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Papst Franziskus und Großimam Nasaruddin Umar beim Unterzeichnen der „Gemeinsamen Erklärung von Istiqlal 2024" Papst Franziskus und Großimam Nasaruddin Umar beim Unterzeichnen der „Gemeinsamen Erklärung von Istiqlal 2024"   (VATICAN MEDIA Divisione Foto)

Indonesien: Papst und Großimam unterzeichnen gemeinsame Erklärung

In der indonesischen Hauptstadt Jakarta haben Papst Franziskus und der Großimam der größten Moschee Asiens eine Erklärung zur gemeinsamen Sorge für Frieden und Schöpfung von Christen und Muslimen unterzeichnet. Beide Religionsführer riefen dazu auf, „den Einklang der Religionen zum Wohl der Menschheit zu stärken“ – das ist der Titel der Erklärung.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Kriege und Konflikte würden „leider auch durch die Instrumentalisierung von Religion genährt“, sagte Franziskus in seiner Rede in einem großen Zelt auf dem Gelände der Moschee, und die Umweltkrise sei „zu einem Hindernis für das Wachstum und das Zusammenleben der Völker geworden“. In dieser Lage helfe es, „die Werte, die allen religiösen Traditionen gemeinsam sind“, zu stärken und „die Kultur der Gewalt und der Gleichgültigkeit zu besiegen“, zitierte der Papst aus der Gemeinsamen Erklärung von Istiqlal, dem Namen der Moschee, in der das Dokument an diesem Donnerstag erstmals verlesen und vom Papst und von Großimam Nasaruddin Umar unterzeichnet wurde.

Im Zelt auf dem Moscheegelände
Im Zelt auf dem Moscheegelände

Auf eben diese beiden globalen Krisen richtet die Erklärung den Blick: Entmenschlichung und Klimawandel. Zum Thema Gewalt und Instrumentalisierung der Religion vermerkt der Text, die Rolle der Religionen bestehe auch darin, „die Würde jedes menschlichen Lebens zu fördern und zu schützen." Gläubige und insbesondere religiöse Führer sollten, „inspiriert durch ihre jeweilige Geschichte und spirituelle Tradition, bei der Bewältigung der oben genannten Krisen zusammenarbeiten, ihre Ursachen ermitteln und geeignete Maßnahmen ergreifen." Da es nur eine einzige globale Menschheitsfamilie gebe, solle der interreligiöse Dialog „als wirksames Instrument zur Lösung lokaler, regionaler und internationaler Konflikte anerkannt werden, insbesondere solcher, die durch den Missbrauch von Religion verursacht werden."

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Nach dem Gruppenfoto
Nach dem Gruppenfoto

Auch Vertreter von Hinduismus, Buddhismus und Konfuzianismus unterstützten die Erklärung; sie standen beim Verlesen hinter dem Sprecherpult. Die gesamte Szene in dem geräumigen Zelt auf dem Moscheegelände war atmosphärisch getragen von der Absage an Extremismen und von Gesten der Freundschaft, bis hin zur letzten Minute der Begegnung, nach dem Gruppenfoto, als der Großimam die Scheitelkappe des Papstes und dann der Papst die Hand des Großimams küsste.

Nach dem Gruppenfoto, die Zweite
Nach dem Gruppenfoto, die Zweite

Beide Religionsführer in Weiß saßen im Zelt lächelnd nebeneinander auf zwei gleichen Stühlen, Franziskus zur Linken, der deutlich jüngere Großimam zur Rechten. Eine blinde junge Muslimin, ebenfalls in Weiß und mit Kopftuch, sang mit starker schöner Stimme eine Passage des Koran, danach trug ein indonesischer Priester die Parabel vom Barmherzigen Samariter nach dem Lukasevangelium vor. 

Drei in Weiß: die Sängerin, der Papst, der Großimam
Drei in Weiß: die Sängerin, der Papst, der Großimam

Großimam Nasaruddin Umar hob als Gastgeber die besondere Offenheit seiner Moschee hervor. Sie sei „nicht nur ein Gotteshaus für Muslime, sondern auch ein großes Haus für die Menschheit", das jeder und jede besuchen und nutzen könne. In der größten Moschee Asiens und drittgrößten der Welt - nach jenen in Mekka und Medina in Saudi-Arabien - finden nach Umars Aussage auch interreligiöse, interkulturelle und diplomatische Aktivitäten statt, und bei der Ausbildung der muslimischen Kader, Männer wie Frauen, habe die Moschee das Ziel und die Erwartung, „dass sie zu moderaten und international anerkannten Führungskräften werden."

Papst und Großimam - wie Brüder nebeneinander
Papst und Großimam - wie Brüder nebeneinander

Auch Franziskus kam auf das muslimische Gebetshaus zu sprechen, das den Rahmen der Begegnung bildete. Die Moschee wurde in den 1950er Jahren von einem christlichen indonesischen Architekten entworfen, Friedrich Silaban, der die Ausschreibung gewonnen hatte. Das allein bezeuge, dass Moscheen in Indonesien Räume des Dialogs und „des harmonischen Miteinanders zwischen den Religionen und unterschiedlichen spirituellen Richtungen“ seien, unterstrich der Papst.

Dazu kommt die Lage: Genau gegenüber der Moschee liegt die katholische Kathedrale, also der Bischofssitz Jakartas. Beide Gebäude verbindet ein „Tunnel der Freundschaft“ genannter unterirdischer Gang, durch den „diese beiden großen Gotteshäuser nicht nur einander ,gegenüber‘ stehen, sondern auch miteinander ,verbunden‘ sind“, merkte der Papst an. Das ermögliche Dialog und Begegnung. Schon zuvor, bei einem Besuch des Tunnels, hatte Franziskus mit poetischen Worten die gemeinsame Aufgabe von Gläubigen verschiedener Religionen betont: „Wir müssen allen helfen, den Blick beim Durchqueren des Tunnels auf das Licht zu richten. So können wir am Ende des Weges in denjenigen, die neben uns gegangen sind, einen Bruder, eine Schwester erkennen, mit denen wir das Leben teilen und gegenseitige Hilfsbereitschaft üben können."

„Möge niemand den Verlockungen des Fundamentalismus und der Gewalt erliegen“

Wie schon in seiner ersten Rede auf indonesischem Boden sparte Franziskus das Thema des aufkeimenden religiösen Fundamentalismus im bevölkerungsreichsten muslimischen Land der Welt nicht aus. „Möge niemand den Verlockungen des Fundamentalismus und der Gewalt erliegen, stattdessen sollen alle vom Traum einer freien, geschwisterlichen und friedlichen Gesellschaft und Menschheit fasziniert sein“, äußerte der Papst in der Moschee. Er ermutigte dazu, voranzugehen auf dem Weg des friedlichen Zusammenlebens, „so dass wir alle gemeinsam – wobei jeder seine eigene Spiritualität pflegt und seine eigene Religion praktiziert – auf der Suche nach Gott unterwegs sind und zum Aufbau offener Gesellschaften beitragen, die auf gegenseitigem Respekt und wechselseitiger Liebe gründen und in der Lage sind, Starrheit, Fundamentalismus und Extremismus zu verbannen, die immer gefährlich und nie zu rechtfertigen sind.“

Nach dem Gruppenfoto, die Dritte
Nach dem Gruppenfoto, die Dritte

„Die Einheit entsteht aus persönlichen freundschaftlichen Banden“

Als Methode empfahl der Papst, persönliche Verbindungen und religionsübergreifende Freundschaften zu pflegen. Das sei etwas anderes als ein interreligiöser Dialog, der krampfhaft versuche, Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und am Ende zu mehr Distanz führe, „weil die Lehren und Dogmen einer jeden Religion unterschiedlich sind“, so Franziskus. Wer sich in Freundschaft begegne, öffne sich für den anderen, und dann suchten beide gemeinsam nach der Wahrheit, „indem wir von der religiösen Tradition des anderen lernen“, unterstrich der Papst. Diese Art tragfähiger Bindungen eröffne einen Weg der Zusammenarbeit bei gemeinsamen Zielen: „bei der Verteidigung der Menschenwürde, beim Kampf gegen die Armut, bei der Förderung des Friedens. Die Einheit entsteht aus persönlichen freundschaftlichen Banden, aus gegenseitigem Respekt, aus der wechselseitigen Verteidigung der Räume und Ideen der anderen.“

Franziskus hält sich im Rahmen seiner 45. Auslandsreise seit Dienstag in Indonesien auf. Am Freitag fliegt er nach Papua-Neuguinea, dann nach Osttimor und Singapur. Insgesamt dauert die Visite in den vier Ländern von 2. bis 13. September, es ist die längste Reise des Pontifikats. 

(vatican news – gs)

 

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05. September 2024, 04:41