Friedensappelle, Synode und Reisen: So war 2024 mit dem Papst
Christine Seuss - Vatikanstadt
Los ging das Jahr schon recht stürmisch, mit der kurz vor Jahresschluss veröffentlichten – und vom Papst ausdrücklich gebilligten - Erklärung der Glaubenskongregation, die eine Segnung von Menschen in irregulären Beziehungen möglich machte. Besonders in Afrika schlug der Vorstoß hohe Wellen, so dass die Bischöfe dort letztlich von einem Umsetzungszwang entbunden wurden.
Im Juni ließ dann ein weiteres Dokument aus dem Vatikan aufhorchen: Das Dikasterium zur Förderung der Einheit der Christen stellte „Der Bischof von Rom“ vor, welches eine Bilanz des ökumenischen Dialogs über die Rolle des Papstes und die Ausübung des Petrusprimats zieht und neue Wege in der Ökumene eröffnet. Im Zusammenhang mit der Ökumene bekräftigte Franziskus auch seinen Wunsch, 2025 zum 1700. Jahrestag des Konzils von Nizäa in die Türkei zu reisen.
Als drittes Dokument in der Aufzählung darf schließlich „Dilexit nos“ nicht fehlen. Bei dem im Oktober veröffentlichten Schreiben handelt es sich um die vierte Enzyklika des Papstes, mit der er an die Tradition und Aktualität des Gedankens „über die menschliche und göttliche Liebe des Herzens Jesu Christi“ anknüpft und die Menschen einlädt, ihre persönliche Frömmigkeit zu erneuern. Eine Botschaft, die vor allem für eine Welt gedacht ist, die ihr Herz verloren zu haben scheint.
Intensive Reisen
Besonders intensiv, wenn auch insgesamt weniger oft als gewohnt, war der Papst in diesem vergangenen Jahr unterwegs. So war er im April als erster Papst überhaupt auf der Biennale in Venedig. Der Vatikan hatte dort einen ungewöhnlichen Pavillon im Frauengefängnis von Giudecca kuratiert. 20.000 Interessierte besuchten die Ausstellung, die die Menschenrechte im Fokus hatte. Weitere Städtetrips unternahm Franziskus nach Verona und Triest. Zudem hielt er beim G7-Gipfel im süditalienischen Borgo Egnazia eine programmatische Rede zum Thema Künstliche Intelligenz.
Erst im September ging es dann für das Kirchenoberhaupt und sein Gefolge ins Ausland, doch dafür auf eine Reise über zwei Kontinente, durch vier verschiedene Zeitzonen und über knapp 33.000 Flugkilometer, wobei er die Länder Indonesien, Papua-Neuguinea, Osttimor und Singapur besuchte. Ein „Traum“ des Papstes, den er bereits im Jahr 2020, vor der Covid-Pandemie, ins Auge gefasst hatte. Unvergessliche Szenen prägten diese Mammutreise, die Franziskus trotz befürchteter gesundheitlicher Herausforderungen erstaunlich kraftvoll absolvierte: die geschwisterliche Begegnung mit dem Großimam von Jakarta; der Empfang mit Stammesgesängen und -tänzen durch die Bevölkerung von Port Moresby; die mehr als eine halbe Million Menschen in Dili, die an den Küsten und auf den Bürgersteigen warteten oder auf Bäume kletterten, um einen Blick auf den Gast aus Rom zu werfen; die besinnliche Messe in der futuristischen Umgebung von Singapur.
Obwohl das Programm im Vergleich zu früheren Reisen verschlankt worden war, um dem Papst auch nötige Erholungspausen zu verschaffen, ließ er es sich nicht nehmen, mit dem Militärflieger einen Zwischenstopp in Vanimo an der Grenze Papua-Neuguineas zu Indonesien einzulegen. Dort traf er die argentinischen Missionare, die das Evangelium in den Wäldern unter den Eingeborenen verkünden. Insgesamt eine Reise, die nach dem Irak wohl zu den wichtigsten Stationen in der Geschichte seines Pontifikats gehören wird.
Nach einer nur kurzen Verschnaufpause von eineinhalb Wochen ging es dann am 26. September nach Luxemburg, der ersten Etappe seiner Reise bis zum 29. September ins Herz Europas, die auch nach Belgien führte. Dabei standen die Herausforderungen des Kontinents im Mittelpunkt: Krieg (er warnte Europa von Brüssel aus mit deutlichen Worten vor Krieg und rief in Luxemburg zu „ehrlichen Kompromissen“ auf, um Friedenslösungen zu ermöglichen), Migration, Säkularisierung, Missbrauchsfälle in der Kirche. Letzteres war ein Thema, das während des Besuchs des Papstes immer wieder angesprochen wurde. Er selbst wandte sich energisch gegen „eine Schande“, für die er demütig um Vergebung bat; in Brüssel traf er sich zwei Stunden lang mit 17 Missbrauchsopfern im persönlichen Gepräch.
Anschließend besuchte Franziskus die beiden Standorte der traditionsreichen Universität von Löwen/Louvain-le-Neuve anlässlich des 600. Jahrestages ihrer Gründung, wo er durch die Studierenden auch mit direkten Protesten über die Haltung der Kirche zur Abtreibung und zur Rolle der Frau in der Kirche konfrontiert wurde. Beeindruckend bleiben die vielen außerplanmäßigen Veranstaltungen in Brüssel: der Besuch in einem Alten- und Krankenheim, das Gebet am Grab von König Baudouin, das Frühstück in der Gemeinde mit Armen und Flüchtlingen, aber auch der Überraschungsauftritt auf der Bühne bei einer Jugendveranstaltung mit 6.000 Jungen und Mädchen - sie hatten dort für die Nacht gezeltet, um auf die Papstmesse am nächsten Tag zu warten.
Im Dezember stieg Franziskus dann noch einmal ins Flugzeug, um sich neun Stunden auf der Mittelmeerinsel Korsika aufzuhalten. Dort nahm er an der Abschlussveranstaltung eines Kongresses über Volksfrömmigkeit teil, traf sich mit lokalen Geistlichen und feierte eine Messe im Parc d'Austerlitz. Den Abschluss des Tages bildete ein vertrauliches Treffen mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron am Flughafen zu einem Gespräch über die aktuellen Ereignisse in Europa und in der Welt.
Fast der gesamte Oktober stand wiederum im Zeichen des zweiten Teils der Synode zur Synodalität. Waren die Zusammensetzung und Organisation noch praktisch die gleiche wie im Oktober 2023, erlebte die Versammlung dennoch zwei Neuerungen: die Einrichtung von zehn Studiengruppen, um einige lehrmäßige, theologische und pastorale Fragen nach der Arbeit der Synode zu vertiefen (einschließlich der Frage der Frauen und ihrer Rolle in der Kirche, zu der es starken Druck aus verschiedensten Lagern gab), und die Tatsache, dass der Papst kein eigenes nachsynodales Schreiben herausgab, sondern das von der Mehrheit der Versammlung angenommene Schlussdokument zu einer Aussage des päpstlichen Lehramts erklärte. Eine überraschende Entscheidung, die dem besprochenen Thema der Synodalität allerdings großen Nachdruck verlieh und von den Beteiligten mit großer Zufriedenheit aufgenommen wurde. Die in dem Dokument enthaltenen Vorschläge zu mehr Mitwirkungsmöglichkeiten aller Katholiken warten nun auf ihre Umsetzung in den einzelnen Ortskirchen.
Beschlossen wurde das Jahr 2024 mit einem seltenen Ereignis, das auch das kommende Jahr intensiv prägen wird: Der Eröffnung des Ordentlichen Heiligen Jahres 2025, welches nur alle 25 Jahre gefeiert wird. Bereits 2016 hatte Papst Franziskus ein Außerordentliches Heiliges Jahr der Barmherzigkeit ausgerufen. Das aktuelle reguläre Heilige Jahr steht unter dem Vorzeichen der Hoffnung, wobei der Papst sich auch konkrete Zeichen wie die Abschaffung der Todesstrafe, den Schuldenerlass für arme Länder und einen weltweiten Waffenstillstand erhofft.
Ein Jahr, um die Hoffnung „dorthin zu bringen, wo sie verloren gegangen ist“, insbesondere „an die Orte, die durch Kriege und Gewalt entweiht wurden“, so der Papst in seiner Predigt am Heiligabend, 24. Dezember, nach dem stimmungsvollen Öffnungsritus der Heiligen Pforte des Petersdoms. Zwei Tage später folgte dann die Öffnung der Heiligen Pforte in der Kapelle des römischen Gefängnisses von Rebibbia, eine ungewöhnliche Geste, mit der Franziskus einem Ort der Gefangenschaft Hoffnung einhauchen wollte, stellvertretend für alle anderen Orte, an denen Hoffnung Mangelware ist. Überhaupt weist Franziskus immer wieder auf die unmenschlichen Bedingungen in Haftanstalten hin, die einer Rehabilitierung der Inhaftierten entgegenwirken.
Im Gebet an der Mariensäule am 8. Dezember empfahl der Papst zuvor, die Gnade des Heiligen Jahres nicht mit Organisation, Klagen über Baustellen in Rom und „Dingen, die zu tun sind“, zu „ersticken“. Und an die Priester und Ordensleute der Diözese Rom richtete er einen Brief, in dem er sie aufforderte, während des Heiligen Jahres Unterkünfte oder leerstehende Wohnungen, die sie besitzen, zur Verfügung zu stellen, um „die Wohnungsnot einzudämmen“ und „Formen des Schutzes“ für diejenigen zu bieten, die obdachlos sind oder Gefahr laufen, ihre Wohnung zu verlieren.
Viele Termine warten auf den Papst und die Pilger
Bis zum 6. Januar 2026 erwarten den Papst zahlreiche Termine im Rahmen der verschiedenen „Jubiläen“, die den Kommunikatoren, den Künstlern, den Streitkräften, den Freiwilligen, den Mitarbeitern des Gesundheitswesens, dem geweihten Leben, den Unternehmern, den Regierenden oder der Jugend gewidmet sind. Vor allem die beiden letztgenannten Veranstaltungen dürften aufgrund der Heiligsprechung der beiden Seligen Carlo Acutis und Pier Giorgio Frassati den größten Zulauf erfahren. Um den zuströmenden Pilgern besser gerecht zu werden, wird der Papst in unregelmäßigen Abständen auch samstags Generalaudienzen abhalten.
Doch das vielleicht wichtigste Anliegen des Papstes bleibt der Frieden, für den er und seine Diplomaten für alle sichtbar, aber auch hinter den Kulissen arbeiten: Wie ein roter Faden zogen sich durch das Jahr seine unermüdlichen Friedensappelle bei seinen öffentlichen Auftritten, mit Blick auf den Krieg in der Ukraine, im Nahen Osten, in Myanmar und im Sudan, aber auch an allen anderen Krisenherden in der Welt. Appelle, die sicherlich auch im kommenden Jahr weiter erklingen werden, in der Hoffnung darauf, dass die Regierenden das Wohl der Bevölkerung endlich über die eigenen Interessen stellen werden.
(vatican news)
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