Papst an Priester: „Vergebt immer!“
Christine Seuss - Vatikanstadt
Seit Dienstagnachmittag läuft der Kongress, für den sich bald 1.000 Teilnehmer nach Rom aufgemacht haben. Sie hätten dabei die „große Gelegenheit“, sich über „bewährte Methoden auszutauschen, Herausforderungen und Probleme zu diskutieren und nach künftigen Horizonten der Priesterausbildung in diesem Epochenwandel Ausschau zu halten“, so Franziskus, der in diesem Zusammenhang erneut auf die Zentralität des Wortes Gottes hinwies: „Es geht darum, sich aufzumachen, um nach Mitteln und Ausdrucksweisen zu suchen, die die Priesterausbildung unterstützen, ohne zu glauben, dass wir alle Antworten in der Hand hielten – ich habe Angst vor denen, die alle Antworten griffbereit haben (...) –, sondern im Vertrauen darauf, dass wir sie auf dem Weg finden können.“
Deshalb sollten sie einander während dieser Tagung gut zuhören und dem Tagungsmotto gemäß „die Gabe wieder entfachen, die Salbung erneut entdecken, das Feuer neu entzünden, damit der Eifer im apostolischen Dienst nicht erlischt“ (vgl. 2 Tim 1,6), so der Rat des Kirchenoberhauptes. In diesem Zusammenhang wolle er ihnen drei Pfade mit auf den Weg geben: die Freude des Evangeliums, die Zugehörigkeit zum Volk, die Fruchtbarkeit des Dienstes.
„Erstens: Die Freude des Evangeliums. Im Mittelpunkt des christlichen Lebens steht das Geschenk der Freundschaft mit dem Herrn, das uns von der Traurigkeit des Individualismus und der Gefahr eines Lebens ohne Sinn, ohne Liebe und ohne Hoffnung befreit. Die Freude des Evangeliums, die gute Nachricht, die uns begleitet, ist eben diese: Wir werden von Gott mit Zärtlichkeit und Barmherzigkeit geliebt.“
Diese frohe Kunde gelte es, als Zeuge, der Liebe Gottes in die Welt zu tragen, so Franziskus weiter.
„Hier finden wir einen Eckpfeiler der ständigen Weiterbildung, nicht nur der Priester, sondern eines jeden Christen, den auch die Ratio fundamentalis hervorhebt: Nur wenn wir Jünger sind und bleiben, können wir Diener Gottes und Missionare seines Reiches werden. (…) Und wenn wir Priester sehen, die diese Fähigkeit zum Dienen nicht haben, die vielleicht egoistisch sind, Priester, die eine Art ,unternehmerischen‘ Weg eingeschlagen haben, dann haben sie diese Fähigkeit verloren, sich als Jünger zu fühlen, und fühlen sich als Herren.“
Ein Jünger des Herrn zu sein sei allerdings „keine religiöse Verkleidung, sondern eine Lebensweise“, so Franziskus, der in diesem Zusammenhang eine ganzheitliche Bildung und „Sorge für unser Menschsein“ einfordert: „Das Gegenteil davon ist der ,weltliche‘ Priester. Wenn die Weltlichkeit in das Herz des Priesters einzieht, macht das alles kaputt. Ich bitte euch, eure gesamten Energien und Ressourcen auf diesen Aspekt zu verwenden: die Sorge um die menschliche Bildung“, so die Aufforderung des Kirchenoberhauptes an die Kongressteilnehmer.
Ein älterer Priester habe ihm einmal gesagt, dass ein Priester in der Lage sein müsse, mit Kindern zu spielen, ansonsten habe er „verloren“: „Das ist interessant: Es ist ein Test. Wir brauchen Priester, die ganz menschlich sind, die mit den Kindern spielen und lieb sind zu den Älteren, die zu guten Beziehungen fähig sind, die sich den Herausforderungen des Dienstes in reifer Weise stellen, damit der Trost des Evangeliums das Volk Gottes durch ihr vom Geist Jesu verwandeltes Menschsein erreicht. Vergessen wir nie die humanisierende Kraft des Evangeliums! Ein verbitterter Priester, ein Priester, der Bitterkeit in seinem Herzen hat, ist ein ,alter Junggeselle‘!“
Ein zweiter Pfad sei „die Zugehörigkeit zum Volk Gottes“, kam Franziskus zum folgenden Punkt seiner Ausführungen: „Wir können den priesterlichen Dienst nur inmitten des priesterlichen Volkes leben, aus dem auch wir stammen. Diese Zugehörigkeit zum Volk – sich niemals vom Weg des heiligen, gläubigen Volkes Gottes getrennt zu fühlen – schützt uns, stützt uns in den Mühen, begleitet uns in den pastoralen Nöten und bewahrt uns vor der Gefahr, uns von der Wirklichkeit abzukoppeln und uns allmächtig zu wähnen. Seien wir vorsichtig, denn dies ist auch die Wurzel einer jeden Form von Missbrauch.“
In der kirchlichen Gemeinschaft seien alle gefragt und müssten alle einbezogen werden, so Franziskus mit Blick auf das Prinzip der Synodalität, eines der Kernthemen seines Pontifikates, weiter. Auch Priester seien heute dazu aufgefordert, „Synodalitätsübungen“ zu machen: „Der Priester entsteht nicht durch Urzeugung. Entweder er gehört zum Volk Gottes oder er ist ein Aristokrat, der am Ende neurotisch wird“, so die griffige Analyse des Papstes.
Abschließend kam er auf die Fruchtbarkeit des Dienstes als dritten Pfad zu sprechen: „Dienen ist das Kennzeichen der Diener Christi“, legte er seinen Zuhörern dabei eindringlich als Herz. Dies habe Jesus sein ganzes Leben lang gezeigt, so auch und in besonderer Weise beim Letzten Abendmahl, „als er den Jüngern die Füße wusch“. Dies lasse sich auch auf die Bildung beziehen, die keine einfach „Weitergabe“ einer Lehre sei, sondern die Kunst, den anderen in den Mittelpunkt zu stellen: „Priester zu bilden bedeutet also, ihnen zu dienen, ihrem Leben zu dienen, sie auf ihrem Weg zu ermutigen, ihnen bei der Unterscheidung zu helfen, sie in Schwierigkeiten zu begleiten und sie bei pastoralen Herausforderungen zu unterstützen.“
Das Geheimnis einer fruchtbaren Seelsorge
Ein solcherart ausgebildeter Priester werde sich seinerseits „in den Dienst des Volkes Gottes“ stellen und den Menschen nahe sein, zeigte Franziskus sich überzeugt. Jesus habe letztlich vom Kreuz aus „ein neues Volk erschaffen“: „Und auch wir bringen das Leben Gottes hervor, wenn wir uns in den Dienst der anderen stellen, wenn wir zu Vätern und Müttern für die werden, die uns anvertraut sind. Das ist das Geheimnis einer fruchtbaren Seelsorge: keine Seelsorge, bei der wir im Mittelpunkt stehen, sondern eine Seelsorge, die Töchter und Söhne zum neuen Leben zeugt, die das lebendige Wasser des Evangeliums in das Herz des Menschen und in den Boden der heutigen Zeit fließen lässt.“
Abschließend legte Franziskus seinen Gästen noch eine große Bitte ans Herz: nämlich nicht müde zu werden, „barmherzig zu sein“: „Vergebt immer. Wenn Menschen zur Beichte kommen, kommen sie, um um Vergebung zu bitten und nicht, um einen Vortrag über Theologie oder Bußübungen zu hören. Bitte seid barmherzig. Vergebt immer, denn die Vergebung besitzt diese Gnade liebevoller Annahme. Vergebung ist immer innerlich fruchtbar. Vergesst das nicht: Vergebt immer.“
(vatican news)
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