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Wortlaut: Papstrede an junge Menschen in Venedig

Lesen Sie hier, was Papst Franziskus bei seinem Venedig-Besuch bei einem Treffen mit jungen Leuten gesagt hat. Der folgende Text ist eine Arbeitsübersetzung von Radio Vatikan.

Auslassungen sind durch ... gekennzeichnet. Sämtliche Wortmeldungen des Papstes in ihrer amtlichen Fassung werden auf der Internetseite des Heiligen Stuhls publiziert.

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag! ...

Es ist schön, euch zu sehen! Heute hier zusammen zu sein, gibt uns die Gelegenheit – und sei es auch nur durch ein Gebet, einen Blick und ein Lächeln –, das Wunder, das wir sind, miteinander zu teilen. Denn wir alle haben ein großes Geschenk erhalten, nämlich das, geliebte Kinder Gottes zu sein. Und wir sind gerufen, den Traum des Herrn zu erfüllen: seine Freude zu bezeugen und zu erleben. Etwas Schöneres gibt es nicht! Ich weiß nicht, ob ihr schon einmal Erfahrungen gemacht habt, die so schön sind, dass ihr sie nicht für euch behalten könnt, sondern das Bedürfnis habt, sie mit anderen zu teilen. ... Und genau deshalb sind wir heute hier: um im Herrn die Schönheit wiederzuentdecken, die wir sind, und um uns im Namen Jesu, Gott, der stets jung ist, zu freuen, der die jungen Menschen liebt und immer wieder überrascht...



Liebe Freunde, hier in Venedig, der Stadt der Schönheit, erleben wir gemeinsam einen schönen Moment der Begegnung. Aber heute Abend, wenn wir alle wieder zu Hause sind – und dann morgen und in den kommenden Tagen –, wo sollen wir da wieder anfangen, uns der Schönheit bewusst zu sein...? Ich schlage zwei Verben vor, die praktisch sind, weil sie mütterlich sind: zwei Verben der Bewegung, die das junge Herz Marias – Mutter Gottes und unsere Mutter – entfacht haben. Um die Freude über den Herrn zu verbreiten und Bedürftigen zu helfen, „machte sie sich eilig auf den Weg“ (Lk 1,39). Aufstehen und gehen...

Vom Boden aufstehen, denn wir sind für den Himmel gemacht...

Zuallererst: Aufstehen. Vom Boden aufstehen, denn wir sind für den Himmel gemacht. Sich aus der Traurigkeit erheben und den Blick nach oben richten. Aufstehen, um sich dem Leben aufrechtstehend, und nicht auf der Couch sitzend zu stellen... Aufstehen, um dem Herrn, der an uns glaubt, zu sagen: „Hier bin ich!“. Aufstehen, um das Geschenk, das wir sind, anzunehmen. Und um vor allem zu erkennen, dass wir wertvoll und unersetzlich sind... Das hat nichts mit Selbstwertgefühl zu tun, nein, das ist Realität! Das zu erkennen, ist der erste Schritt, der morgens nach dem Aufwachen zu tun ist: Du stehst auf und nimmst dich als Geschenk an. Du stehst auf, und bevor du die Dinge angehst, die du erledigen musst, erkennst du an, wer du bist, indem du dem Herrn dankst. Du sagst zu ihm: „Mein Gott, ich danke dir für das Leben. Mein Gott, mach, dass ich mich in mein Leben verliebe... Mein Gott, Du bist mein Leben“... Dann betest du das Vaterunser, bei dem das erste Wort der Schlüssel zur Freude ist: Du sagst „Vater“, und erkennst dich als geliebten Sohn, als geliebte Tochter. Du wirst daran erinnert, dass du für Gott kein digitales Profil bist, sondern ein Kind...; dass du einen Vater im Himmel hast und dass du deshalb ein Kind des Himmels bist...

 

Dennoch haben wir oft mit einer negativen Schwerkraft zu kämpfen, die uns nach unten zieht; einer erdrückenden Trägheit, die will, dass wir alles grau in grau sehen... Was also tun? Um aufzustehen –das dürfen wir nicht vergessen – müssen wir uns zunächst einmal wieder aufrichten lassen: Lassen wir uns an die Hand nehmen vom Herrn, der jene, die auf ihn vertrauen, nie im Stich lässt; der immer aufrichtet und vergibt. „Aber das schaffe ich nicht – könntest du einwenden –; ich fühle mich zerbrechlich, schwach, sündig, ich falle oft!“. Doch wenn du dich so fühlst, dann ändere den Blickwinkel: Betrachte dich nicht mit deinen eigenen Augen, sondern denke an den Blick Gottes. Wenn du einen Fehler machst und fällst, was tut er dann? Er steht neben dir und lächelt dich an; bereit, dich an die Hand zu nehmen... Das glaubst du nicht? Schlag das Evangelium auf und schau, was er mit Petrus, mit Maria Magdalena, mit Zachäus, mit so vielen anderen getan hat: Wunder mit Schwächen...  Gott weiß, dass wir nicht nur schön, sondern auch zerbrechlich sind, und beides gehört zusammen. Es ist ein bisschen wie mit Venedig, das zugleich prächtig und brüchig ist... Gott zeigt wegen unserer Fehler nicht mit dem Finger auf uns..., er streckt uns seine Hand entgegen... Und wenn wir am Boden liegen, sieht er Kinder, die aufgerichtet werden müssen, und keine Übeltäter, die man bestrafen muss. Bitte, vertrauen wir auf den Herrn! ...

„Die Gefahr besteht darin, alles der Improvisation zu überlassen“

 

Und wenn wir wieder aufgestanden sind, liegt es an uns, auch tatsächlich aufrecht stehen zu bleiben...: zu „bleiben“, wenn wir uns setzen wollen, den Wunsch haben, uns hängen zu lassen, aufzugeben. Das ist nicht leicht, aber das ist das Geheimnis. Ja, das Geheimnis großer Leistungen ist Beständigkeit... Heute leben wir von schnellen Emotionen, flüchtigen Empfindungen, Instinkten, die nur von kurzer Dauer sind. Aber so kommt man nicht weit. Erfolgreiche Sportler, aber auch Künstler und Wissenschaftler zeigen uns, dass große Leistungen nicht in einem Moment erreicht werden können, alles und sofort. Und wenn das schon für den Sport, die Kunst und die Kultur gilt, dann erst recht für das, was im Leben am meisten zählt: Liebe, Glaube... Die Gefahr besteht hier vielmehr darin, alles der Improvisation zu überlassen: Ich bete, wenn mir danach ist; ich gehe zur Messe, wenn mir danach ist; ich tue Gutes, wenn mir danach ist... Aber so erzielt man keine Resultate: Man muss beharrlich sein, Tag für Tag. Und man muss es gemeinsam sein... Gemeinsam: „Do it yourself“ funktioniert für die großen Dinge nicht. Und deshalb sage ich euch: Isoliert euch nicht, ... sucht den Kontakt zu anderen, erlebt Gott gemeinsam, folgt Wegen, die man als Gruppe geht, ohne zu ermüden. Jetzt könntest du sagen: „Aber alle um mich herum kleben ständig nur am Handy, lassen sich von sozialen Netzwerken und Videospielen vereinnahmen“. Du aber schwimm furchtlos gegen den Strom: nimm dein Leben in die Hand, bring dich ins Spiel; schalte den Fernseher aus und schlag das Evangelium auf...; lass das Handy liegen und triff dich mit anderen! ...


Mir scheint, schon euren Einwand zu hören: „Das ist nicht einfach, Padre, das ist ja, als würde man gegen den Strom schwimmen!“ Aber das könnt ihr hier in Venedig nicht sagen, denn Venedig sagt uns doch, dass man nur dann weit kommt, wenn man beharrlich rudert... Natürlich erfordert das Rudern Regelmäßigkeit; aber Beständigkeit lohnt sich, auch wenn sie Mühe kostet. Das, liebe Jugendliche, ist es, was Aufstehen bedeutet: Lasst euch von Gott an die Hand nehmen, um gemeinsam zu gehen!

„Du, junger Mensch, der sein Leben in die Hand nehmen will, steh auf!“

 

Und zweitens aufstehen: Gehen. Gehen bedeutet, sich selbst zum Geschenk zu machen... Denken wir an unseren Vater, der alles für uns geschaffen hat... Und wir sind seine Kinder, für wen schaffen wir etwas Schönes? Wir leben inmitten von künstlichen Produkten, die uns die Ehrfurcht vor der Schönheit, die uns umgibt, verlieren lassen. Dabei lädt uns die Schöpfung doch ein, selbst Schöpfer von Schönheit zu sein..., etwas zu tun, was es vorher nicht gab... Junge Leute, seid keine Profis im zwanghaften digitalen Tippen; seid Schöpfer von Neuem! Ein Gebet, das von Herzen kommt, eine Seite, die ihr schreibt, ein Traum, den ihr verwirklicht, eine Geste der Liebe für jemanden, der sie nicht erwidern kann: das ist Schöpfung, Nachahmung des Stiles Gottes, der erschafft. Es ist der Stil der Unentgeltlichkeit, der uns aus der nihilistischen Logik des „Ich tue, um etwas zu haben“ und „Ich arbeite, um zu verdienen“ herausführt... Erweckt eine Symphonie der Unentgeltlichkeit zum Leben in einer Welt, die nach Profit strebt! Dann werdet ihr Revolutionäre sein. Geht, schenkt euch hin, ohne Angst!

 

Du, junger Mensch, der sein Leben in die Hand nehmen will, steh auf! Öffne dein Herz für Gott, danke ihm, nimm die Schönheit an, die du bist, verliebe dich in dein Leben. Und dann geh! ... Geh hinaus, geh mit anderen, suche die Einsamen, färbe die Welt mit deiner Kreativität, male die Straßen des Lebens mit dem Evangelium an... Steh auf und geh... Das ist die Einladung, die Jesu an euch richtet. Zu so vielen Menschen, denen er half und die er heilte, sagte er: „Steh auf und geh“ (vgl. Lk 17,19). Hört auf diesen Ruf, sagt ihn euch immer wieder vor, bewahrt ihn in eurem Herzen... Steh auf und geh!

(vaticannews - übersetzung: silvia kritzenberger)

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28. April 2024, 10:50