Papst trifft Kirchenleute in Osttimor – „Duft Christi verbreiten“
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Vor allem aber bekam der Gast aus Rom einen Einblick in das Leben des Pazifikstaats, den ihm der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Norberto do Amaral, so vorstellte:
„Eine neue und kleine Nation, nur 14.800 Quadratkilometer groß, mit einer Bevölkerung von gut einer Million, einer katholischen Gemeinschaft, die fast 98% der Bevölkerung ausmacht. Osttimor ist das Land mit dem größten Anteil an Katholiken in Asien und, man könnte sagen, in der Welt.“ Jedenfalls wenn man den Vatikanstaat nicht mitzählt.
Blühende kirchliche Landschaften
Das kirchliche Leben schilderte eine Ordensfrau dem Papst als blühend. „Osttimor ist eine Oase der Priester- und Ordensberufe. Und es konnte Gott sei Dank auch Ordensmänner und -frauen aussenden, um anderen Regionen der Welt zu helfen. Wir sind ein gesegnetes Gebiet, in dem die Mehrheit der Bevölkerung Kinder, Jugendliche und junge Menschen sind. Daher ist die Zukunft der Kirche und der Nation hell und vielversprechend.“ So etwas bekommt man als Papst nicht alle Tage zu hören.
Dabei machte der pensionierte Katechet Florentino de Jesus Martins allerdings klar, dass es auch in Osttimor harte Arbeit bedeutet, die Flamme des Glaubens am Brennen zu halten. Der an Parkinson Erkrankte hat seit Mitte der Fünfziger des letzten Jahrhunderts Katechesen gehalten und Menschen auf die Taufe und die Erstkommunion vorbereitet – erst ehrenamtlich, ab 1962 dann mit einem kleinen Gehalt vom Bistum Dili.
Ein Katechist trotzt Wind und Wetter
„Zu dieser Zeit gab es noch keine modernen Transportmittel. Oft musste ich zwischen 6 und 10 Kilometer laufen, um Katechese zu halten. Auf dem Weg dorthin war ich manchmal mit Herausforderungen konfrontiert, wie Regen und starkem Wind, oder ich musste während der Reise übernachten. Trotz dieser Herausforderungen ließ ich mich nie entmutigen und arbeitete mit größter Verantwortung, Eifer und Hingabe weiter.“
Auch einen Einblick in die schwierige jüngere Geschichte Osttimors bekam der Papst: Die frühere portugiesische Kolonie war seit Mitte der siebziger Jahre von Indonesien besetzt und konnte unter vielen Mühen erst 2002 die Unabhängigkeit erlangen. Ein Priester namens Sancho Amaral erzählte, wie er zu Beginn der neunziger Jahre den Untergrund-Kommandanten der Unabhängigkeitskämpfer mit dem Auto durch einen indonesischen Checkpoint hindurchschmuggelte.
Der Priester und der Milizenführer
„Da ich meine Soutane trug, kurbelte ich das Autofenster herunter, streckte den Arm hinaus, machte ein mürrisches Gesicht und fragte: ‚Warum halten Sie uns an?‘ Aber als die Soldaten merkten, dass es ein Priester war, ließen sie uns passieren. Die Soutane, das Kleidungsstück der priesterlichen Identität, hat uns also vor Gefahren bewahrt… Das ist die Lektion, die ich als Priester durch die vielen schwierigen Erfahrungen des Krieges gelernt habe: Gott weiß, wie er sich um die kümmert, die er berufen und in die Mission geschickt hat.“
Der Kommandant, den Pater Amaral in seinem Wagen an Bord hatte, war übrigens Xanana Gusmão. Aus dem Milizenführer wurde 2002 der erste Staatschef eines unabhängigen Osttimor, derzeit ist er Ministerpräsident.
Der Papst hörte den Reden, mit denen sich Osttimors Ortskirche ihm vorstellte, interessiert zu. Er wirkte ausgeruht und sichtlich zu scherzen aufgelegt; als sein Mikrofon versagte, rief er: „Man hindert mich am Sprechen... Revolution!“, und über den Katecheten sagte er, dieser mache offenbar dem Apostel Paulus Konkurrenz.
Vor allem machte Franziskus in seiner Rede aber deutlich, dass er froh sei, dieses „Land an den Grenzen der Erde“ kennenzulernen. „Und – so möchte ich sagen – gerade weil es am Rande liegt, befindet es sich im Zentrum des Evangeliums! Denn im Herzen Christi – das wissen wir – haben die Peripherien einen zentralen Platz…“
Zurück zum Ursprungsduft
Die Ansprache des Papstes kreiste um einen Passus des Johannesevangeliums, in dem Maria von Bethanien die Füße Jesu mit einem kostbaren Öl salbt (Joh 12,1-11). Das machte Franziskus zum Ausgangspunkt für einen Appell, den Duft des Evangeliums zu bewahren. „Wir müssen immer wieder zurückkehren zum Ursprung des empfangenen Geschenks unseres Christseins, unseres Priesterseins, unseres Lebens als Ordensleute und Katecheten… Meine Lieben, ihr seid der Wohlgeruch Christi! Und dieses Symbol ist euch nicht fremd. Hier in Timor wächst Sandelholz im Überfluss, mit seinem Duft, der auch bei anderen Völkern und Nationen sehr geschätzt und begehrt ist… Ihr seid der Duft des Evangeliums in diesem Land.“
Dieser Duft müsse sorgsam bewahrt werden, damit er sich nicht verflüchtige. Nicht für uns selbst sei der Duft bestimmt, „sondern dafür, die Füße Christi zu salben, indem wir das Evangelium verkünden und den Armen dienen“.
Der Mut, das Ölgefäß zu zerbrechen
„Evangelisierung geschieht, wenn wir den Mut haben, das Gefäß, in dem sich das duftende Öl befindet, zu zerbrechen, die Schale zu zerbrechen, die uns oft in uns selbst verschließt, und herauszutreten aus einer mittelmäßigen, bequemen Religiosität, die nur für den persönlichen Bedarf gelebt wird.“
Sogar Osttimor brauche heute „neuen Schwung bei der Evangelisierung, damit der Duft des Evangeliums alle erreicht“, so Franziskus. Er sprach vom „Duft der Versöhnung und des Friedens nach den leidvollen Jahren des Krieges“, vom „Duft des Mitgefühls, der den Armen hilft, wieder auf die Beine zu kommen“, und von einem „Duft der Gerechtigkeit gegen die Korruption“.
Was allerdings fehlte in der Papstrede, war ein Hinweis auf den Skandal des sexuellen Missbrauchs, der auch vor Osttimors Kirchentüren nicht haltgemacht hat. Ausgerechnet dem früheren Bischof Carlos Belo von Dili, der für sein friedliches Engagement für die Unabhängigkeit 1996 den Friedensnobelpreis erhielt, wird der Missbrauch von Minderjährigen vorgeworfen. Der Vatikan verhängte ab 2020 disziplinarische Strafen gegen ihn, und am Papstbesuch nimmt Belo nicht teil.
(vatican news)
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