Papst beim Angelus: Der Wortlaut
Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!
Das heutige Evangelium spricht zu uns über das wichtigste der Gebote (vgl. Mt 22,34-40). Ein Gesetzeslehrer befragt Jesus zu diesem Thema, und Er antwortet mit dem „großen Gebot der Liebe“: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit deinem ganzen Denken [... und] deinen Nächsten wie dich selbst“ (V. 37.39). Gottes- und Nächstenliebe, die untrennbar miteinander verbunden sind. Halten wir also inne, um über zwei Aspekte dieser Realität nachzudenken.
Der erste: Die Tatsache, dass die Liebe zum Herrn an erster Stelle steht, erinnert uns daran, dass Gott uns immer vorausgeht und uns mit seiner unendlichen Zärtlichkeit erwartet (vgl. Joh 4,19). Ein Kind lernt zu lieben auf den Knien seiner Mutter und seines Vaters, und wir tun dies in den Armen Gottes: „wie ein gestilltes Kind in den Armen seiner Mutter“, sagt der Psalm (131,2). Dort, in seinen Armen, die uns hochheben, nehmen wir die Wärme und die Zuneigung auf, die wir dann wiederum zu geben lernen; dort begegnen wir der Liebe, die uns antreibt, uns großzügig an unsere Brüder und Schwestern zu verschenken. Daran erinnert der heilige Paulus, wenn er sagt, dass die Liebe Christi eine Kraft in sich trägt, die zur Liebe drängt (vgl. 2 Kor 5,14). Alles geht von Ihm aus. Nur wenn wir Ihm begegnen, wenn wir uns Seiner Liebe hingeben, werden wir wirklich fähig, zu lieben. Widerstehen wir also nicht: Öffnen wir unser Herz dem Herrn, jeden Tag.
Und damit kommen wir zu einem zweiten Aspekt, der sich aus dem Gebot der Liebe ergibt. Es verbindet die Gottesliebe mit der Nächstenliebe: Das bedeutet, dass wir, indem wir unsere Brüder lieben, wie ein Spiegel die Liebe des Vaters widerspiegeln. Die Liebe Gottes widerspiegeln, das ist das Entscheidende: Ihn zu lieben, den wir nicht sehen, im Bruder, den wir sehen (vgl. 1 Joh 4,20). Eines Tages antwortete die heilige Teresa von Kalkutta einem Journalisten, der sie fragte, ob sie sich Illusionen darüber mache, mit dem, was sie tue, die Welt zu verändern: „Ich habe nie gedacht, dass ich die Welt verändern könnte! Ich habe nur versucht, ein Tropfen reinen Wassers zu sein, in dem die Liebe Gottes leuchten kann“ (Treffen von Mutter Teresa mit Journalisten anlässlich der Verleihung des Friedensnobelpreises, 1979 ).
So konnte sie, die so klein war, so viel Gutes tun: indem sie wie ein Tropfen die Liebe Gottes widerspiegelte. Und wenn wir manchmal beim Anblick von ihr und anderen Heiligen denken, dass sie unnachahmliche Helden sind, sollten wir an diesen kleinen Tropfen denken und uns daran erinnern, dass auch wir dazu aufgerufen sind, Gottes Liebe in der Welt widerzuspiegeln. Wie? Indem wir den ersten Schritt tun, wie Gott es mit uns tut: ohne darauf zu warten, dass andere sich bewegen, ohne darauf zu warten, dass die Welt, die Gesellschaft und die Kirche sich verändern, ohne zu warten oder Anerkennung zu erwarten.
Also, liebe Brüder und Schwestern, wenn wir an die Liebe Gottes denken, die uns immer vorausgeht, können wir uns fragen: Bin ich dem Herrn, der mich zuerst liebt, dankbar? Begegne ich Ihm jeden Tag, um mich von Ihm verwandeln zu lassen? Und dann: Versuche ich, seine Liebe widerzuspiegeln? Bemühe ich mich, daher, meine Brüder und Schwestern zu lieben, besonders die Schwächsten, die, die Unrecht tun, die, die mich verletzen? Entferne ich mit Gottes Hilfe die undurchsichtige Schicht des Egoismus, des Grolls, der Starrheit, des Haftens an Dingen, von all dem, was mich daran hindert, die Liebe des Vaters klar widerzuspiegeln?
Möge die Jungfrau Maria uns helfen, das große Gebot der Liebe in unserem täglichen Leben zu leben.
(vaticannews - mr)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.