Die Frau am Jakobsbrunnen: Eine Geschichte von Liebe, Vergebung und Hoffnung
Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt
In dem Text der Papst-Katechese, die für diesen Mittwoch vorbereitet wurde, nimmt Franziskus den Evangeliumsbericht von Jesus und der Samariterin in den Blick (Joh 4,5-26).
Die Szene spielt in Samarien, einer Region, die von den Juden jener Zeit gemieden wurde. An einem Brunnen begegnet Jesus dort einer Frau, die in vielerlei Hinsicht am Rand der Gesellschaft stand. Sie kommt zu einer ungewöhnlichen Tageszeit, als die meisten Menschen ihr Wasser schon längst geholt hatten – vielleicht, um den Blicken und dem Urteil der anderen zu entgehen. Allen gesellschaftlichen Normen zum Trotz spricht Jesus sie an. Ein jüdischer Mann, der mit einer samaritischen Frau redet – das allein war schon ein Bruch mit den gesellschaftlichen Regeln jener Zeit und eine echte Überraschung.
„Jesus aber will dort vorbeikommen, macht genau zu dieser Stunde an diesem Brunnen halt!,“ wird im Katechesentext präzisiert. „Jesus erwartet uns, und er lässt zu, dass wir ihn gerade dann finden, wenn wir denken, dass es für uns keine Hoffnung mehr gibt. Im antiken Nahen Osten war der Brunnen ein Ort der Begegnung, an dem manchmal Hochzeiten stattfanden, ein Ort der Verlobung. Jesus möchte dieser Frau helfen, zu verstehen, wo sie die wahre Antwort auf ihr Verlangen finden kann, geliebt zu werden.“
Um ihr die Furcht zu nehmen und ein Gespräch zu beginnen, habe sich Jesus schwach und durstig gezeigt. Auch in der Bibel sei Durst oft das Bild für Verlangen. Doch Jesus dürste es hier vor allem nach dem Heil dieser Frau, führt der Text des Papstes weiter aus.
„Jesus gibt sich ihr als der Messias zu erkennen und wirft auch ein Licht auf ihr Leben. Er hilft ihr, ihre komplizierte und schmerzhafte Geschichte neu zu lesen: Sie hatte fünf Ehemänner und ist jetzt mit einem sechsten Mann zusammen, der aber nicht ihr Ehemann ist. Die Zahl sechs ist kein Zufall: sie steht für Unvollkommenheit. Vielleicht ist es eine Anspielung auf den siebten Bräutigam, der das Verlangen dieser Frau nach wahrer Liebe endlich stillen kann. Und dieser Bräutigam kann nur Jesus sein.“
Wir werden nicht durch unsere Vergangenheit definiert
Die Begegnung zwischen Jesus und der Samariterin am Jakobsbrunnen zeige, dass Gott jeden Menschen kennt, liebt und ihm eine neue Zukunft schenkt, unabhängig von seiner Vergangenheit, präzisiert der Katchesentext. Sie ist ein Sinnbild für die Sehnsucht jedes Menschen nach Liebe, Annahme und Erlösung.
Als die Frau gemerkt habe, dass Jesus ihr Leben kennt, habe sie versucht, das Thema zu wechseln: „Das passiert uns manchmal auch beim Beten: In dem Moment, in dem Gott unser von Problemen belastetes Leben berührt, verlieren wir uns manchmal in Überlegungen, die uns die Illusion geben, dass unser Gebet gelungen ist. In Wahrheit aber haben wir Schutzbarrieren errichtet,“ präzisiert der Papst in seinem Text.
Als die Frau erkennt, dass der Messias allein die Antwort auf all ihre Fragen haben könnte, sagt sie voller Erwartung, dass sie auf sein Kommen wartet. Da offenbart sich Jesus ihr mit den Worten: „Ich bin es, der mit dir spricht“. Es ist wie eine Liebeserklärung: Ich bin es, auf den du wartest; derjenige, der dein Verlangen nach Liebe endlich stillen kann.“
Diese Begegnung verändert die Frau tiefgreifend. „An diesem Punkt läuft die Frau los, um die Dorfbewohner zu rufen, denn aus der Erfahrung, sich geliebt zu fühlen, erwächst die Mission.“ Sie verkündet nicht eine abstrakte Lehre, sondern ihre persönliche Erfahrung: Sie wurde verstanden und angenommen – und ihr wurde vergeben, stellt der Papst fest und macht auf ein bedeutendes Detail aufmerksam: in der Aufregung lässt die Frau den Wasserkrug zurück...
„Das Gewicht des Wasserkrugs auf ihrem Kopf hat sie jedes Mal, wenn sie nach Hause kam, an ihre Situation, an ihr schwieriges Leben erinnert. Aber jetzt ist der Krug zu Füßen Jesu abgestellt. Die Vergangenheit ist keine Last mehr; sie ist mit ihr versöhnt,“ so die Erklärung.
Eine Botschaft der Hoffnung
Diese Geschichte lehre uns, dass niemand durch seine Vergangenheit definiert werde und es auch dort Hoffnung gebe, wo alles verloren scheint. „Liebe Brüder und Schwestern, verlieren wir nicht die Hoffnung! Auch wenn uns unsere Geschichte schwer, kompliziert, ja vielleicht sogar verpfuscht zu sein scheint, haben wir immer die Möglichkeit, sie Gott zu übergeben und unseren Weg neu zu beginnen,“ schließt der Katechesetext von Papst Franziskus.
(vaticannews – skr)
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