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Pressekonferenz im Vatikan zur Vorstellung des Briefs zur Erneuerung des Studiums der Kirchengeschichte von Papst Franziskus am 21.11.2024 Pressekonferenz im Vatikan zur Vorstellung des Briefs zur Erneuerung des Studiums der Kirchengeschichte von Papst Franziskus am 21.11.2024 

Papst warnt vor Geschichtsvergessenheit in Kirche und Gesellschaft

Papst Franziskus hat einen Brief zur Erneuerung des Studiums der Kirchengeschichte geschrieben. Hauptsächlich ist das Schreiben für die Priesterausbildung wichtig, aber Franziskus kritisiert auch Geschichtsvergessenheit. Der Vatikan stellte das auf den 21. November 2024 datierte Schreiben diesen Donnerstag bei einer Pressekonferenz vor.

Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt

Zu Beginn des Schreiben erklärt Papst Franziskus, es gehe ihm darum, „einige Gedanken über die Bedeutung des Studiums der Kirchengeschichte"  zu teilen, „insbesondere um den Priestern zu helfen, die gesellschaftliche Wirklichkeit besser zu interpretieren." Wörtlich schreibt er: „Ich würde mir wünschen, dass dieses Thema in der Ausbildung neuer Priester und auch anderer pastoraler Mitarbeiter Berücksichtigung findet." Die Geschichte der Kirche helfe den Menschen nämlich, „einen Blick auf die wirkliche Kirche zu werfen, um jene Kirche lieben zu können, die tatsächlich existiert und die aus ihren Fehlern und Niederlagen gelernt hat und weiter lernt", führt Franziskus ebenso im Brief aus.

Hier hören: Papst warnt vor Geschichtsvergessenheit in Kirche und Gesellschaft (Audio-Beitrag von Radio Vatikan)

Da das Schreiben vor allem für die Priesterausbildung wichtig ist, sprach bei der Pressekonferenz im Vatikan unter anderen der Sekretär des Klerus-Dikasteriums, der chilenische Erzbischof Andrés Gabriel Ferrada Moreira. Er erklärte:

Im Brief zur Erneuerung des Studiums der Kirchengeschichte lädt Papst Franziskus uns dazu ein - ich zitiere: ,eine echte historische Sensibilität bei jungen Theologiestudenten zu fördern. (...) vor allem auch die Entwicklung einer klaren Vertrautheit mit der dem Menschen eigenen Geschichtlichkeit`. Denn: ,Niemand kann wirklich wissen, wer er ist und was er morgen sein will, ohne das Band zu pflegen, das ihn mit den Generationen verbindet, die ihm vorausgegangen sind. Und das gilt nicht nur hinsichtlich der Geschichte der Einzelnen, sondern auch für die weitere Ebene der Gemeinschaft. Das Studium und die Weitergabe der Geschichte tragen nämlich dazu bei, ´das kollektive Bewusstsein lebendig [zu] erhalten.`" 

„Niemand kann wirklich wissen, wer er ist und was er morgen sein will, ohne das Band zu pflegen, das ihn mit den Generationen verbindet, die ihm vorausgegangen sind. Und das gilt nicht nur hinsichtlich der Geschichte der Einzelnen, sondern auch für die weitere Ebene der Gemeinschaft“

Im Brief äußert Franziskus auch einige Kritik - etwa, „dass man in der Ausbildung zukünftiger Priester eine immer noch unzureichende Ausbildung im Hinblick auf die Quellen wahrnimmt." Oder,  „dass die in der ganzen Welt gelehrte Kirchengeschichte insgesamt unter einem Reduktionismus zu leiden scheint, wobei sie in Bezug auf eine Theologie immer noch eine untergeordnete Rolle spielt, die sich dann oft als unfähig erweist, wirklich in einen Dialog mit der lebendigen und existentiellen Wirklichkeit der Männer und Frauen unserer Zeit zu treten." Der Papst warnt auch davor, „dass diese Art von Studium einen gewissen rein chronologischen Ansatz oder gar eine verkehrte apologetische Ausrichtung beibehält, was die Kirchengeschichte in eine bloße Stütze für die Geschichte der Theologie oder der Spiritualität vergangener Jahrhunderte verwandeln würde."

Der Sekretär der Klerus-Kongregation sagte dazu bei der Pressekonferenz im Vatikan:  

„Der Heilige Vater ist besonders besorgt über einige derzeitige Schwächen und Grenzen in der Ausbildung“

„Der Heilige Vater ist besonders besorgt über einige derzeitige Schwächen und Grenzen in der Ausbildung junger Menschen, vor allem in der Ausbildung zum Priesteramt in den Seminaren und anderen Ausbildungsstätten, wo es eine Tendenz gibt, die Erinnerung an die Vergangenheit, die Suche nach der Wahrheit und die Zugehörigkeit zu einer Kultur, die sich in vielen Formen ausdrückt, von denen die literarische Kunst eine der bevorzugten ist, weniger zu berücksichtigen. Die Oberflächlichkeit des Lesens und Studierens und die zwanghafte Faszination des Unmittelbaren, die der Bildschirm bietet, lassen nicht selten Trivialitäten und Fake News die Oberhand gewinnen." 

Auswirkungen auf Ausbildung offen

Wie sich die Priester-Ausbildung und ein katholisches Kirchengeschichts-Studium nun konkret ändern, ist noch offen. Bei der Pressekonferenz wurde garantiert, dass der Brief verbreitet und gelesen werden solle. Ob nach dem Papst-Brief zur Erneuerung des Kirchengeschichts-Studiums etwa Texte von Lehrbüchern geändert werden, müsse das Bildungsdikasterium klären, sagte der Sekretär der Klerus-Kongregation auf Nachfrage. Man sei zwischen den Dikasterien in Kontakt. Mehrfach betont bei der Pressekonferenz wurde  auch die Kontinuität zum Schreiben von Papst Franziskus vom August zur Bedeutung der Literatur in der Bildung. Der Präfekt des Klerus-Dikasteriums, Kardinal Lazarus You Heung-sik betonte:

„Mit diesem Brief setzt der Heilige Vater den Diskurs über die priesterliche, christliche und menschliche Ausbildung fort, der auf ein volles Bewusstsein des Priesterseins, des Christseins und des Menschseins abzielt. Es geht darum, zu verstehen und sich auch gegenseitig zu verstehen, um den Plan Gottes zu verwirklichen. Begonnen hat Papst Franziskus diesen Diskurs mit dem Schreiben über die Rolle der Literatur in der Bildung vom 4. August."

„Es geht darum, zu verstehen und sich auch gegenseitig zu verstehen, um den Plan Gottes zu verwirklichen“

Was beide Papstschreiben - das zum Kirchengeschichtsstudium und das zur Bedeutung der Literatur in der Bildung - gemein haben, beschreibt der Sekretär der Klerus-Dikasteriums: 

„Zweifellos ist es das Herz des Papstes als Seelsorger, das einige Anliegen teilt, die sich aus seinem Wunsch nach einer christlichen und insbesondere priesterlichen Ausbildung ergeben, die im persönlichen und kulturellen Leben eines jeden Menschen und seiner Gemeinschaft verwurzelt ist. So, dass sie ganz menschlich und auf die gemeinsame Verpflichtung ausgerichtet ist, (...) mit allen an Gott Glaubenden zusammenarbeitet, mit all denen, die ihn mit aufrichtigem Herzen suchen, mit allen Männern und Frauen guten Willens - im Geiste der Enzyklika ,Fratelli tutti`."

Wie im Brief vom August, der der Bedeutung der Literatur gewidmet war, geht es in beiden Schreiben besonders um die Priesterausbildung, wenngleich das Thema Geschichte auch für alle anderen wichtig ist. Die Beschäftigung mit der Geschichte der Kirche ist ein Weg, ihre Erinnerung zu bewahren und ihre Zukunft zu gestalten und sie hilft, die Realität zu interpretieren. Wiederholt hat Papst Franziskus so bereits die Gesellschaft dazu aufgerufen, ihre Erinnerungen nicht zu verlieren, jüngere Generationen lädt er ein, im Austausch mit den Großeltern zu stehen. 

Gegen Geschichtsvergessenheit

Ausdrücklich erinnert der Papst in seinem Brief so auch an historische Schrecken: „Die Shoah darf nicht vergessen werden. Die Atombombenangriffe von Hiroshima und Nagasaki dürfen nicht vergessen werden. Wir dürfen auch nicht die Verfolgungen, den Sklavenhandel und die ethnischen Säuberungen vergessen, die in verschiedenen Ländern stattfanden und noch stattfinden, und so viele andere historische Ereignisse, für die wir uns schämen, Menschen zu sein."

„Ohne Erinnerung geht es nicht voran...“

Die Erinnerung daran müsse immer weitergehen, ohne dabei zu ermüden oder gefühllos zu werden, so das Kirchenoberhaupt. Heute sei die Versuchung groß, zu sagen, dass viel Zeit verstrichen sei und man vorwärtsblicken müsse, warnt der Papst: „Um Gottes willen, nein! Ohne Erinnerung geht es nicht voran, man entwickelt sich nicht weiter ohne eine umfassende und hellsichtige Erinnerung."

Die Kirche müsse wirksame Wege der Versöhnung und des sozialen Friedens aufzeigen und dabei zu helfen, sie in der Gesellschaft zu initiieren: „Sie alle müssen lernen, eine bußfertige Gesinnung anzunehmen, welche die Vergangenheit akzeptieren kann, um die Zukunft von eigener Unzufriedenheit, von Verwirrungen oder Projektionen frei zu halten. Allein die historische Tatsachenwahrheit kann Grundlage für das beharrliche, fortgesetzte Bemühen um ein gegenseitiges Verständnis und um eine neue Sichtweise zum Wohle aller sein."

(vatican news)

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21. November 2024, 13:44