Migranten, China, Gaza: Die „fliegende Pressekonferenz“ des Papstes
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Gerüchte hatten wissen wollen, dass der Papst am 8. Dezember dabei sein werde, wenn die nach einem schweren Brand restaurierte gotische Basilika wieder für die Öffentlichkeit zugänglich wird. Doch Franziskus stellte klar: „Ich werde nicht nach Paris gehen“. Allerdings spiele er mit dem Gedanken, die zu Spanien gehörenden Kanarischen Inseln zu besuchen. Dort landen mittlerweile jährlich Zehntausende von Bootsflüchtlingen an, die meisten starten vom Senegal aus. Ausweichend antwortete der Papst auf die Frage nach einer möglichen Reise in seine argentinische Heimat. Für eine solche Visite müssten zuerst noch „einige Dinge geklärt“ werden.
Der Papst äußerte sich auf seiner traditionellen „fliegenden Pressekonferenz“ nach Abschluss seiner 45. Auslandsreise, die ihn durch Südostasien und Papua-Neuguinea geführt hatte. Zunächst lobte er die besuchten Länder; in Osttimor sei ihm der Kinderreichtum positiv aufgefallen, in Singapur die „großartige interreligiöse Kultur“. Auf die Frage einer ARD-Journalistin, warum er in Singapur nicht die Todesstrafe verurteilt habe, versetzte er:
„Todesstrafe muss abgeschafft werden“
„Es stimmt, das ist mir nicht in den Sinn gekommen. Die Todesstrafe funktioniert nicht. Wir müssen sie langsam abschaffen, ganz langsam. Viele Länder haben das Gesetz, aber sie vollstrecken die Strafe nicht... Aber die Todesstrafe muss abgeschafft werden; sie funktioniert nicht.“ Die Justizbehörden in Singapur haben zuletzt im August zwei Personen wegen Drogenbesitzes hingerichtet. Auf Initiative von Papst Franziskus hin ist vor einigen Jahren eine Ächtung der Todesstrafe auch in den „Katechismus der Katholischen Kirche“ aufgenommen worden.
„Ich bewundere und respektiere China“
„Zufrieden“ äußerte sich der Papst „mit den Dialogen mit China“. Der Heilige Stuhl unterhält keine diplomatischen Beziehungen zu China und hat mit der Volksrepublik 2018 ein provisorisches Abkommen über Bischofsernennungen abgeschlossen, dessen erneute Verlängerung diesen Herbst ansteht. Dazu äußerte Franziskus, ohne ins Detail zu gehen: „Auch bei der Ernennung der Bischöfe arbeiten wir mit gutem Willen. Ich habe vom Staatssekretariat gehört, wie die Dinge laufen, und ich bin zufrieden.“
Einmal mehr sprach der Papst von seinem Wunsch, China zu besuchen: Das sei sein „Traum“. „Es ist ein großes Land, ich bewundere China, ich respektiere China. Es ist ein Land mit einer tausendjährigen Kultur, mit einer Fähigkeit zum Dialog... Ich glaube, dass China ein Versprechen und eine Hoffnung für die Kirche ist. Zusammenarbeit ist möglich...“ Der Papst ließ auch erkennen, dass er auf chinesische Hilfe hofft, um im Krieg Russlands gegen die Ukraine eine Friedensperspektive zu entwickeln. Sein Sonderbeauftragter für die Ukraine, der italienische Kardinal Matteo Zuppi, habe „Beziehungen zu China“.
Papst ruft US-Katholiken zur Beteiligung an Präsidentenwahl auf
Eine amerikanische Reporterin versuchte dem Papst eine Stellungnahme zu den Wahlen in den USA zu entlocken. Dabei wies sie darauf hin, dass der republikanische Kandidat Donald Trump gegen Migranten vorgehen will, die demokratische Kandidatin Kamala Harris hingegen ein Recht auf Abtreibung verteidigt. Franziskus äußerte dazu:
„Beide sind gegen das Leben – wer Migranten an den Rand drängt und auch wer Kinder tötet… Ich bin nicht aus den USA, ich werde dort nicht wählen. Aber seien wir uns im Klaren darüber, dass es eine schwere Sünde ist, Migranten nicht willkommen zu heißen." Ein Schwangerschaftsabbruch hingegen bedeute, „ein menschliches Wesen zu töten. Man mag das Wort mögen oder nicht, aber es ist Tötung.“ Auf ein Nachhaken der Reporterin hin rief der Papst die Katholiken in den USA dazu auf, zur Wahl zu gehen: „Und man muss das geringere Übel wählen.“
Bestürzung über Berichte aus Gazastreifen
Bestürzt zeigte sich Franziskus über die Lage im Nahen Osten, speziell im Gazastreifen, in dem das israelische Militär gegen die Terrorgruppe Hamas vorgeht. Er telefoniere täglich mit der einzigen katholischen Pfarrei in Gaza-Stadt.
„Dort sind 600 Menschen in einer Schule: Christen, Muslime... aber sie leben wie Geschwister. Sie erzählen mir schlimme Dinge, schwierige Dinge. Ich kann nicht beurteilen, ob diese Kriegshandlung zu blutig ist oder nicht, aber bitte – wenn man die Leichen von getöteten Kindern sieht, wenn man sieht, dass einige der Guerillas dort sind und dass man dann eine Schule bombardiert… Das ist schlimm, das ist schlimm. Manchmal sagen sie, es sei ein Verteidigungskrieg, aber hin und wieder denke ich, es ist ein Krieg ... zu viel, zu viel. Ich entschuldige mich dafür, dass ich das sage, aber ich finde nicht, dass Schritte unternommen werden, um Frieden zu schaffen.“
Wer auch immer den Krieg gewinne, werde am Ende „eine große Niederlage erleiden“, denn der Krieg an sich sei schon eine Niederlage, so der Papst.
„Kampf gegen Missbrauch geht alle an“
Mit Verve bekräftigte Franziskus das Engagement der Kirche gegen Missbrauch. Ausgangspunkt war eine Frage nach dem französischen Armenpriester Abbé Pierre, gegen den jetzt – lange nach seinem Tod – schwere Missbrauchsvorwürfe aufgekommen sind.
„Wir müssen klar über diese Dinge sprechen und dürfen uns nicht verstecken. Die Arbeit gegen Missbrauch ist etwas, das wir alle tun müssen. Aber nicht nur gegen sexuellen Missbrauch, sondern gegen alle Arten von Missbrauch: sozialer Missbrauch, erzieherischer Missbrauch, Veränderung der Mentalität der Menschen, Wegnahme ihrer Freiheit. Missbrauch ist meiner Meinung nach etwas Dämonisches, denn jede Art von Missbrauch zerstört die Würde des Menschen, jede Art von Missbrauch versucht zu zerstören, was wir alle sind: das Ebenbild Gottes. Ich bin froh, wenn diese Fälle ans Licht kommen.“
Zu Venezuela: „Diktaturen enden schlecht“
Die Regierung und das Volk von Venezuela rief der Papst bei der „fliegenden Pressekonferenz“ auf, „alles zu tun, um einen Weg des Friedens zu finden“. Das gehe nur mit Dialog. „Diktaturen haben keinen Sinn und nehmen früher oder später ein schlechtes Ende.“ Er stehe hinter der Botschaft der Bischöfe, betonte er. Die venezolanischen Bischöfe haben das Regime von Nicolas Maduro in einer Erklärung aufgefordert, die echten Ergebnisse der Wahl von Ende Juli zu veröffentlichen und ihre „Kampagne der Unterdrückung und Verfolgung“ einzustellen.
Frustriert zeigte sich der Papst gegenüber den mitreisenden Medienschaffenden, von denen einige ihn bei sämtlichen Reisen begleiten, über die internationale Klimapolitik: „Es wird geredet, es wird geredet, aber es wird nicht gehandelt. Das ist mein Eindruck.“ Die 2015 erschienene Umwelt- und Sozialenzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus gilt als wichtige Weichenstellung der katholischen Kirche mit der Kernaussage, dass globale Armut und Umweltzerstörung zusammengehören und nur gemeinsam bekämpft werden können. Das Lehrschreiben fand in der globalen Politik zunächst ungewöhnlich große Aufmerksamkeit.
(vatican news)
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