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Papst Franziskus bei der Begegnung mit Studenten Papst Franziskus bei der Begegnung mit Studenten

Wortlaut: Papstansprache an Universitätsstudenten

Radio Vatikan/Vaticannews dokumentiert an dieser Stelle in amtlicher Übersetzung den Wortlaut der Ansprache, die Papst Franziskus am Samstag 28.9.2024 in Belgien an der katholischen Universität in Louvain-La-Neuve im französischsprachigen Landesteil Wallonie gehalten hat.

Sämtliche amtliche Wortmeldungen der Päpste finden Sie auf der offiziellen Homepage des Vatikans.

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Ich danke Ihnen, Frau Rektorin, für Ihre freundlichen Worte. Liebe Studenten, ich freue mich, euch zu treffen und eure Überlegungen zu hören. In diesen euren Worten höre ich Leidenschaft und Hoffnung, Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Suche nach Wahrheit.

Von den Themen, die ihr ansprecht, hat mich vor allem das Thema Zukunft und Angst beeindruckt. Wir sehen, wie gewalttätig und anmaßend das Böse ist, das die Umwelt und die Völker zerstört. Es scheint kein Halten zu kennen. Der Krieg ist sein brutalster Ausdruck - ihr müsst wissen, dass in einem Land, dessen Namen ich nicht nennen werde, die Investitionen, die am meisten Profit abwerfen, heute Waffenfabriken sind, das ist hässlich!, da scheint es kein Halten zu geben; der Krieg ist sein brutalster Ausdruck, ebenso wie Korruption und die modernen Formen der Sklaverei. Manchmal verunreinigen diese Übel die Religion selbst, die zu einem Mittel zur Herrschaft wird. Das aber ist Blasphemie. Die Verbindung der Menschen mit Gott, der die rettende Liebe ist, wird zur Sklaverei. Selbst der Name des Vaters, der Fürsorge offenbart, wird zu einem anmaßenden Ausdruck. Gott ist Vater, nicht Beherrscher; er ist Sohn und Bruder, nicht Diktator; er ist Geist der Liebe, nicht der Herrschaft.

Wir Christen wissen, dass das Böse nicht das letzte Wort hat, dass seine Tage, wie man sagt, gezählt sind. Das nimmt uns aber nicht aus der Verantwortung, es verstärkt sie sogar: Die Hoffnung ist unsere Verantwortung. Eine Verantwortung, die man übernehmen muss, denn die Hoffnung enttäuscht nie, sie enttäuscht nie. Und diese Gewissheit überwindet das pessimistische Gewissen, den Stil des Turandot... Die Hoffnung enttäuscht nie. Dankbarkeit, Mission, Treue.

Die erste Haltung ist die der Dankbarkeit, denn dieses Haus ist uns geschenkt. Wir sind nicht Hausherren, wir sind Gäste und Pilger auf Erden. Der erste, der sich dieses Hauses annimmt, ist Gott. Wir werden zuallererst von Gott umsorgt, er hat die Erde – wie Jesaja sagt – »nicht als Nichtiges erschaffen, er hat sie zum Wohnen geformt« (Jes 45,18). Und voll staunender Dankbarkeit ist der achte Psalm: »Seh ich deine Himmel, die Werke deiner Finger, Mond und Sterne, die du befestigt: Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst?« (Ps 8,4-5). Das Gebet, das mir da aus dem Herzen kommt, geht so: Danke, o Vater, für den Sternenhimmel und für das Leben in diesem Universum!

Die zweite Haltung ist die der Mission: Wir sind in der Welt, um ihre Schönheit zu bewahren und sie zum Wohl aller zu pflegen, vor allem zum Wohl der Nachwelt, die unsere Nächsten in der Zukunft sind. Dies ist das „ökologische Programm“ der Kirche. Aber kein Entwicklungsplan wird gelingen, wenn Arroganz, Gewalt und Rivalität in unserem Denken bleiben, in unserer Gesellschaft. Wir müssen an den Ursprung des Problems gehen, nämlich das menschliche Herz. Daher rührt auch die dramatische Dringlichkeit der ökologischen Frage: von der arroganten Gleichgültigkeit der Mächtigen, die immer die wirtschaftlichen Interessen in den Vordergrund stellt. Wirtschaftliches Interesse: Geld. Ich erinnere mich an etwas, das mir meine Großmutter immer gesagt hat: „Pass auf im Leben, denn der Teufel schleicht sich über die Geldbörse ein“. Wirtschaftliches Interesse. Solange dies der Fall ist, wird jeder Appell zum Schweigen gebracht oder nur in dem Maß aufgegriffen, wie er dem Markt nützt. Diese "Spiritualität des Marktes". Und solange der Markt an erster Stelle steht, wird unser gemeinsames Haus unter Ungerechtigkeit leiden. Die Schönheit des Geschenks erfordert unsere Verantwortung: Wir sind Gäste, keine Despoten. In diesem Sinne, liebe Studenten, versteht Kultur als Kultivierung der Welt, nicht nur der Ideen.

Hierin liegt die Herausforderung einer ganzheitlichen Entwicklung, die eine dritte Haltung erfordert: die Treue. Treue zu Gott und zu den Menschen. Diese Entwicklung betrifft in der Tat alle Menschen in allen Aspekten ihres Lebens: physisch, moralisch, kulturell, soziopolitisch; und sie wendet sich gegen jede Form von Unterdrückung und Ausgrenzung. Die Kirche prangert diese Missstände an und setzt sich in erster Linie für die Umkehr eines jeden ihrer Mitglieder ein, für unsere eigene Umkehr zu Gerechtigkeit und Wahrheit. In diesem Sinne appelliert die ganzheitliche Entwicklung an unsere Heiligkeit: Sie ist Berufung zu einem gerechten und glücklichen Leben – für alle.

Es geht also darum, sich zwischen der Manipulation der Natur und der Kultivierung der Natur zu entscheiden. Beginnen wir mit unserer menschlichen Natur – denken wir an Eugenik, kybernetische Organismen, künstliche Intelligenz. Die Entscheidung zwischen Manipulation und Kultivierung betrifft auch unser Inneres.

Wenn wir über die menschliche Ökologie nachdenken, kommen wir zu einem Thema, das euch und noch mehr mir und meinen Vorgängern am Herzen liegt: die Rolle der Frau in der Kirche. Mir hat gefallen, was du gesagt hast. Gewalt und Ungerechtigkeit wiegen hier schwer, ebenso wie ideologische Vorurteile. Deshalb müssen wir zum Ausgangspunkt zurückkehren: Wer ist die Frau und wer ist die Kirche? Die Kirche ist Frau, es heißt nicht "der Kirche", sondern "die Kirche", sie ist Braut. Die Kirche ist das Volk Gottes, kein multinationaler Konzern. Im Volk Gottes ist die Frau Tochter, Schwester und Mutter. So wie ich Sohn, Bruder und Vater bin. Das sind Beziehungen, die unsere Gottesebenbildlichkeit zum Ausdruck bringen, Mann und Frau, zusammen, nicht getrennt! In der Tat sind Frauen und Männer Personen, nicht Individuen; sie sind von „Anfang“ an dazu berufen, zu lieben und geliebt zu werden. Eine Berufung, die eine Auftrag ist. Daraus ergibt sich ihre Rolle in der Gesellschaft und in der Kirche (vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Mulieris Dignitatem, 1).

Was für die Frau charakteristisch ist, was weiblich ist, wird nicht durch Konsens oder Ideologien festgelegt. Und die Würde wird durch ein ursprüngliches Gesetz gesichert, das nicht auf Papier geschrieben, sondern dem Leib eingeschrieben ist. Die Würde ist ein unschätzbares Gut, eine ursprüngliche Qualität, die kein menschliches Gesetz geben oder nehmen kann. Ausgehend von dieser gemeinsamen und geteilten Würde entfaltet die christliche Kultur in verschiedenen Kontexten immer wieder aufs Neue die Berufung und Sendung des Mannes und der Frau und ihr gegenseitiges Füreinandersein, in Gemeinschaft. Nicht einer gegen den anderen - das wäre Femminismus oder Maskulismus -, nicht in gegensätzlichen Ansprüchen, sondern einer für den anderen, der Mann für die Frau und die Frau für den Mann, gemeinsam.

Denken wir daran, dass die Frau im Heilsgeschehen eine zentrale Stellung einnimmt. Durch da „Ja“ Marias kommt Gott in Person in die Welt. Die Frau ist fruchtbare Aufnahme, Fürsorge, lebendige Hingabe. Darum ist die Frau auch wichtiger als der Mann, aber es ist hässlich, wenn eine Frau wie ein Mann sein will, nein, sie ist Frau, und das hat sein Gewicht, es ist wichtig. Öffnen wir unsere Augen für die vielen täglichen Beispiele der Liebe, die sichtbar wird in Freundschaft, Arbeit und Studium; wenn jemand in Kirche und Gesellschaft Verantwortung übernimmt; in Bräutlichkeit und Mutterschaft, in der Jungfräulichkeit für das Reiches Gottes und für den Dienst. Vergessen wir es nicht, ich wiederhole: die Kirche ist Frau, nicht Mann, sie ist Frau. 

Ihr selbst seid hier, um als Frauen und als Männer zu wachsen. Ihr seid auf einem Weg der Formung in eurem Menschsein. Deswegen umfasst euer akademischer Weg verschiedene Bereiche: Forschung, Freundschaft, soziales Engagement, zivile und politische Verantwortung, künstlerische Betätigung...

Ich denke an die Erfahrung, die ihr jeden Tag hier an der Katholischen Universität Louvain macht, und ich möchte drei einfache und entscheidende Aspekte der Bildung ansprechen: Wie studieren? Warum studieren? Für wen studieren?

Wie studieren: Es gibt nicht nur eine Methode, wie in jeder Wissenschaft, sondern auch einen Stil. Jeder Mensch kann seinen eigenen Stil kultivieren. In der Tat ist das Studium immer ein Weg zur Selbsterkenntnis und der der anderen. Aber es gibt auch einen gemeinsamen Stil, den man in der Hochschulgemeinschaft miteinander teilen kann. Man studiert gemeinsam: mit denen, die vor mir studiert haben – Dozenten, Kommilitonen, die schon weiter sind –, mit denen, die im Hösaal neben mir sitzen. Kultur als Sorge für sich selbst bedeutet auch Sorge für die Anderen. Da gibt es keinen Krieg zwischen Studenten und Professoren, da ist Dialog, manchmal ist der Dialog etwas turbulent, aber es ist ein Dialog, und der Dialog lässt die Hochschulgemeinschaft wachsen.

Zweitens: Warum studieren. Es gibt einen Grund, der uns antreibt, und ein Ziel, das uns anzieht. Diese müssen gut sein, denn von ihnen hängt der Sinn des Studiums, die Richtung unseres Lebens, ab. Manchmal studiere ich, um eine bestimmte Art von Arbeit zu finden, aber am Ende dreht sich in meinem Leben alles nur darum. Wir werden zur „Ware“, leben in Funktion der Arbeit. Man lebt aber nicht, um zu arbeiten, sondern arbeitet, um zu leben; das ist leicht gesagt, aber es braucht unser Bemühen, um dies konsequent in die Praxis umzusetzen. Und dieses Wort "konsequent" ist sehr wichtig für euch Studenten, ihr müsst lernen, konsequent zu sein.

Drittens: Für wen soll man studieren? Für sich selbst? Um anderen gegenüber Rechenschaft abgeben zu können? Wir studieren, um andere bilden und ihnen dienen zu können, in erster Linie mit dem Dienst des Fachwissens und der Kompetenz. Bevor wir uns fragen, ob es etwas bringt, zu studieren, sollten wir darauf achten, jemandem zu dienen. Eine gute Frage, die sich ein Student stellen kann, lautet: diene ich mir selbst oder den anderen? Habe ich ein offenes Herz für einen anderen Dienst? Dann zeugt der akademische Grad von der Fähigkeit, dem Gemeinwohl zu dienen. Studiere ich für mich, um zu arbeiten, um nützlich zu sein, für das Gemeinwohl. Und das muss sehr ausgewogen sein.

Liebe Studenten, es ist mir eine Freude, diese Gedanken mit euch zu teilen. Und während wir dies tun, nehmen wir wahr, dass es etwas Größeres gibt, das uns erleuchtet und übersteigt: die Wahrheit. Was ist die Wahrheit? Pilatus hatte diese Frage gestellt. Ohne Wahrheit verliert unser Leben seinen Sinn. Das Studium ist sinnvoll, wenn wir dabei die Wahrheit suchen, aber mit einem kritischen Geist. Um die Wahrheit zu finden, braucht es diesen kritischen Geist, dann können wir weitergehen. Das Studium ist sinnvoll, wenn es die Wahrheit sucht, vergesst das nicht. Und während wir sie suchen, verstehen wir, dass wir geschaffen sind, um sie zu finden. Die Wahrheit lässt sich finden: Sie ist einladend, sie ist verfügbar, sie ist großzügig. Wenn wir die gemeinsame Suche nach der Wahrheit aufgeben, wird das Studium zu einem Instrument der Macht und Kontrolle über andere. Und es macht mich traurig, wenn ich irgendwo auf der Welt Universitäten finde, die die Studenten nur darauf vorbereiten, Geld zu verdienen oder Macht zu erlangen. Das ist zu individualistisch, ohne Gemeinschaft. Die Alma mater ist die Universitätsgemeinschaft, die Universität, die uns hilft, die Gesellschaft aufzubauen, Geschwisterlichkeit aufzubauen. Ein Studium, das nicht die Wahrheit sucht, dient nicht, sondern beherrscht. Stattdessen macht uns die Wahrheit frei (vgl. Joh 8,32). Liebe Studenten, wollt ihr Freiheit? Dann seid Suchende und Zeugen der Wahrheit! Versucht, durch die einfachsten täglichen Entscheidungen glaubwürdig und konsequent zu sein. So wird diese Universität jeden Tag zu dem, was sie sein will, nämlich eine katholische Universität! Geht weiter voran und lasst euch nicht auf diese Kämpfe mit ideologischen Dichotomien ein, nein. Vergesst nicht: Die Kirche ist Frau, und das wird uns sehr helfen

Ich danke euch für diese Begegnung. Danke! Ich segne euch von Herzen, euch und euren Bildungsweg. Und ich bitte euch: Vergesst nicht, für mich zu beten. Und wenn einer sich nicht aufs Beten versteht, oder nicht beten will, dann soll er mir wenigstens positive Schwingungen schicken, die brauche ich! Danke!

(vaticannews - skr)

 

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28. September 2024, 18:45