst bilde gemeinsam mit der Gemeinschaft, der Liturgie und dem Zeugnis vier Stützen der Kirche - „genau wie die vier Säulen der großen Ger (traditionelle Nomadenzelte, Anm.), die das mittige obere Rund stützen, so dass die Konstruktion aufgerichtet bleibt und in ihrem Inneren einen gastlichen Raum bietet". „Denn wo es Aufnahme, Gastfreundschaft und Offenheit für den Anderen gibt, atmet man den Wohlgeruch Christi“.
Positiv hob der Papst die „lokale Identität“ der neuen Einrichtung hervor, die von der Ortskirche betrieben wird. Franziskus rief die verschiedenen Missionsgemeinschaften dazu auf, sich „mit Personal und Mitteln“ daran zu beteiligten. Auch auf eine „angemessene“ staatliche Unterstützung hoffe er, ließ er durchblicken.
Gemeinsamer Einsatz für das Gemeinwohl
Der Papst lobte in seiner Rede den kostbaren Dienst von Freiwilligen und die Werke der Nächstenliebe. Für Christen bedeute ein solches Engagement, Gott näher zu kommen und sei „Quelle der Freude“, so Franziskus, der das beeindruckende Zeugnis der heiligen Teresa von Kalkutta verwies. Selbst in hoch technologisierten Gesellschaften mit hohem Lebensstandard seien unentgeltliche Dienste wesentlich, mit denen Lücken der Sozialversicherungssysteme geschlossen werden könnten, gab Franziskus zu bedenken. Die Entwicklung einer Gesellschaft lasse sich geradezu daran ablesen, ob solche Initiativen funktionierten und gefördert würden.
Fortschritt - was bringt Menschen wirklich voran?
„Der wahre Fortschritt der Nationen bemisst sich nämlich nicht am wirtschaftlichen Reichtum, geschweige denn daran, wie viel sie in die trügerische Macht von Waffen investieren, sondern an ihrer Fähigkeit, für die Gesundheit, die Bildung und die ganzheitliche Entwicklung der Menschen zu sorgen.“
Die mongolischen Bürger rief der Papst dazu auf, „sich als freiwillige Helfer zu engagieren und sich anderen zur Verfügung zu stellen“. Das Haus der Barmherzigkeit biete dafür eine gute Gelegenheit. Vor allem für junge Menschen könne ein solcher Einsatz „Weg für ein entscheidendes persönliches und soziales Wachstum“ sein.
Ein paar „Mythen“ rund um die Zeugnisse der Nächstenliebe
Dass sich allein reiche Leute im Freiwilligendienst engagieren könnten, sei ein „Mythos“, gab der Papst weiter zu bedenken: „Man muss nicht reich sein, um Gutes zu tun, ja, es sind fast immer die einfachen Leute, die ihre Zeit, ihren Sachverstand und ihr Herz einsetzen, um sich um andere zu kümmern.“ Auch müssten wohltätige Initiativen nicht zu Unternehmen mit bezahlten Mitarbeitern werden, um wirksam zu sein, fuhr Franziskus fort. Wichtiger sei die „frische Lebendigkeit“ von Menschen, die zuhörten und mitfühlten - auch ohne Geld.
Und noch einen weiteren „Mythos“ räumte Franziskus aus dem Weg: Beim karitativen Engagement der katholischen Kirche gehe es nicht um Proselytismus, mit dem man andere Menschen „auf seine Seite“ ziehen wolle, stellte Franziskus in dem asiatischen Land klar, es gehe um Nächstenliebe: „Christen erkennen diejenigen, die in Not sind, und tun das Mögliche, um deren Leiden zu lindern, weil sie darin Jesus sehen, den Sohn Gottes, und in ihm die Würde eines jeden Menschen, der dazu berufen ist, ein Sohn oder eine Tochter Gottes zu sein.“
Viele Früchte karitativen Wirkens
In der Mongolei habe die Regierung nach der Unabhängigkeit des Landes (Anfang der 1990er Jahre, Anm.) katholische Missionare um Hilfe gebeten, „um die zahlreichen sozialen Notlagen eines Landes zu bewältigen, das sich damals in einer heiklen Phase des politischen Übergangs befand, die geprägt war von weit verbreiteter Armut“, erinnerte der Papst. Seitdem hätten Missionare und Missionarinnen aus vielen Ländern in der Mongolei ihre Erfahrung, Liebe und ihre Ressourcen in den Dienst der Gesellschaft gestellt - bis heute, würdigte der Papst diesen Einsatz, der von der Bevölkerung und den Behörden geschätzt wird.
„Heute sehen wir, wie aus jenen Wurzeln ein Stamm gewachsen ist, Äste gesprossen und viele Früchte daraus hervorgegangen sind (...) Ihnen und allen, die diese vielen guten Werke unterstützen, gilt meine Bewunderung und mein sehr herzliches ,Danke‘“, so Franziskus' Dank an den Einsatz aller Helfer vor Ort.
Im Anschluss segnete der Papst die neue Einrichtung, die von der Ortskirche mit Hilfe lokaler Helfer und ausländischer Ordensgemeinschaften betrieben wird. Das Sozialzentrum ist in einem ehemaligen Schulkomplex untergebracht, das einst den Paulusschwestern von Chartres gehörte. Es wird u.a. von den Päpstlichen Missionswerken Australiens unterstützt. Die katholische Kirche der Mongolei ist vor allem im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitsbereich engagiert.
Treffen mit Ex-Präsident der Mongolei
Vor seiner Ankunft in dem Sozialzentrum traf der Papst am Montagmorgen in Ulaanbaator den ehemaligen Präsidenten der Mongolei Nambar Enkhabayar zu einem „freundlichen Gespräch“, wie der Vatikan informierte.
(vatican news - pr)
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