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Papst Franziskus begrüßt die Journalisten auf dem Flug nach Luxemburg Papst Franziskus begrüßt die Journalisten auf dem Flug nach Luxemburg  (VATICAN MEDIA Divisione Foto)

Auf dem Flug nach Luxemburg: Migrantenbriefe für den Papst

Beim Flug nach Luxemburg an diesem Donnerstagmorgen nutzten einige der Journalisten an Bord wie üblich die Gelegenheit, Papst Franziskus Botschaften zu überbringen. Das katholische Kirchenoberhaupt erhielt eine Tasche mit Briefen von Migranten, in denen sie von ihrer Flucht nach Europa berichten.

Salvatore Cernuzio - Papstreisekorrespondent Luxemburg

Der enge Zeitplan des Fluges erlaubte es dem Papst nicht, die traditionelle Begrüßungsrunde zu machen, bei der er üblicherweise selbst zwischen den Sitzen der Reporter, Kameraleute und Fotografen hin- und hergeht, um ihnen die Hand zu schütteln und sich einen Witz oder einen Satz ins Ohr flüstern zu lassen. „Tut mir leid, ich fühle mich nicht in der Lage, diese 'Reise' zu unternehmen...“, scherzte Franziskus in Anspielung auf den langen Gang des Flugzeugs, als er die rund 60 Journalisten an Bord begrüßte und ihnen wie üblich für ihre Arbeit dankte. 

Tasche aus dem Senegal voller Geschenke und Botschaften

Wie immer waren die Geschenke, die die Journalisten für den Papst vorbereitet hatten, zahlreich und originell. Der Leiter des vatikanischen Pressebüros, Matteo Bruni, sammelte sie nach und nach ein und überreichte sie Franziskus.

Ein Geschenk stach dabei besonders hervor, weil es eine dramatische Geschichte enthält, die mit einem der Lieblingsthemen des Papstes zusammenhängt: Migration. Es war wieder die spanische Journalistin Eva Fernández, Korrespondentin von Radio Cope, die Franziskus diesmal eine senegalesische Stofftasche übergeben ließ. Sie wurde von Kindern, die die Stiftung „Buen Samaritano" betreut, angefertigt, einer Initiative der Pfarrei Santa María de Añaza auf den Kanarischen Inseln, die aufgrund der ständigen Anlandung von Migranten und Flüchtlingen und der tausendfachen Schwierigkeiten, sie alle aufzunehmen, zu einem „neuen Lampedusa“ geworden sind. Dieselben Kanarischen Inseln, von denen Franziskus mehr als einmal gesagt hat - zuletzt etwa während der Pressekonferenz bei seiner Rückkehr aus Singapur -, dass er sie früher oder später besuchen möchte.

Odyssee auf dem Meer

Das Echo dieses Wunsches des Papstes hat die Migranten, die sich auf den Kanaren niedergelassen haben, selbst erreicht, die über Eva Fernández Briefe an den Papst schicken wollten, um ihm von der Odyssee zu berichten, die sie erlebt, oder vielleicht sollte man besser sagen erlitten haben, um vor den Toren Europas anzukommen. Die Briefe befinden sich in der senegalesischen Tasche, nebst einem von einem einheimischen Künstler angefertigten Bild der kanarischen Regierung und einem Brief des Präsidenten Fernando Clavijo, in dem er dem Papst für seine Besorgnis über die Lage auf dem Archipel dankt.

In der Tasche befindet sich auch eine Misbaha (islamische Gebetskette) aus bunten Perlen. Es ist das Geschenk eines Einwanderers an einen Priester, der ihm bei der Ausschiffung half. Sie befindet sich nun in den Händen des Papstes, ebenso wie die handgeschriebenen Briefe von Michel, Ousseynou, Bright, Ousmane und Abibo. Allesamt Migranten, die vor Armut und den Tragödien Afrikas geflohen sind. Sie alle erzählen vom Verlassen ihrer Heimat, ihrer Familie, ihres Landes, aber auch vom Neubeginn und ihrer  „Wiedergeburt" in gewisser Weise.

Die Geschichten von Michel, Ousseynou, Bright, Ousmane und Abibo

Der Brief von Michel, einem Minderjährigen, der den Senegal verlassen hat, erzählt die Geschichte des Jungen, des jüngsten von drei Brüdern, der sieben Tage lang unterwegs war, ohne sich umziehen zu können. Die Menschenhändler hatten seinen Rucksack auf dem Boden liegen lassen. Er reiste in einem nassen T-Shirt und einer Hose und konnte kaum Laufen, als er auf den Kanaren ankam. Er wurde von der Stiftung „Barmherziger Samariter" bei einem Freund untergebracht und begann zu arbeiten. So kann er seiner Familie im Senegal helfen, schreibt er.

Aus demselben Land kommt Ousseynou Fall: Er ist älter als Michel, aber ebenso traumatisiert von der Reise, bei der er mehrere Menschen verdursten sah. In seinem Brief versichert er dem Papst, dass sein möglicher Besuch auf den Kanarischen Inseln ein großer Trost für diejenigen wäre, die auf der Insel leiden und von einer besseren Zukunft träumen. Sollte der Papst kommen, hat Ousseynou angeboten, ihn persönlich zum Hafen von Arguineguin zu begleiten, wo so viele Menschen per Schiff ankommen.

„Die Kälte verdrehte meine Finger“

Ousmane stammt ebenfalls aus dem Senegal: Er ist Dichter und rekonstruiert seine Reise mitthilfe von Lastkähnen in einigen Versen, in denen das Grauen durch Metaphern und Gleichnisse geschildert wird: „Die Kälte verdrehte meine Finger und der Hunger in meinem Magen fühlte sich an wie ein Faden, während die Feuchtigkeit und das Salz des Meeres meine Haut zerrissen und meine Wimpern sich in Salzkristalle verwandelten“.

Unter den Briefen ist auch einer von Bright Obanor, einem Nigerianer mit Frau und drei Kindern. Er floh 2008 vor politischer Verfolgung und kam nach zwei Monaten in Libyen an. Er arbeitete monatelang, bevor er das Geld zusammenkratzte, um nach Sizilien zu gehen. Dort blieb er sieben Monate lang und zog dann nach Padua. Drei Monate lang lebte er auf der Straße. Auf den Straßen von Padua gelang es ihm, seine Frau wiederzufinden. Sie beschlossen, nach Frankreich zu gehen, um ihren Kindern eine bessere Zukunft zu bieten. Das Happy End ließ jedoch lange auf sich warten. Bright konnte keine Papiere bekommen und verließ sich auf einen Bekannten, der ihm eine Reise nach Irland versprach, um seine Papiere in Ordnung zu bringen. Das alles für 3.700 Euro. Es war ein Betrug. Der junge Mann wurde in Teneriffa verhaftet, wo das Flugzeug, das ihn nach Dublin bringen sollte, zwischenlandete. Dank der Hilfe vieler Menschen werden seine Papiere jetzt bearbeitet. Inzwischen hat er sein Studium wieder aufgenommen.

Der letzte Brief stammt von Abibo Danfá aus Guinea-Bissau, einem der wenigen Christen, die auf die Kanarischen Inseln kamen. In seinem Land hat Abibo studiert und gearbeitet, um das Studium für sich und seine Brüder zu finanzieren, aber Geldmangel hinderte ihn daran, weiterzumachen. Mit einem Lastkahn gelangte er bis nach El Hierro, ebenfalls eine beschwerliche Reise. Er erzählt Papst Franziskus von der Unmöglichkeit, in Afrika zu leben, wegen des Hungers und der Kriege: Deshalb entscheiden sich so viele, ihr Leben in Europa neu aufzubauen, schreibt er. 

Viele Migranten haben Belgien als Ziel, das Herz des Alten Kontinents, wo Franziskus diesen Abend eintrifft.

(vatican news - sst)

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26. September 2024, 10:58