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Papst Franziskus bei seiner Rede im Kongresszentrum Papst Franziskus bei seiner Rede im Kongresszentrum  (VATICAN MEDIA Divisione Foto)

Papst: Volksfrömmigkeit dient Evangelisierung und Gemeinwohl

Der Papst hat Volksfrömmigkeit als fruchtbar für Glaubensweitergabe, Evangelisierung und Gemeinwohl gelobt. Er sprach am Sonntag im korsischen Ajaccio, wo er einen Kongress zum Thema abschloss. Korsika würdigte er als „virtuoses Beispiel in Europa“ für den Dialog von christlichen, zivilen und politischen Institutionen.

Anne Preckel – Vatikanstadt

Franziskus schloss am Sonntagmorgen im Kongresszentrum von Ajaccio vor rund 400 Menschen den Kongress „La Religiosité Populaire en Méditerranée“ ab. Bischöfe und Fachleute der Wissenschaft hatten daran in den letzten Tagen teilgenommen, um sich über Volksfrömmigkeit und Spiritualität des Mittelmeerraumes auszutauschen. 

In seiner ersten Rede auf Korsika erinnerte der Papst an die bedeutsame Geschichte des Mittelmeerraums als Wiege zahlreicher hochentwickelter Zivilisationen am Schnittpunkt dreier Kontinente. Er hob die kulturelle, religiöse und historische Bedeutung dieser Weltgegend hervor und verwies dabei etwa auf die griechisch-römische und jüdisch-christliche Zivilisation, die Völker und Institutionen geprägt haben.

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Echte Volksfrömmigkeit ist festlich und zieht Kreise

Mit Blick auf den heutigen Glaubensverlust in europäischen Ländern warnte der Papst dann davor, christliche und säkulare Kultur gegeneinander auszuspielen: „Das ist ein Fehler“, betonte er. Vielmehr seien beide „Horizonte“ zueinander offen: Gläubige lebten ihren Glauben heute „zunehmend gelassen“, ohne ihn anderen aufzudrängen. Zugleich sei Nichtgläubigen die Suche nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Gemeinwohl nicht fremd. Innerhalb dieses Rahmens lasse sich „die Schönheit und Bedeutung der Volksfrömmigkeit“ begreifen.

Der christliche Glaube werde immer durch Kultur, Sprache und Geschichte eines Volkes weitergegeben und komme in Symbolen, Bräuchen, Riten und Traditionen zum Ausdruck, erinnerte der Papst. Andererseits beziehe Volksfrömmigkeit auch Menschen ein, die den Glauben vielleicht nicht eifrig praktizierten, dort aber doch „Ideale und Werte“ sähen, die sie für ihr Leben und die Gesellschaft als nützlich ansähen. „Dies ist also etwas, das wir nicht vergessen dürfen: ,In der Volksfrömmigkeit kann man die Weise erfassen, in der der empfangene Glaube in einer Kultur Gestalt angenommen hat und ständig weitergegeben wird‘, und daher ,ist in ihr eine aktiv evangelisierende Kraft eingeschlossen, die wir nicht unterschätzen dürfen; anderenfalls würden wir die Wirkung des Heiligen Geistes verkennen‘“, griff der Papst dazu eine Passage seines Apostolischen Schreibens „Evangelii gaudium“ auf (vgl. 123; 126).

Volksfrömmigkeit sei eine Art „Fleischwerdung“, führte Franziskus weiter aus, sie offenbare „die Gegenwart Gottes im lebendigen Fleisch der Geschichte“, stärke die Beziehung zur Kirche und werde oft zu einem Anlass der Begegnung, des kulturellen Austauschs und des Feierns. Eine Volksfrömmigkeit, „die nicht festlich ist und riecht - das ist keine Frömmigkeit, die aus dem Volk kommt“, merkte Franziskus an, eine solche Frömmigkeit sei „zu destilliert“: „In diesem Sinne verleihen Praktiken der Beziehung zum Herrn und den Inhalten des Glaubens Gestalt.“ Dass man nicht allein durch intellektuelle Anstrengungen zum Glauben gelangen könne, sondern christliche Bräuche und Rituale brauche, habe bereits der christliche Philosoph Blaise Pascal (1623-1662) bedacht, so der Papst. 

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Konstruktive Bürgerschaft

Gleichwohl dürfe Volksfrömmigkeit nicht mit Kultur an sich verwechselt werden, schärfte er ein. Sie dürfe sich zudem nicht von Gruppierungen instrumentalisieren lassen, „die ihre eigene Identität auf polemische Weise stärken wollen, indem sie Partikularismen, Entgegensetzung und ausgrenzende Haltungen fördern“. Gegenüber solchen Irrwegen brauche es Wachsamkeit, wandte sich Franziskus insbesondere an die Seelsorger, die in diesem Feld gut unterscheiden sollten.

Durch die Volksfrömmigkeit, durch Prozessionen und Bittgänge, karitative Aktivitäten von Bruderschaften, das gemeinsame Gebet des Rosenkranzes und andere Frömmigkeitsformen könne eine „konstruktive Bürgerschaft“ genährt werden, betonte der Papst, der in seiner Rede insbesondere das Potential der Volksfrömmigkeit hervorhob, positiv für das Gemeinwohl zu wirken. Wenn es ihr gelinge, die „Herzen zu vereinen und zu einer Gemeinschaft zusammenzuschließen“, gehe daraus „eine wichtige Frucht hervor, die auf die Gesellschaft als Ganzes und auch auf die Beziehungen zwischen den zivilen und politischen Institutionen und der Kirche zurückwirkt“. Der Glaube bleibe dann nicht privat, sondern gehe mit öffentlichem Engagement und Zeugnis einher, im Sinne des menschlichen Wachstums, sozialen Fortschritts und der Sorge um die Schöpfung. Christliche Einrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen und Pflegezentren in Frankreich seien dafür Beispiele, lobte Franziskus, der zu Kooperationen zwischen christlichen, zivilen und politischen Institutionen ermutigte, um gemeinsam Gutes zu tun.

Kein statisches Konzept von Säkularität

Dazu gelte es „ein Konzept von Säkularität zu entwickeln, das nicht statisch und steif, sondern entwicklungsfähig und dynamisch“ sei, führte Franziskus weiter aus, „das in der Lage ist, sich an unterschiedliche oder unvorhergesehene Situationen anzupassen und eine beständige Zusammenarbeit zwischen zivilen und kirchlichen Instanzen zum Wohle aller zu fördern, wobei ein jeder im Rahmen der eigenen Zuständigkeiten und des eigenen Bereichs bleibt.“ Im französischen Ajaccio warb der Papst, unter Einbezug von Gedanken seines Vor-Vorgängers Papst Benedikt XVI., für eine „gesunde Laizität“, bei der Kirche und Politik zwar klar unterschieden seien, aber trotzdem fruchtbar zusammenarbeiteten. „Auf diese Weise können mehr Kräfte und mehr Synergien freigesetzt werden, ohne Vorurteile und ohne grundsätzliche Widerstände, in einem offenen, ehrlichen und fruchtbaren Dialog“, so Franziskus.

Korsika und die tief verwurzelte Volksfrömmigkeit der stark katholisch gesprägten Insel lobte der Papst als „virtuoses Beispiel in Europa“ für eine Verflechtung des Glaubens und der Kultur und für den Dialog zwischen Religion und säkularer Gesellschaft. Die jungen Menschen ermutigte er zu verstärktem gesellschaftlichem und politischem Engagement, die Seelsorger und Politiker zu Nähe zu den Menschen.

Empfangen wurde der Papst am Kongresszentrum unter anderem vom Kardinalbischof von Ajaccio, François-Xavier Bustillo, O.F.M., der ein Grußwort sprach. Franziskus war am Morgen gegen 9:00 Uhr in Ajaccio gelandet. Vor seinem ersten offiziellen Termin im Kongresszentrum nahm er sich Zeit, Gläubige zu begrüßen und Kinder zu herzen. Kulturelle Akzente setzten Gläubige, die dem Papst in Trachten traditionelle Gesänge und typische Flötenmusik vortrugen. 

(vatican news)

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15. Dezember 2024, 11:07