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Wortlaut: Papst Franziskus an die Diplomaten, 9.1.2025

Lesen Sie hier im Wortlaut und in offizieller deutscher Übersetzung die Ansprache, die Papst Franziskus diesen Donnerstag (9.1.2025) beim Neujahrsempfang an die Diplomaten gerichtet hat, die beim Heiligen Stuhl akkreditiert sind. Franziskus verlas nur einen ersten Teil, den Rest ließ er verlesen.

Alle offiziellen Ansprachen des Papstes finden Sie gesammelt und in den verschiedenen offiziellen Übersetzungen auf www.vatican.va, der Webseite des Vatikans.

Exzellenzen, meine Damen und Herren,

wir sind heute Morgen zu einem Moment der Begegnung zusammengekommen, der über seinen institutionellen Charakter hinaus vor allem familiär sein will: ein Moment, in dem sich die Familie der Völker durch Ihre Anwesenheit symbolisch zusammenfindet, um geschwisterliche Glückwünsche auszutauschen, um die trennenden Auseinandersetzungen hinter sich zu lassen und stattdessen das zu entdecken, was verbindet. Zu Beginn dieses Jahres, das für die katholische Kirche von besonderer Bedeutung ist, hat unser Zusammentreffen einen besonderen symbolischen Wert, denn der Sinn des Heiligen Jahres besteht darin, in der Hektik, die den Alltag immer mehr prägt, „innezuhalten“, um neue Kraft zu schöpfen und sich von dem zu nähren, was wirklich wesentlich ist: dass wir uns als Kinder Gottes und uns in ihm als Brüder und Schwestern wiederentdecken, Kränkungen vergeben, die Schwachen und Armen unterstützen, der Erde Ruhe verschaffen, Gerechtigkeit üben und die Hoffnung wiederentdecken. Dazu sind alle aufgerufen, die dem Gemeinwohl dienen und jene hohe Form der Liebe ausüben, die die Politik ist.

In diesem Sinne heiße ich Sie willkommen und danke vor allem Seiner Exzellenz Botschafter George Poulides, dem Dekan des Diplomatischen Korps, für die Worte, mit denen er sich zum Sprecher Ihrer gemeinsamen Anliegen gemacht hat. Ich heiße Sie alle herzlich willkommen, dankbar für die Zuneigung und Wertschätzung, die Ihre Völker und Regierungen dem Apostolischen Stuhl entgegenbringen und die Sie gut repräsentieren. Davon zeugen die Besuche von mehr als dreißig Staats- und Regierungschefs, die ich mit Freude im Jahr 2024 im Vatikan empfangen durfte, wie auch die Unterzeichnung des Zweiten Zusatzprotokolls zum Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und Burkina Faso über den rechtlichen Status der katholischen Kirche in Burkina Faso und des Abkommens zwischen dem Heiligen Stuhl und der Tschechischen Republik über bestimmte Rechtsfragen, die im Laufe des vergangenen Jahres paraphiert wurden. Im vergangenen Oktober wurde auch das vorläufige Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Volksrepublik China über die Ernennung von Bischöfen um weitere vier Jahre verlängert, ein Zeichen für den Wunsch, einen respektvollen und konstruktiven Dialog zum Wohl der katholischen Kirche im Land und des gesamten chinesischen Volkes fortzusetzen.

Meinerseits wollte ich diese Zuneigung mit meinen jüngsten apostolischen Reisen erwidern, die mich in ferne Länder wie Indonesien, Papua-Neuguinea, Timor-Leste und Singapur, aber auch in nähere Länder wie Belgien und Luxemburg und schließlich nach Korsika geführt haben. Auch wenn die Gegebenheiten natürlich sehr unterschiedlich sind, ist jede Reise für mich eine Gelegenheit, unterschiedliche Völker, Kulturen und religiöse Überzeugungen kennenzulernen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen und ein Wort der Ermutigung und des Trostes zu überbringen, insbesondere für die Schwächsten. Zu diesen Reisen kommen noch die drei Besuche in Verona, Venedig und Triest in Italien hinzu.

Gerade den italienischen Autoritäten auf nationaler und lokaler Ebene möchte ich zu Beginn dieses Jubeljahres meinen besonderen Dank für die Anstrengungen aussprechen, die sie unternommen haben, um Rom auf das Jubiläum vorzubereiten. Die unermüdliche Arbeit dieser Monate, die zu nicht wenigen Beeinträchtigungen geführt hat, wird nun durch die Verbesserung einiger öffentlicher Dienstleistungen und Örtlichkeiten belohnt, so dass alle, Bürger, Pilger und Touristen, noch besser die Schönheit der Ewigen Stadt genießen können. Den Römern, die für ihre Gastfreundschaft bekannt sind, gilt mein besonderer Dank für die Geduld, die sie in den letzten Monaten aufgebracht haben und die sie noch aufbringen werden, um die vielen Besucher zu empfangen, die kommen werden. Mein herzlicher Dank gilt auch allen Sicherheitskräften, dem Zivilschutz, den Gesundheitsbehörden und den freiwilligen Helfern, die jeden Tag ihr Bestes geben, um die Sicherheit und einen reibungslosen Ablauf des Heiligen Jahres zu gewährleisten.

Liebe Botschafterinnen und Botschafter,

in den Worten des Propheten Jesaja, die sich Jesus, der Herr, zu Beginn seines öffentlichen Lebens in der Synagoge von Nazaret zu eigen macht, finden wir nach dem Bericht des Evangelisten Lukas (4,16-21) nicht nur das Geheimnis des Weihnachtsfestes dargestellt, das wir vor kurzem gefeiert haben, sondern auch das des Jubeljahres, das wir gerade begehen. Christus ist gekommen, »um den Armen frohe Botschaft zu bringen, um die zu heilen, die gebrochenen Herzens sind, um den Gefangenen Freilassung auszurufen und den Gefesselten Befreiung, um ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen« (Jes 61,1-2a).

Leider beginnen wir dieses Jahr in einer Zeit, in der die Welt von zahlreichen mehr oder weniger bekannten großen und kleinen Konflikten zerrissen wird, aber auch von der Wiederkehr abscheulicher Terrorakte, wie sie sich kürzlich in Magdeburg in Deutschland und in New Orleans in den Vereinigten Staaten ereignet haben.

Wir sehen auch, dass in vielen Ländern soziale und politische Verhältnisse herrschen, die durch wachsende Gegensätze verschärft werden. Wir haben es mit zunehmend polarisierten Gesellschaften zu tun, in denen ein allgemeines Gefühl der Angst und des Misstrauens gegenüber dem Mitmenschen und der Zukunft um sich greift. Verschärft wird dies durch die ständige Schaffung und Verbreitung von fake news, die nicht nur die Realität verfälschen, sondern auch das Bewusstsein verzerren, falsche Wahrnehmungen der Realität hervorrufen und ein Klima des Misstrauens schaffen, das den Hass schürt, die Sicherheit der Menschen untergräbt und das zivile Zusammenleben sowie die Stabilität ganzer Nationen gefährdet. Tragische Beispiele dafür sind die Angriffe auf den Präsidenten der Regierung der Slowakischen Republik und den designierten Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika.

Dieses Klima der Unsicherheit führt dazu, dass neue Barrieren errichtet und neue Grenzen gezogen werden, während andere, wie die, die die Insel Zypern seit mehr als fünfzig Jahren zerteilt und diejenige, die die koreanische Halbinsel seit mehr als siebzig Jahren in zwei Teile trennt, fest aufrechterhalten werden, so dass Familien getrennt werden und Häuser und Städte abgeschnitten werden. Moderne Grenzen beanspruchen, Trennlinien zwischen Identitäten zu sein, wobei Verschiedenheiten Misstrauen, Argwohn und Angst hervorrufen: »Was von dort kommt, ist nicht vertrauenswürdig, weil man es nicht kennt, man nicht vertraut mit ihm ist, weil es nicht zum Dorf gehört. […] Folglich werden neue Schranken zum Selbstschutz aufgerichtet, sodass nicht mehr die eine Welt existiert, sondern nur noch die „meine“, bis zu dem Punkt, dass viele nicht mehr als Menschen mit einer unveräußerlichen Würde angesehen werden, sondern einfach zu „denen da“ werden«[1]. Paradoxerweise bezeichnet der Begriff Grenze [italienisch: confine] nicht einen Ort, der trennt, sondern der verbindet, „wo man gemeinsam endet“ (cum-finis), wo man dem anderen begegnen, ihn kennenlernen, mit ihm in Dialog treten kann.

Mein Wunsch für dieses neue Jahr ist, dass das Jubiläum für alle, Christen wie Nichtchristen, zu einer Gelegenheit wird, auch die Beziehungen zu überdenken, die uns als Menschen und politische Gemeinschaften verbinden; die Logik der Konfrontation zu überwinden und stattdessen die Logik der Begegnung anzunehmen; damit die Zeit, die uns erwartet, uns nicht als verzweifelte Herumirrende vorfindet, sondern als Pilger der Hoffnung, d.h. als Menschen und Gemeinschaften, die sich auf den Weg machen und eine friedliche Zukunft aufbauen.

Angesichts der immer realer werdenden Gefahr eines Weltkriegs besteht die Berufung der Diplomatie gerade darin, den Dialog mit allen zu fördern, auch mit jenen Gesprächspartnern, die als „unbequem“ gelten oder denen man die Legitimation für Verhandlungen absprechen möchte. Dies ist der einzige Weg, um die Ketten des Hasses und der Rache zu sprengen, die gefangen halten, und um die Waffen des menschlichen Egoismus, des Stolzes und der Überheblichkeit zu entschärfen, die die Wurzel jedes kriegstreibenden und zerstörerischen Strebens sind.

Exzellenzen, meine Damen und Herren,

im Lichte dieser kurzen Überlegungen möchte ich heute Morgen mit Ihnen, ausgehend von den Worten des Propheten Jesaja, einige Merkmale einer Diplomatie der Hoffnung umreißen, zu deren Boten wir alle berufen sind, damit die dichten Wolken des Krieges von einem neuen Wind des Friedens hinweggefegt werden können. Ganz allgemein möchte ich einige Verantwortlichkeiten hervorheben, die jeder politische Führer bei der Erfüllung seiner Aufgaben im Auge behalten sollte und die auf das Gemeinwohl und die ganzheitliche Entwicklung der menschlichen Person ausgerichtet sein sollten.

Den Armen frohe Botschaft bringen

Zu allen Zeiten und an allen Orten ist der Mensch von der Vorstellung verführt worden, er könne sich selbst genügen und sein Schicksal selbst in die Hand nehmen. Wann immer er sich von dieser Anmaßung beherrschen lässt, sieht er sich durch äußere Ereignisse und Umstände gezwungen zu entdecken, dass er schwach und ohnmächtig, arm und bedürftig, von geistigem und materiellem Unglück heimgesucht ist. Mit anderen Worten, er entdeckt, dass er armselig ist und jemanden braucht, der ihn aus seinem Elend befreit.

Das Elend unserer Zeit ist vielfältig. Noch nie hat die Menschheit so viel Fortschritt, Entwicklung und Reichtum erlebt wie in dieser Zeit, und vielleicht noch nie hat sie sich so allein und verloren gefühlt wie heute, wobei sie nicht selten Haustiere Kindern vorzieht. Es besteht dringender Bedarf an einer frohen Botschaft. Eine Verkündigung, die uns Gott aus christlicher Sicht in der Weihnachtsnacht anbietet! Aber jeder – auch wer nicht gläubig ist – kann zum Überbringer einer Botschaft der Hoffnung und der Wahrheit werden.

Der Mensch hat nämlich einen angeborenen Durst nach Wahrheit. Dieses Streben ist eine grundlegende Dimension des Menschseins, denn jeder Mensch trägt eine Sehnsucht nach objektiver Wahrheit und ein unstillbares Verlangen nach Wissen in sich. Das war schon immer so, aber in unserer Zeit scheint die Leugnung selbstverständlicher Wahrheiten die Oberhand zu gewinnen. Manche misstrauen rationalen Argumenten, weil sie sie für Werkzeuge in den Händen einer geheimen Macht halten, während andere glauben, sie seien im unumstößlichen Besitz ihrer selbst konstruierten Wahrheit und befreien sich so von der Auseinandersetzung und dem Dialog mit Andersdenkenden. Andere neigen dazu, ihre eigene „Wahrheit“ zu schaffen und die Objektivität der Wahrheit zu missachten. Diese Tendenzen können durch moderne Kommunikationsmittel und künstliche Intelligenz noch verstärkt werden, wenn sie als Mittel zur Manipulation des Bewusstseins für wirtschaftliche, politische und ideologische Zwecke missbraucht werden.

Der moderne wissenschaftliche Fortschritt, insbesondere im Bereich der Informatik und der Kommunikation, bringt für die Menschheit unbestreitbare Vorteile mit sich. Er ermöglicht es uns, viele Aspekte des täglichen Lebens zu vereinfachen, mit geliebten Menschen in Kontakt zu bleiben, auch wenn sie räumlich weit entfernt sind, uns zu informieren und unser Wissen zu erweitern. Allerdings sind auch die Grenzen und Tücken der Technik nicht zu übersehen, denn sie trägt oft zur Polarisierung, zur Verengung der geistigen Horizonte, zur Vereinfachung der Realität, zur Gefahr des Missbrauchs, zur Angst und paradoxerweise zur Isolation bei, insbesondere durch die Nutzung von sozialen Medien und Online-Spielen.

Die zunehmende Verbreitung künstlicher Intelligenz verstärkt die Besorgnis über die Rechte an geistigem Eigentum, die Arbeitsplatzsicherheit für Millionen von Menschen, die Achtung der Privatsphäre und den Schutz der Umwelt vor Elektroschrott. Kaum ein Winkel der Welt bleibt von dem umfassenden kulturellen Wandel unberührt, der vom unaufhaltsamen technischen Fortschritt bestimmt wird, und immer deutlicher ist eine Anpassung an kommerzielle Interessen zu erkennen, die eine im Konsumdenken verwurzelte Kultur hervorbringt.

Diese Unausgewogenheit droht die Werteordnung zu untergraben, die der Schaffung von Beziehungen, der Erziehung und der Weitergabe sozialer Sitten innewohnt, während Eltern, enge Verwandte und Erzieher die Hauptkanäle für die Weitergabe der Kultur bleiben müssen, zu deren Gunsten sich die Regierungen auf eine unterstützende Rolle bei deren erzieherischer Verantwortung beschränken sollten. Die Erziehung zur Medienkompetenz ist ebenfalls Teil dieser Perspektive, die darauf abzielt, wesentliche Instrumente zur Förderung des kritischen Denkens bereitzustellen, um junge Menschen mit den notwendigen Ressourcen für ihr persönliches Wachstum und ihre aktive Beteiligung an der Zukunft ihrer Gesellschaften auszustatten.

Eine Diplomatie der Hoffnung ist daher zuallererst eine Diplomatie der Wahrheit. Wo die Verbindung zwischen Realität, Wahrheit und Wissen fehlt, können die Menschen nicht mehr miteinander sprechen und sich verstehen, weil die Grundlagen einer gemeinsamen, in der Realität der Dinge verankerten und damit allgemein verständlichen Sprache fehlen. Der Zweck der Sprache ist die Kommunikation, die nur gelingt, wenn die Worte präzise sind und die Bedeutung der Begriffe allgemein akzeptiert wird. Die biblische Erzählung vom Turmbau zu Babel zeigt, was passiert, wenn jeder nur mit „seiner“ Sprache spricht.

Kommunikation, Dialog und Engagement für das Gemeinwohl erfordern guten Willen und eine gemeinsame Sprache. Dies ist im diplomatischen Bereich besonders wichtig, vor allem in multilateralen Zusammenhängen. Die Wirkung und der Erfolg von Worten, Erklärungen, Resolutionen und generell von ausgehandelten Texten hängen von dieser Bedingung ab. Es ist eine Tatsache, dass der Multilateralismus nur dann stark und wirksam ist, wenn er sich auf verhandelte Fragen konzentriert und eine einfache, klare und abgestimmte Sprache verwendet.

Besonders besorgniserregend ist daher der Versuch, multilaterale Dokumente zu instrumentalisieren – indem die Bedeutung von Begriffen verändert oder der Inhalt von Menschenrechtsverträgen einseitig umgedeutet wird –, um spalterische Ideologien zu fördern, die die Werte und den Glauben der Völker mit Füßen treten. Es handelt sich in der Tat um eine echte ideologische Kolonisierung, die mit am grünen Tisch erdachten Plänen versucht, die Traditionen, die Geschichte und die religiösen Bindungen der Völker auszulöschen. Es handelt sich um eine Mentalität, die, indem sie behauptet, die ihrer Meinung nach „dunklen Seiten der Geschichte“ überwunden zu haben, einer cancel culture Raum gibt; sie toleriert keine Unterschiede und konzentriert sich auf die Rechte des Individuums, wobei sie die Pflichten gegenüber anderen vernachlässigt, insbesondere gegenüber den Schwächsten und Verletzlichsten[2]. In diesem Zusammenhang ist es beispielsweise unannehmbar, von einem sogenannten „Recht auf Abtreibung“ zu sprechen, das den Menschenrechten, insbesondere dem Recht auf Leben, widerspricht. Das ganze Leben muss geschützt werden, in jedem Moment, von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod, denn kein Kind ist ein Fehler oder hat Schuld an seiner Existenz, genauso wenig wie ein alter oder kranker Mensch der Hoffnung beraubt und ausgesondert werden darf.

Besonders folgenreich ist dieser Ansatz im Bereich verschiedener multilateraler Gremien. Ich denke dabei insbesondere an die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, deren Gründungsmitglied der Heilige Stuhl ist, der aktiv an den Verhandlungen teilgenommen hat, die vor einem halben Jahrhundert zur Erklärung von Helsinki im Jahr 1975 geführt haben. Es ist dringender denn je, wieder zu diesem „Geist von Helsinki“ zurückzufinden, mit dem es den einander gegenüberstehenden Staaten, die als „Feinde“ galten, gelungen ist, einen Raum der Begegnung zu schaffen; ebenso ist es dringlich, den Dialog als Mittel zur Konfliktlösung nicht aufzugeben.

Allerdings scheinen die multilateralen Institutionen, von denen die meisten am Ende des Zweiten Weltkriegs, also vor achtzig Jahren, gegründet wurden, nicht mehr in der Lage zu sein, den Frieden und die Stabilität, die Bekämpfung des Hungers und die Entwicklung zu gewährleisten, wozu sie geschaffen wurden, und auch nicht, wirklich effizient auf die neuen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu reagieren, wie z. B. Umweltfragen, Fragen der Volksgesundheit, kulturelle und soziale Fragen sowie die Herausforderungen der künstlichen Intelligenz. Viele von ihnen sind reformbedürftig, wobei zu bedenken ist, dass jede Reform auf den Grundsätzen der Subsidiarität und Solidarität sowie der Achtung der gleichberechtigten Souveränität der Staaten beruhen muss, während bedauerlicherweise die Gefahr einer „Monadologie“ und einer Zersplitterung in Clubs von Gleichgesinnten besteht, die nur denjenigen Zugang gewähren, die ähnlich denken.

Dennoch fehlte und fehlt es nicht an ermutigenden Zeichen, wenn guter Wille vorhanden ist. Ich denke an den Friedens- und Freundschaftsvertrag zwischen Argentinien und Chile, der am 29. November 1984 im Vatikan unterzeichnet wurde und durch die Vermittlung des Heiligen Stuhls und den guten Willen der Parteien den Streit um den Beagle-Kanal beendete. Er zeigt, dass Frieden und Freundschaft möglich sind, wenn zwei Mitglieder der internationalen Gemeinschaft auf die Anwendung von Gewalt verzichten und sich feierlich verpflichten, alle Regeln des Völkerrechts zu achten und die bilaterale Zusammenarbeit zu fördern. In jüngerer Zeit denke ich an die positiven Anzeichen für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen, um wieder zur Basis des Atomabkommens mit dem Iran zurückzukehren, mit dem Ziel, eine für alle sicherere Welt zu gewährleisten.

Die Wunden der gebrochenen Herzen heilen

Eine Diplomatie der Hoffnung ist auch eine Diplomatie der Vergebung, die in einer Zeit voller offener oder latenter Konflikte in der Lage ist, durch Hass und Gewalt zerbrochene Beziehungen zu kitten und so die Wunden der gebrochenen Herzen zu vieler Opfer zu lindern. Ich wünsche mir für das Jahr 2025, dass die ganze internationale Gemeinschaft vor allem darauf hinarbeitet, den Krieg zu beenden, der die gepeinigte Ukraine seit fast drei Jahren blutig quält und der eine enorme Zahl von Opfern, darunter viele Zivilisten, gefordert hat. Es gibt einige ermutigende Anzeichen am Horizont, aber es bleibt noch viel zu tun, um die Voraussetzungen für einen gerechten und dauerhaften Frieden zu schaffen und die durch die Aggression zugefügten Wunden zu heilen.

Ebenso erneuere ich meinen Appell für einen Waffenstillstand und die Freilassung der israelischen Geiseln im Gazastreifen, wo eine überaus ernste und beklagenswerte humanitäre Situation besteht, und ich fordere, dass die palästinensische Bevölkerung jede Hilfe erhält, die sie benötigt. Ich hoffe, dass Israelis und Palästinenser die Brücken des Dialogs und des gegenseitigen Vertrauens wiederaufbauen können, angefangen bei den Kleinsten, damit die kommenden Generationen in den beiden Staaten Seite an Seite in Frieden und Sicherheit leben können, und damit Jerusalem die „Stadt der Begegnung“ sein kann, in der Christen, Juden und Muslime in Harmonie und Respekt zusammenleben. Erst im vergangenen Juni haben wir alle gemeinsam in den Vatikanischen Gärten an den zehnten Jahrestag des Gebets für den Frieden im Heiligen Land erinnert, an dem am 8. Juni 2014 der damalige Präsident des Staates Israel, Shimon Peres, und der Präsident des Staates Palästina, Mahmoud Abbas, zusammen mit Patriarch Bartholomäus I. teilnahmen. Diese Begegnung hat gezeigt, dass ein Dialog immer möglich ist und dass wir uns nicht mit der Vorstellung abfinden dürfen, dass Feindschaft und Hass zwischen den Völkern die Oberhand behalten.

Es muss jedoch auch festgestellt werden, dass Kriege durch die fortgesetzte Verbreitung von immer hochentwickelteren und zerstörerischeren Waffen angeheizt werden. Ich wiederhole heute Morgen den Appell: »Mit dem Geld, das für Waffen und andere Militärausgaben verwendet wird, richten wir einen Weltfonds ein, um dem Hunger ein für alle Mal ein Ende zu setzen und die Entwicklung der ärmsten Länder zu fördern, damit ihre Bewohner nicht zu gewaltsamen oder trügerischen Lösungen greifen oder ihre Länder verlassen müssen, um ein menschenwürdigeres Leben zu suchen«[3].

Krieg ist immer eine Niederlage! Die Verwicklung von Zivilisten, insbesondere von Kindern, und die Zerstörung der Infrastruktur sind nicht nur ein Debakel, sondern bedeuten, allein das Böse zwischen den beiden Gegnern obsiegen zu lassen. Wir können nicht im Geringsten akzeptieren, dass Zivilisten bombardiert oder die für ihr Überleben notwendigen Infrastrukturen angegriffen werden. Wir können nicht hinnehmen, dass Kinder erfrieren, weil Krankenhäuser zerstört oder das Energienetz eines Landes beschädigt wurde.

Die gesamte internationale Gemeinschaft scheint sich über die Achtung des humanitären Völkerrechts einig zu sein, doch die Tatsache, dass es nicht vollständig und konkret umgesetzt wird, wirft Fragen auf. Wenn wir das Grundlegende vergessen haben, die Fundamente unserer Existenz, der Heiligkeit des Lebens, der Prinzipien, die die Welt bewegen – wie können wir dann erwarten, dass dieses Recht wirksam ist? Eine Wiederentdeckung dieser Werte ist notwendig und dass diese wiederum in Regeln des öffentlichen Bewusstseins konkret werden, damit das Prinzip der Menschlichkeit wirklich zur Grundlage des Handelns wird. Daher hoffe ich, dass dieses Jubeljahr ein günstiger Zeitpunkt für die internationale Gemeinschaft sein wird, sich aktiv dafür einzusetzen, dass die unverletzlichen Menschenrechte nicht militärischen Erfordernissen geopfert werden.

Auf dieser Grundlage rufe ich dazu auf, weiter daran zu arbeiten, dass die Nichteinhaltung des humanitären Völkerrechts nicht länger eine Option ist. Es sind weitere Anstrengungen erforderlich, damit umgesetzt wird, was auch auf der 34. Internationalen Konferenz des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds, die im Oktober letzten Jahres in Genf stattfand, diskutiert wurde. Der 75. Jahrestag der Genfer Konventionen wurde gerade erst begangen, und es ist nach wie vor unerlässlich, dass die Normen und Grundsätze, auf denen sie beruhen, auf den immer noch zu vielen offenen Kriegsschauplätzen zur Geltung kommen.

Ich denke dabei an die verschiedenen weiter bestehenden Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent, insbesondere im Sudan, in der Sahelzone, am Horn von Afrika, in Mosambik, wo derzeit eine schwere politische Krise herrscht, und in den östlichen Regionen der Demokratischen Republik Kongo, wo die Bevölkerung unter schweren gesundheitlichen und humanitären Mängeln leidet, die mitunter durch die Geißel des Terrorismus noch verschärft werden und zum Verlust von Menschenleben und zur Vertreibung von Millionen von Menschen führen. Hinzu kommen die verheerenden Auswirkungen von Überschwemmungen und Dürren, die die ohnehin schon prekäre Lage in verschiedenen Teilen Afrikas noch verschlimmern.

Die Perspektive einer Diplomatie der Vergebung sollte jedoch nicht nur internationale oder regionale Konflikte heilen. Sie überträgt einem jedem die Verantwortung, zu einem Handwerker des Friedens zu werden, damit wirklich friedliche Gesellschaften aufgebaut werden können, in denen die legitimen politischen, aber auch sozialen, kulturellen, ethnischen und religiösen Unterschiede einen Reichtum darstellen und nicht eine Quelle von Hass und Spaltung.

Meine Gedanken gelten insbesondere Myanmar, wo die Bevölkerung unter den ständigen bewaffneten Auseinandersetzungen sehr leidet, welche die Menschen zwingen, aus ihren Häusern zu fliehen und in Angst zu leben.

Es schmerzt auch, dass es, vor allem auf dem amerikanischen Kontinent, weiterhin heftige politische und soziale Konflikte gibt. Ich denke an Haiti, wo ich hoffe, dass so bald wie möglich die notwendigen Schritte unternommen werden können, um die demokratische Ordnung wiederherzustellen und die Gewalt zu beenden. Ich denke auch an Venezuela und die schwere politische Krise, in der es sich befindet. Sie kann nur durch ein aufrichtiges Festhalten an den Werten der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der Freiheit, durch die Achtung des Lebens, der Würde und der Rechte eines jeden Menschen – einschließlich derjenigen, die infolge der Ereignisse der letzten Monate verhaftet wurden –, durch die Ablehnung jeder Art von Gewalt und hoffentlich durch die Aufnahme von Verhandlungen in gutem Glauben und mit dem Ziel des Gemeinwohls des Landes überwunden werden. Ich denke an Bolivien, das sich in einer besorgniserregenden politischen, sozialen und wirtschaftlichen Situation befindet, sowie an Kolumbien, wo ich darauf vertraue, dass mit der Hilfe aller die zahlreichen Konflikte überwunden werden können, die das Land schon viel zu lange zerreißen. Schließlich denke ich an Nicaragua, wo der Heilige Stuhl, der stets für einen respektvollen und konstruktiven Dialog offen ist, mit Besorgnis die Maßnahmen verfolgt, die gegen Personen und Einrichtungen der Kirche ergriffen werden, und hofft, dass die Religionsfreiheit und andere Grundrechte für alle angemessen gewährleistet werden.

Tatsächlich gibt es keinen wirklichen Frieden, wenn nicht auch die Religionsfreiheit gewährleistet ist, die die Achtung vor dem Gewissen des Einzelnen und die Möglichkeit einschließt, den eigenen Glauben und die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft öffentlich zu bekunden. In diesem Sinne sind die zunehmenden antisemitischen Äußerungen, die ich aufs Schärfste verurteile und die immer mehr jüdische Gemeinden in der ganzen Welt betreffen, sehr beunruhigend.

Ich kann nicht schweigen zu den zahlreichen Verfolgungen verschiedener christlicher Gemeinschaften, die oft von terroristischen Gruppen verübt werden, vor allem in Afrika und Asien, und auch nicht zu den „subtileren“ Formen der Einschränkung der Religionsfreiheit, die manchmal auch in Europa anzutreffen sind, wo Rechtsnormen und Verwaltungspraktiken zunehmen, welche »die Rechte, die die Verfassungen den einzelnen Gläubigen und religiösen Gruppen formell zuerkennen, einschränken oder de facto aufheben«[4]. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass die Religionsfreiheit »eine Errungenschaft politischer und rechtlicher Kultur«[5] darstellt. Denn wenn sie »anerkannt wird, ist die Würde der Person in ihrer Wurzel geachtet und das Ethos sowie die Institutionen der Völker werden gestärkt«[6].

Christen können und wollen aktiv zum Aufbau der Gesellschaften, in denen sie leben, beitragen. Auch dort, wo sie nicht die Mehrheit in der Gesellschaft bilden, sind sie vollwertige Bürger, vor allem in jenen Ländern, in denen sie seit unvordenklicher Zeit leben. Ich beziehe mich dabei insbesondere auf Syrien, das nach Jahren des Krieges und der Verwüstung auf dem Weg zur Stabilität zu sein scheint. Ich hoffe, dass die territoriale Integrität, die Einheit des syrischen Volkes und die notwendigen Verfassungsreformen von niemandem gefährdet werden und dass die internationale Gemeinschaft Syrien dabei helfen wird, ein Land des friedlichen Zusammenlebens zu werden, in dem sich alle Syrer, auch die Christen, als vollwertige Bürger fühlen und am Gemeinwohl dieser geschätzten Nation teilhaben können.

Ebenso denke ich an den geliebten Libanon und hoffe, dass das Land mit der maßgeblichen Hilfe des christlichen Bevölkerungsteils die notwendige institutionelle Stabilität erlangen kann, um die ernste wirtschaftliche und soziale Situation zu bewältigen, den vom Krieg betroffenen Süden des Landes wiederaufzubauen und die Verfassung und die Abkommen von Taif vollständig umzusetzen. Mögen alle Libanesen sich dafür einsetzen, dass das Antlitz des Zedernlandes nie durch Spaltung entstellt, sondern immer vom „Zusammenleben“ erhellt wird und dass der Libanon ein Land bleibt, das für Koexistenz und Frieden steht.

Den Gefangenen Freilassung ausrufen

Zweitausend Jahre Christentum haben dazu beigetragen, die Sklaverei aus allen Rechtssystemen zu verbannen. Dennoch gibt es noch zahlreiche Formen der Sklaverei, angefangen bei der wenig bekannten, aber weit verbreiteten Sklaverei im Bereich der Arbeit. Zu viele Menschen leben als Sklaven ihrer Arbeit, die vom Mittel zum Zweck geworden ist, und oft werden sie versklavt von unmenschlichen Arbeitsbedingungen in Bezug auf Sicherheit, Arbeitszeiten und Löhne. Es müssen Anstrengungen unternommen werden zur Schaffung menschenwürdiger Arbeitsbedingungen und es muss dafür gesorgt werden, dass die Arbeit, die an sich edel und veredelnd ist, nicht zu einem Hindernis für die Entfaltung und das Wachstum der menschlichen Person wird. Gleichzeitig muss gewährleistet sein, dass es echte Beschäftigungsmöglichkeiten gibt, insbesondere dort, wo weit verbreitete Arbeitslosigkeit die Schwarzarbeit und damit die Kriminalität begünstigt.

Und dann ist da noch die schreckliche Sklaverei der Drogensucht, von der vor allem junge Menschen betroffen sind. Es ist inakzeptabel, wenn man sieht, wie viele Leben, Familien und Länder durch diese Geißel zerstört werden, die immer mehr um sich greift, nicht zuletzt durch das Aufkommen von oft tödlichen synthetischen Drogen, die durch das abscheuliche Phänomen des Drogenhandels fast überall verfügbar sind.

Eine der schrecklichsten Sklavereien unserer Zeit ist jene, die von Menschenhändlern praktiziert wird: skrupellosen Menschen, die die Not Tausender Menschen ausnutzen, welche vor Krieg, Hunger, Verfolgung oder den Auswirkungen des Klimawandels fliehen und einen sicheren Ort zum Leben suchen. Eine Diplomatie der Hoffnung ist eine Diplomatie der Freiheit, die das gemeinsame Engagement der internationalen Gemeinschaft erfordert, um diesen elenden Handel zu unterbinden.

Gleichzeitig müssen wir uns um die Opfer dieses Menschenhandels kümmern, nämlich die Migranten, die gezwungen sind, Tausende von Kilometern in Mittelamerika oder in der Sahara zu Fuß zurückzulegen oder das Mittelmeer oder den Ärmelkanal in überfüllten seeuntüchtigen Booten zu überqueren, nur um schließlich abgewiesen zu werden oder als illegale Einwanderer in einem fremden Land zu leben. Wir vergessen leicht, dass wir es mit Menschen zu tun haben, die aufgenommen, geschützt, gefördert und integriert gehören[7].

Mit großer Enttäuschung stelle ich jedoch fest, dass die Migration immer noch von einer dunklen Wolke des Misstrauens umhüllt ist, anstatt als Quelle der Bereicherung angesehen zu werden. Migranten werden nur als ein Problem betrachtet, das es zu bewältigen gilt. Sie können nicht zu Objekten gemacht werden, die man unterbringen muss, sondern sie haben eine Würde und verfügen über Ressourcen, die sie anderen anbieten können; sie haben ihre Erlebnisse, Bedürfnisse, Ängste, Hoffnungen, Träume, Fähigkeiten und Talente. Nur unter diesem Blickwinkel können Fortschritte bei der Bewältigung eines Phänomens erzielt werden, das einen gemeinsamen Beitrag aller Länder erfordert, auch durch die Schaffung sicherer und regulärer Routen.

Entscheidend bleibt auch die Bekämpfung der Ursachen von Abwanderung, damit das Verlassen der eigenen Heimat zur Suche einer neuen eine Entscheidung ist und nicht eine „Überlebensfrage “. In diesem Sinne halte ich ein gemeinsames Engagement für Investitionen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit für entscheidend, um zur Beseitigung einiger der Ursachen, die Menschen zur Migration veranlassen, beizutragen.

Den Gefesselten Befreiung ausrufen

Die Diplomatie der Hoffnung ist schließlich eine Diplomatie der Gerechtigkeit, ohne die es keinen Frieden geben kann. Das Jubiläumsjahr ist ein günstiger Zeitpunkt, um Gerechtigkeit zu üben, Schulden zu erlassen und die Strafe von Gefangenen umzuwandeln. Es gibt jedoch keine Schuld, die es irgendjemandem, auch nicht dem Staat, erlaubt, das Leben eines anderen zu fordern. In diesem Zusammenhang wiederhole ich meinen Aufruf zur Abschaffung der Todesstrafe in allen Ländern[8], denn sie ist heute als Instrument zur Wiederherstellung der Gerechtigkeit in keiner Weise zu rechtfertigen.

Andererseits dürfen wir nämlich nicht vergessen, dass wir in einem gewissen Sinne alle Gefangene sind, weil wir alle Schuldner sind: gegenüber Gott, gegenüber den anderen und auch gegenüber unserer geliebten Erde, von der wir uns täglich ernähren. So habe ich in meiner jährlichen Botschaft zum Weltfriedenstag in Erinnerung gerufen: »Jeder von uns muss sich in gewisser Weise für die Zerstörung verantwortlich fühlen, der unser gemeinsames Haus ausgesetzt ist«[9]. In zunehmendem Maße scheint die Natur durch extreme Kraftbekundungen gegen das menschliche Handeln zu rebellieren. Beispiele dafür sind die verheerenden Überschwemmungen in Mitteleuropa und Spanien wie auch die Wirbelstürme, die im Frühjahr Madagaskar und kurz vor Weihnachten das französische Departement Mayotte und Mosambik heimsucht haben.

Wir können all dem nicht gleichgültig gegenüberstehen! Dazu haben wir kein Recht! Vielmehr haben wir die Pflicht, uns mit aller Kraft für unser gemeinsames Haus und die Menschen, die es bewohnen und bewohnen werden, einzusetzen.

Auf der COP 29 in Baku wurden Beschlüsse gefasst, um mehr Finanzmittel für Klimaschutzmaßnahmen zu sichern. Ich hoffe, dass sie eine Aufteilung der Mittel zugunsten der vielen Länder ermöglichen, die durch die Klimakrise gefährdet sind und auf denen erdrückende finanzielle Schulden lasten. In diesem Sinne rufe ich die wohlhabenderen Länder auf, die Schulden von Ländern zu erlassen, die diese niemals zurückzahlen können. Dies ist nicht nur ein Akt der Solidarität oder der Großzügigkeit, sondern vor allem ein Akt der Gerechtigkeit, der auch durch eine neue Form der Ungerechtigkeit belastet ist, der wir uns heute zunehmend bewusst sind: die „ökologische Schuld“, insbesondere zwischen Nord und Süd[10].

Auch im Blick auf die ökologische Schuld ist es wichtig, wirksame Wege zu finden, um die Auslandsverschuldung der armen Länder in wirksame, kreative und verantwortungsvolle Formen der Politik und in Programme für eine ganzheitliche menschliche Entwicklung umzuwandeln. Der Heilige Stuhl ist bereit, diesen Prozess zu begleiten in dem Wissen, dass es keine Grenzen oder Barrieren gibt, weder politische noch soziale, hinter denen man sich verstecken kann[11].

Liebe Botschafterinnen und Botschafter,

aus christlicher Sicht ist das Heilige Jahr eine Zeit der Gnade. Und wie sehr wünschte ich mir, dass dieses Jahr 2025 wirklich ein Jahr der Gnade wird, reich an Wahrheit, Vergebung, Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden! „Im Herzen eines jeden Menschen lebt die Hoffnung als Wunsch und Erwartung des Guten«[12] und jeder von uns ist dazu berufen, sie in seiner Umgebung zum Blühen zu bringen. Dies ist mein herzlicher Wunsch an Sie alle, liebe Botschafterinnen und Botschafter, an Ihre Familien, an die Regierungen und Völker, die Sie vertreten: Möge die Hoffnung in unseren Herzen erblühen und möge unsere Zeit den Frieden finden, nach dem sie sich so sehr sehnt. Ich danke Ihnen.

 

[1] Enzyklika Fratelli tutti (3. Oktober 2020), 27.

[2] Vgl. Ansprache bei der Begegnung mit den Vertretern der Zivilgesellschaft und der Indigen Bevölkerung und mit dem Diplomatischen Korps, Zitadelle von Quebec, 27. Juli 2022.

[3] Enzyklika Fratelli tutti (3. Oktober 2020), 262; vgl. Hl. Paul VI., Enzyklika Populorum progressio (26. März 1967), 51.

[4] Hl. Johannes Paul II., Botschaft zum 21. Weltfriedenstag, 1. Januar 1988, 2.

[5] Benedikt XVI., Botschaft zum 44. Weltfriedenstag, 1. Januar 2011, 5.

[6] Ebd.

[7] Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Forums „Migration and Peace“, 21. Februar 2017.

[8] Vgl. Botschaft zum 58. Weltfriedenstag, 1. Januar 2025, 11.

[9] Ebd., 4.

[10] Vgl. Bulle Spes non confundit (9. Mai 2024), 16; Enzyklika Laudato siʼ (24. Mai 2015), 51.

[11] Vgl. Laudato si’, 52.

[12] Bulle Spes non confundit, 1.

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09. Januar 2025, 11:09