Papst: Sich selbst zum Nächsten machen
Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt
Sankt Paul vor den Mauern ist eine der vier Patriarchalbasiliken Roms, die zweitgrößte nach dem Petersdom. Das beeindruckende Gotteshaus erhebt sich an der Stelle, wo der Apostelfürst Paulus begraben wurde. Hier steht der Papst jedes Jahr am Hochfest der Bekehrung des Völkerapostels einem ökumenischen Abendgebet vor, an dem zahlreiche Vertreter der großen christlichen Kirchen und Konfessionen teilnehmen.
Die Vesper begann wie immer mit einem stillen Gebet vor dem Paulusgrab, das sich unter dem Altar der Basilika befindet. Dem Gebet des Papstes, der wegen seiner Knieprobleme nicht zum Grab hintersteigen konnte, sondern vor dem Eingang stehen blieb, schlossen sich sein Ökumene-Beauftragter an, der Schweizer Kurienkardinal Kurt Koch; der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, der für Italien und Malta zuständige Metropolit des Ökumenischen Patriarchats, Polykarp Stavropoulos; und Erzbischof Ian Ernest, Leiter des Anglikanischen Zentrums in Rom.
Die zentrale Bedeutung der Liebe im christlichen Leben
„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben und deinen Nächsten wie dich selbst“: so lautet das für dieses Jahr gewählte Thema. Der biblische Text aus dem Lukasevangelium (10,27) soll die zentrale Bedeutung der Liebe im christlichen Leben herausstellen.
Und deshalb müsse die richtige Frage auch nicht lauten „Wer ist mein Nächster?“, sondern: „Mache ich mich selbst zum Nächsten?“, gab Franziskus gleich zu Beginn seiner Predigt zu bedenken.
Wörtlich sagte der Papst:
„Nur diese Liebe, die zu einem uneigennützigen Dienst wird, nur diese Liebe, die Jesus verkündet und gelebt hat, wird die getrennten Christen einander näherbringen. Ja, nur diese Liebe, die nicht in die Vergangenheit zurückkehrt, um auf Abstand zu gehen oder mit dem Finger auf jemanden zu zeigen, nur diese Liebe, die im Namen Gottes den Bruder vor die eherne Verteidigung des eigenen religiösen Systems stellt, wird uns einen.“
Jeder Getaufte gehöre ja schon demselben Leib Christi an; jeder Mensch auf der Welt sei „unser Bruder oder unsere Schwester“, und wir alle bildeten die „Symphonie der Menschheit, deren Erstgeborener und Erlöser Christus ist“.
„Ich und dann meine Gemeinschaft, meine Kirche, meine Spiritualität, machen sie sich zum Nächsten?", fragte Franziskus. „Oder bleiben sie verbarrikadiert in der Verteidigung der eigenen Interessen, eifersüchtige Hüter ihrer Autonomie, gefangen im Berechnen des eigenen Vorteils, indem sie Beziehungen mit anderen nur aufnehmen, um damit etwas zu gewinnen?“
Der spätere Völkerapostel Paulus habe sein Leben durch „eine existenzielle Umorientierung“ geändert, „wo an erster Stelle nicht mehr seine Tüchtigkeit vor dem Gesetz steht, sondern die Fügsamkeit gegenüber Gott, die völlige Offenheit für das, was Gott will“, ließ der Papst den Bekehrungsweg des einst erbitterten Christenverfolgers Revue passieren.
„Bei unserem Bemühen um die volle Einheit sind wir gerufen, den gleichen Weg zu gehen wie Paulus und das Kreisen um unsere eigenen Ideen aufzugeben, um die Stimme des Herrn zu suchen und ihm die Initiative zu überlassen und Raum zu geben,“ spann Franziskus den Faden weiter. Es gebe „keinen echten Ökumenismus ohne innere Bekehrung“, und nur wenn wir gemeinsam beten würden, könnten wir auch erkennen, dass „wir dem Herrn erlauben müssen, unsere Herzen zu verändern.“
Gemeinsam gehen, gemeinsam dienen und dabei das Gebet an die erste Stelle setzen
Den Weg, den die Christen also einschlagen sollten, brachte das Kirchenoberhaupt wie folgt auf den Punkt: „Gemeinsam gehen und gemeinsam dienen und dabei das Gebet an die erste Stelle setzen. Wenn die Christen nämlich im Dienst an Gott und dem Nächsten reifen, dann wachsen sie auch im gegenseitigen Verständnis, wie das Konzil feststellt: "Je inniger die Gemeinschaft ist, die sie mit dem Vater, dem Wort und dem Geist vereint, um so inniger und leichter werden sie imstande sein, die gegenseitige Brüderlichkeit zu vertiefen".“
Abschließend legte der Papst den Anwesenden noch folgende Bitte ans Herz:
„Für die Einheit zu beten ist die erste Aufgabe auf unserem Weg. Und es ist eine heilige Aufgabe, denn es bedeutet, in Gemeinschaft mit dem Herrn zu sein, der zuerst den Vater um die Einheit gebeten hat. Und lasst uns weiterhin auch für ein Ende der Kriege beten, besonders in der Ukraine und im Heiligen Land. Ein inniger Gedanke geht auch an das geliebte Volk von Burkina Faso, insbesondere an die Gemeinschaften, die dort die Arbeitshilfen für die Gebetswoche für die Einheit vorbereitet haben: möge die Nächstenliebe an die Stelle der Gewalt treten, die ihr Land quält.“
(vaticannews -skr)
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