Vor 60 Jahren: Erstmals besucht ein Papst das Heilige Land
Michele Raviart und Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Es war der 4. Januar 1964: Eine große Menschenmenge wartete vor der Grabes- und Auferstehungskirche in Jerusalem auf den Gast aus Rom. Als Paul VI. durch das Damaskustor in die Altstadt einzog, um in der Basilika zu beten, wurde er im Menschengemenge fast erdrückt; alle wollten dabei sein an diesem historischen Tag vor sechzig Jahren.
Rückkehr zur „Wiege des Christentums“
Die Reise ins Heilige Land war ein langgehegter Wunsch des Montini-Papstes. Wirklichkeit wurde sie vom 4. bis 6. Januar 1964 mitten im Zweiten Vatikanischen Konzil. Es ging dem Papst um einen Moment des „Gebets und der Buße“ an den Orten, wo die Reise seines ersten Vorgängers Petrus in der Verkündigung des Auferstandenen begonnen habe. Es sollte aber auch eine Rückkehr zur „Wiege des Christentums“ werden.
Start war in Amman, wo Paul VI. von König Hussein von Jordanien begrüßt wurde. Der Haschemiten-Herrscher verwaltete damals, nach dem arabisch-israelischen Krieg von 1948, die Gebiete des Westjordanlandes und Ostjerusalems. Die Papstreise galt einer damals wie heute aufgewühlten Weltgegend. Jerusalem war eine geteilte Stadt und weder zu Israel noch zu Jordanien unterhielt der Vatikan damals diplomatische Beziehungen. Tatsächlich sprach Paul VI. den Staatsnamen Israel während seiner Visite kein Mal aus. Stattdessen verteidigte er in einer Rede an die israelische Staats- und Regierungsspitze das Gebaren Pius‘ XII., dessen enger Mitarbeiter er gewesen war, während des Zweiten Weltkriegs.
„Unser Besuch ist eine spirituelle, demütige Pilgerreise zu den Stätten, die durch die Geburt, das Leben, die Passion, den Tod Jesu Christi und seine Auferstehung und Himmelfahrt geheiligt wurden“: Mit diesen Worten in Amman setzte der Papst den Ton für die Visite. „An jedem dieser ehrwürdigen Schreine werden wir für den Frieden beten, den Jesus seinen Jüngern hinterlassen hat; für den Frieden, den die Welt nicht geben kann, der aber aus der Erfüllung seines Gebotes kommt: einander zu lieben, wie er uns geliebt hat.“ Von Amman aus ging es nach einem Stopp an der Taufstelle Jesu am Jordan nach Jerusalem, wo die Menschenmengen die Absperrungen bei der Ankunft des Papstes am Damaskustor durchbrachen.
Jerusalem wurde zum Schauplatz eines entscheidenden Durchbruchs in den ökumenischen Beziehungen: Paul VI. traf dort einen Tag nach seiner Ankunft in der Region das Ehren-Oberhaupt der orthodoxen Christen weltweit, den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel. Athenagoras war eigens nach Jerusalem gekommen, um den Papst zu treffen. Eine Umarmung und ein gemeinsames Gebet in Latein und Griechisch waren der erste Schritt zu einer Erklärung im folgenden Jahr, in der beide Kirchen ihre gegenseitige Exkommunikation aus dem Jahr 1054 widerriefen.
Dichtes Programm
Am 5. Januar besuchte der Papst die Verkündigungskirche in Nazareth und Tabgha am See Gennesaret, am 6. Januar, dem Dreikönigstag, feierte er in der Geburtskirche in Bethlehem einen Gottesdienst. Die Messe um 6 Uhr morgens hielt Papst Paul VI. auf Latein. Die Aufnahmen in unseren Archiven dauern keine elf Minuten. Anschließend wandte sich der Papst auf Französisch in einer live übertragenen Rundfunkansprache an die Welt. Dabei rief er zu mehr Anstrengungen um Frieden in der Welt und um die christliche Einheit auf. Noch einmal traf er in Jerusalem Athenagoras und die katholische Gemeinschaft des lateinischen Ritus, dann kehrte er nach Amman und von dort wieder nach Rom zurück.
Friedensappell an die Weltgemeinschaft
„Mögen die Herrscher diesen Schrei aus unserem Herzen hören und ihre Bemühungen fortsetzen, um den Frieden zu sichern, nach dem die Menschheit so innig strebt… Mögen sie die Welt um jeden Preis vor den Qualen und Schrecken eines neuen Weltkriegs bewahren, dessen Folgen unberechenbar wären. Mögen sie noch enger zusammenarbeiten, um Frieden, Gerechtigkeit, Freiheit und Liebe zu verbreiten!“.
Der Friedensappell des Papstes aus dem judäischen Städtchen, in dem der Friedensfürst geboren wurde, wurde in über 200 Telegrammen an Staats- und Regierungschefs verschickt. „Mögen sie noch effektiver zusammenarbeiten, um Frieden in Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit und brüderlicher Liebe zu schaffen.“
„Ihr habt verstanden, dass meine Reise nicht nur eine einzigartige und spirituelle Tatsache war“, erklärte er nach seiner Rückkehr in die Ewige Stadt: „Sie ist zu einem Ereignis geworden, das eine große historische Bedeutung haben kann. Sie ist vielleicht der Beginn neuer Ereignisse, die groß und nützlich für die Kirche und die Menschheit sein können.“ Da hatte er recht: Mit Paul VI. startet auch die Ära der reisenden Päpste, die die letzten sechzig Jahre geprägt hat. 2018 wurde der Konzilspapst Paul von seinem Nachfolger Franziskus heiliggesprochen.
(vatican news)
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