Franziskus: Frieden schaffen auch wir, nicht nur die Mächtigen mit Verträgen
Jeder von uns kann dazu beitragen, Frieden zu schaffen. Schließlich wird er nicht nur von den Mächtigen „mit ihren Entscheidungen und ihren internationalen Verträgen geschaffen, die nach wie vor wichtige und dringende politische Entscheidungen sind“, sondern auch wir bauen an einer friedlichen Gesellschaft, „in unseren Häusern, in der Familie, unter Nachbarn, an den Orten, an denen wir arbeiten, in den Vierteln, in denen wir leben“, meint Franziskus in dem Text, der auch als „Brief an die Veroneser“ in der Stadtzeitung veröffentlicht wurde. Bei Gelegenheit des Besuchs von Papst Franziskus am kommenden Wochenende wird das Buch, das am 15. veröffentlicht wurde, auch gratis gemeinsam mit der Zeitung „L’Arena“ verteilt.
Darin gibt der Papst auch konkrete Hinweise darauf, wie Frieden aufgebaut werden kann, nämlich, „indem wir einem Migranten auf der Straße helfen, indem wir einen einsamen alten Mann besuchen, indem wir die missbrauchte Erde respektieren, indem wir jedes ungeborene Kind willkommen heißen“. Doch auch das Beispiel von Persönlichkeiten wie Domenico Mercante, einem Pfarrer aus den Veroneser Bergen, der kurz vor Kriegsende von den Nazis als Geisel genommen wurde, und dem Soldaten Leonardo Dallasega, der sich weigerte, ihn zu töten, weil er gläubig war, führt Franziskus auf; beide wurden brutal ermordet, aber beide sieht der Papst als Zeugen dafür, wie die Liebe alle Gewalt und den Tod besiegt: „Das ist das Geheimnis von Ostern: Gewalt und Tod werden durch die Liebe und die Selbsthingabe besiegt“.
Gerechtigkeit und Frieden unlösbar miteinander verbunden
„Wenn es keine Gerechtigkeit gibt, ist der Frieden bedroht; ohne Frieden ist die Gerechtigkeit gefährdet“, schreibt der Papst in dem Text weiter. „Es ist nach wie vor wahr, dass die Gerechtigkeit, verstanden als die Tugend, Gott und dem Nächsten das zu geben, was man ihm schuldet, mit dem Frieden verbunden ist, im wahrsten und eigentlichen Sinne des hebräischen Wortes Schalom“. Ein Begriff, der „nicht so sehr die Abwesenheit von Krieg als vielmehr die Fülle des Lebens und des Wohlstands“ bezeichne, unterstreicht Franziskus.
Der Friede ermögliche Gerechtigkeit, zunächst unter den „Opfern“ eines jeden Konflikts, so wie „der Friede eine Voraussetzung für eine gerechte Gesellschaft“ sei. Aber diese beiden Dimensionen des Menschlichen haben „einen Preis“, so der Papst, nämlich den, „den eigenen Egoismus zu bekämpfen“, die Tatsache, die eigenen Bedürfnisse, das „Mein“ vor das „Unsere“ zu stellen. Jeder Egoismus „ist ungerecht“, betont der Papst: „Wenn er zu einem System des persönlichen und sozialen Lebens wird, öffnet er die Tür zum Konflikt, denn um meine Interessen (oder die, die wir dafür halten) zu verteidigen ist man bereit, alles zu tun, sogar den Nächsten zu überwältigen, der vom Nächsten zum Gegner und somit zum Feind wird. Gedemütigt, niedergeschlagen und besiegt werden.“
Die Lehre von Romano Guardini
In diesem Zusammenhang zitiert Franziskus die unmissverständlichen Worte eines „großen Veronesers“, der in Deutschland aufgewachsen ist und dort gelehrt hat, Romano Guardini: „Die Freiheit besteht nicht darin, der persönlichen oder politischen Willkür zu folgen, sondern dem, was die Natur des Seins verlangt“. Gerade Guardinis erzieherisches Wirken und seine philosophisch-spirituellen Überlegungen seien „ein Leuchtturm in einer besonders dunklen Zeit“ wie der der 1930er und 1940er Jahre in Deutschland gewesen, „das unter dem schrecklichen Joch des Naziregimes erdrückt wurde“. Der Papst erinnert daran, wie einige Mitglieder der Weißen Rose, der Gruppe junger Deutscher, die in München den Nationalsozialismus anprangerten, „sich aus Guardinis philosophischen und religiösen Schriften genährt haben“. „Aus dieser Lektüre“, so der Papst weiter, „entstand die gewaltlose Aktion jener jungen Männer und Frauen, die durch das Verfassen heimlicher Flugblätter, die in der Stadt verteilt wurden, versuchten, das durch Hitlers Totalitarismus betäubte Gewissen der Menschen zu wecken. Und sie haben ihre Entscheidung für das Gewissen und die Freiheit mit dem Leben bezahlt.“
Die Geschichte von Don Mercante und dem Soldaten Dallasega
Mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg bezog sich Papst Franziskus auch auf eine weitere Erinnerung, nämlich die Geschichte des Veroneser Priesters Domenico Mercante und des Soldaten Leonardo Dallasega. Diese Geschichte, in der sich „Gerechtigkeit und Frieden in einem doppelten persönlichen Opfer vereinten“, geht auf den April 1945 zurück, in der erschütternden Zeit des Endes des Zweiten Weltkriegs. Damals stieß eine Gruppe deutscher Fallschirmjäger auf der Flucht nach Norden in das Val d'Illasi in der Provinz Verona an der Grenze zum Trentino vor und fing dort einen Wehrmachtssoldaten ab, Leonardo Dallasega, der aus dem Val di Non stammte. Auf dem Rückzug, allein, wurde er zwangsweise in die Gruppe aufgenommen. Als sie Giazza, das letzte Dorf im Illasi-Tal, erreichten, nahmen die Soldaten nach einem Gefecht mit Partisanen den 46-jährigen Priester Domenico Mercante als Geisel, der seit weniger als zwei Jahren Pfarrer des Dorfes war, aber bereits für seinen Einsatz zum Schutz der Zivilbevölkerung während der nationalsozialistisch-faschistischen Besatzung bekannt war. Die Soldaten wollten den Priester abschirmen, indem sie die Berge überquerten, das Trentino erreichten und sich so in Richtung Brennerpass begaben, um sich vor möglichen Repressalien zu schützen. Als sie am Nachmittag das Dorf Cerè-San Martino erreichten, befahl ein Offizier Dallasega, den Priester loszuwerden. Doch Dallasega - so berichten Augenzeugen – mit den Worten weigerte: „Ich bin Katholik, Vater von vier Kindern, Sie können keinen Priester erschießen!“
Sein Leben für einen anderen zu geben, selbst wenn es das eigene kostet
Sowohl der Priester als auch der Soldat wurden daraufhin erschossen. Die Leiche von Don Domenico wurde nach einigen Tagen nach Giazza zurückgebracht; bei Dallasega fand man ein Kruzifix, einen Rosenkranz und das Foto seiner Frau in der Hand. Erst viele Jahre später wurde er identifiziert: Jahrzehntelang war der deutsche Verweigerungssoldat namenlos geblieben. Die Geschichte wurde von dem Veroneser Priester Luigi Fraccari, der seit 1943 in Deutschland an der Seite der italienischen Militärinternierten (IMI) und des damaligen Apostolischen Nuntius, Cesare Orsenigo, arbeitete, recherchiert, dokumentiert und erzählt. Ein „tragischer Umstand“, so schreibt Papst Franziskus, in dem sich jedoch „der tiefe Sinn des christlichen Opfers zeigt: sein Leben für einen anderen zu geben, auch auf Kosten des eigenen Lebens“. Es ist „das Geheimnis des Osterfestes Christi: Gewalt und Tod werden durch die Liebe und die Selbsthingabe besiegt“.
„Vielleicht“, so fügt der Papst in der Einleitung hinzu, „werden wir nicht gezwungen sein, Blut zu vergießen, um unseren Glauben zu bekennen, wie es in vielen Teilen der Welt immer noch für so viele unserer christlichen Brüder und Schwestern der Fall ist, aber es sind die kleinen Dinge, in denen wir aufgerufen sind, die friedliche Kraft des Kreuzes Christi und das neue Leben, das daraus entsteht, zu bezeugen: eine Geste der Vergebung gegenüber denen, die uns beleidigt haben, eine ungerechte Verleumdung ertragen, jemandem helfen, der an den Rand gedrängt wurde“.
Kleine Friedensakte gegen einen Weltkrieg in Stücken
Gegen einen Weltkrieg „in Stücken“ gebe es daher „kleine Friedensstücke“, die „wenn sie zusammenpassen, einen großen Frieden bilden“. „In diesen täglichen Entscheidungen für Frieden und Gerechtigkeit können wir den Samen für den Beginn einer neuen Welt säen, in der der Tod nicht das letzte Wort hat und das Leben für alle blüht", versichert der Papst.
(vatican news - sc/cs)
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