Papst Franziskus: Fliegende Pressekonferenz
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
„Sie haben Ihr Pontifikat in Lampedusa begonnen und die Gleichgültigkeit (Europas gegenüber Migranten) angeprangert“, lautete die erste Frage an den Papst. „Zehn Jahre später fordern Sie Europa auf, Solidarität zu zeigen. Seit zehn Jahren wiederholen Sie dieselbe Botschaft. Heißt das, Sie haben versagt?“
Nein, das glaube er nicht, versetzte Franziskus, dessen erste Reise als Papst überhaupt ihn 2013 auf die Flüchtlingsinsel vor Sizilien geführt hatte. „Ich würde sagen, dass es ein langsames Wachstum gegeben hat. Heute gibt es ein Bewusstsein für das Migrationsproblem. Und es gibt auch ein Bewusstsein dafür, dass es einen Punkt erreicht hat ... wie eine heiße Kartoffel, von der man nicht weiß, wie man sie anfassen soll.“ Er habe damals gar nicht gewusst, wo Lampedusa genau liege, so der Papst; doch im Gebet sei ihm klargeworden, dass er dorthin reisen müsse.
Die heiße Kartoffel des Themas Migration
Beredt schilderte Franziskus die Gefahren und Widrigkeiten, denen Migranten vor allem auf ihrem Weg von Afrika nach Europa ausgesetzt sind und auf die er auch in seinen dreißig Stunden in Marseille wiederholt hingewiesen hat. Man dürfe nicht zulassen, dass die Migranten in die Hände von Menschenhändlern und Verbrechern fielen.
Der Papst brach auch eine Lanze für die Rettung von schiffbrüchigen Bootsflüchtlingen auf dem Mittelmeer. „Es gibt einige Gruppen von Menschen, die sich der Rettung von Menschen mit Booten widmen. Ich habe einen von ihnen, den Leiter von Mediterranea Saving Humans, eingeladen, an der Synode teilzunehmen. Sie erzählen einem schreckliche Geschichten…“
Ein afp-Journalist wollte von Franziskus wissen, ob dieser den französischen Präsidenten Emmanuel Macron auf das Thema Euthanasie angesprochen habe. Die Regierung plant Lockerungen am entsprechenden Gesetz, die auf scharfen Widerspruch der Kirche stoßen. Nein, an diesem Samstag habe er mit Macron nicht darüber geredet, so der Papst.
„Aber wir haben darüber bei unserem anderen Besuch gesprochen, als wir uns trafen. Ich habe es klar gesagt, als er in den Vatikan kam; ich habe ihm deutlich meine Meinung gesagt: Mit dem Leben spielt man nicht, weder am Anfang noch am Ende. Damit wird nicht gespielt. Das ist meine Meinung: Schütze das Leben! Denn sonst landet man … bei einer humanistischen Euthanasie. … Das ist keine Glaubenssache, sondern eine Frage der Menschlichkeit.“
Der Ukraine helfen, die Dinge realistisch zu lösen
Ein spanischer Journalist sprach Franziskus auf den Krieg in der Ukraine an. Ob er nicht ein wenig frustriert sei, dass die Mission seines Sonderbeauftragten, des italienischen Kardinals Matteo Zuppi, in dieser Hinsicht bislang wenig Erfolg gezeitigt habe? Der Papst räumte ein, dass „eine gewisse Frustration zu spüren sei“. Das Staatssekretariat tue „alles, um zu helfen“. Franziskus beklagte den Waffenhandel, der rund um den Ukraine-Krieg fröhliche Urständ feiere.
Dann sagte er: „Das ukrainische Volk ist ein gemartertes Volk, es hat eine sehr gemarterte Geschichte, eine Geschichte, die es leiden lässt, nicht zum ersten Mal: zur Zeit Stalins hat es sehr, sehr gelitten, es ist ein gemartertes Volk. Aber wir dürfen nicht mit dem Märtyrertum dieses Volkes spielen, wir müssen ihm helfen, die Dinge auf die realistischste Weise zu lösen.“
Putin und Selenskyj werden nicht zusammen essen gehen...
Auch in Kriegen gelte, dass Politik die Kunst des Möglichen sei. „Wir dürfen uns keine Illusionen machen, dass die beiden Führer, die sich jetzt im Krieg befinden, morgen zusammen essen gehen, aber wir müssen so weit wie möglich gehen und das Mögliche tun.“ Dann kam noch ein etwas überraschender Nachschub: „Jetzt habe ich gesehen, dass einige Länder einen Rückzieher machen, ihre Waffen nicht aufgeben und einen Prozess in Gang setzen, dessen Märtyrer mit Sicherheit das ukrainische Volk sein wird. Und das ist eine schlimme Sache!“ Die polnische Regierung hat angesichts eines Streits um Getreidepreise angekündigt, ihre Waffenlieferungen an die Ukraine zurückzufahren.
(vatican news)
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