Papstreise nach Korsika: Volksfrömmigkeit als „Immunsystem der Kirche“
Marie Duhamel und Mario Galgano - Vatikanstadt
Papst Franziskus wird am Sonntag, am 15. Dezember, im französischen Ajaccio erwartet. Die Mittelmeerinsel Korsika empfängt erstmals einen Papst und wird Schauplatz eines wegweisenden Moments für die Kirche: Der Pontifex schließt ein Symposium über Volksfrömmigkeit ab.
In Kultur eingewobene Religion
Franziskus rücke damit eine Glaubenspraxis in den Fokus, die oft als „Immunsystem der Kirche“ bezeichnet wird. Das hebt Véronique Lecaros im Interview mit Radio Vatikan hervor. Sie ist die Leiterin des Lehrstuhls für Theologie an der Katholischen Universität von Lima. Der Besuch auf der Mittelmeerinsel stehe im Zeichen der engen Verbindung zwischen Religion und Kultur, die auf Korsika wie in Lateinamerika eine zentrale Rolle spiele, so die Theologin.
„Die Volksfrömmigkeit ist eine legitime Art, den Glauben zu leben“, hatte der damalige Erzbischof von Buenos Aires, Kardinal Jorge Mario Bergoglio, bereits 2007 im Schlussdokument der Bischofskonferenz von Aparecida betont. Diese Haltung präge sein Pontifikat, so Lecaros weiter, das sich stark an den konkreten Lebensrealitäten der Gläubigen orientiere. Von Prozessionen und Wallfahrten bis hin zu Segnungen von Alltagsgegenständen wie Autos oder Häusern – die Volksreligiosität sei ein Ausdruck des Glaubens, der über die Sakramente hinausgehe, erläutert die Leiterin der Theologischen Fakultät der Katholischen Universität Lima. In Lateinamerika sei diese Frömmigkeit nicht nur allgegenwärtig, sondern tief verwurzelt in den Traditionen und der Solidarität der Armen.
Tiefe spirituelle Weisheit
Der Glaube von Jorge Mario Bergoglio, des heutigen Papstes, wurde selbst durch die Volksfrömmigkeit geprägt. Er würdigt diese Frömmigkeit nicht nur als kulturelles Erbe, sondern auch als Mittel der Evangelisierung.
Dabei warne der Papst zugleich vor Missbrauch, erläutert die Theologin. „Die Volksreligiosität erfordert Reinigung“, betone der Papst, der gegen Vereinnahmungen durch wirtschaftliche oder kriminelle Interessen vorgeht. Als Beispiele nenne er den Kult um die „Santa Muerte“ in Mexiko oder die Instrumentalisierung von Prozessionen durch die Mafia, erinnert Lecaros. Solche Entgleisungen seien eine Herausforderung, doch Franziskus sei überzeugt, dass im Volk Gottes eine tiefe spirituelle Weisheit schlummere, die auch die Kirche leiten könne.
Glaubenssinn des Gottesvolkes
Die Verbindung zwischen Volksfrömmigkeit und Synodalität sei ein zentrales Thema des Papstes. „Der sensus fidei des Volkes“, zitiert Lecaros den Papst, ermögliche eine kollektive Unterscheidung der Zeichen der Zeit. Diese Haltung präge seine Vision einer Kirche, die auf das Volk höre und dessen Glaubensausdruck wertschätze.
In Ajaccio werde der Papst nicht nur die korsischen Traditionen kennenlernen, sondern auch die Volksfrömmigkeit Südeuropas in den größeren Zusammenhang der weltweiten Kirche stellen. Sein Besuch unterstreiche die Bedeutung eines Glaubens, der tief im Alltag der Menschen verwurzelt sei und sie in ihrer Würde und Solidarität stärke. Ein kraftvolles Zeichen kurz vor seinem Geburtstag, das die Herzen vieler Gläubiger erreichen werde, ist die südamerikanische Theologin überzeugt.
(vatican news)
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