Vatikan: Mehr Marktkontrolle und mehr Ethik im Geldwesen
Anne Preckel - Vatikanstadt
Den Akteuren der Wirtschafts- und Finanzwelt „konkrete ethische Bezugspunkte“ anzubieten sei Anliegen des vorliegenden Textes, bekräftigen die Autoren. Doch auch einen Appell an die Lenker der Staaten haben sie im Gepäck. Diese sollten sich stärker um die Regulierung des globalen Marktes kümmern und sich entsprechend auf verbindliche Regeln einigen, heißt es in dem Vatikan-Papier, das den Titel „Oeconomicae et pecuniariae questiones“ (Wirtschafts- und Finanzfragen) trägt.
Mit Kritik am Ist-Zustand des herrschenden globalen Systems spart das Papier nicht. Die Chance, aus der jüngsten Finanzkrise zu lernen, sei vertan worden, Ausbeutung und Spekulationen auf Kosten der Schwächsten seien heute weiter Realität. Die Weltpolitik stehe dem ohnmächtig gegenüber, könne das Gemeinwohl kaum schützen, ja lasse sich in einigen Fällen selbst korrumpieren. Phänomene wie Credit Default Swaps, Fixings, Schattenbanken und Offshore-Geschäfte, Geldwäsche, Intransparenz, Korruption und ungerechte Risikolasten werden hier ebenso kritisch angeführt wie die moralische Verwerflichkeit Einzelner.
Erstes Stichwort: Regulierung der Märkte. Um das Gemeinwohl zu schützen und alle Glieder der Gesellschaft an Wohlstand und Entwicklung zu beteiligen, müsse das Bündnis zwischen Akteuren der Wirtschaft und der Politik erneuert werden. Andererseits müssen Politik und Wirtschaft „stets unterschieden und unabhängig“ bleiben, damit Kontrolle garantiert sein kann. Notwendig sei eine überstaatliche Kontrolle der Finanzwirtschaft – Hauptgrund für die letzte globale Finanzkriese sei gerade das „unmoralische Verhalten von Exponenten der Finanzwelt“ gewesen, denen es möglich war, die Regeln der einzelnen Länder zu umgehen.
Zweites Stichwort: Ethische Orientierung in allen Bereichen, in der Wirtschaft, den Banken und im internationalen Geldgeschäft. Letztes Ziel müsse sein, Ungleichheit und Armut in der Welt zu reduzieren. „Das Geld muss dienen und nicht regieren!“ wird Papst Franziskus und sein Apostolisches Schreiben „Evangelii gaudium“ zitiert. Der Vatikan pocht hier auf nicht weniger als das Wohl der Menschheit auf der Grundlage von Solidarität, Gerechtigkeit und dem „menschlichen Kapital“, das sich an weit mehr bemisst als dem nackten Bruttoinlandsprodukt. Systeme bestehen nicht aus anonymen Dynamiken, sondern aus menschlichen Beziehungen, wird festgehalten, der Mensch sei nicht allein Konsument und Unternehmer.
An die Unternehmer wenden sich die Autoren mit dem Aufruf zur „Selbstkritik“. Sie sollten eine „Trendwende in Richtung einer Unternehmens- und Finanzkultur“ einleiten, die Gemeinwohl und soziale Verantwortung in den Mittelpunkt stellt. Die Banken sollten sich um mehr Transparenz ihrer Geldgeschäfte kümmern, heißt es weiter. Der Bereich der gewöhnlichen Bankkredite und Spareinlagen sollte etwa vom Bereichen der Investition und des „bloßen Business“ klarer abgegrenzt werden, lautet ein Vorschlag. Kunden müssten in die Lage versetzt werden, einzusehen, ob das eigene Kapital zu spekulativen Zwecken verwendet werde oder nicht. In Verwaltungsräten sollten Ethikkommissionen eingerichtet werden, so ein weiterer Appell, Ethikkurse an Business-Schulen fester Bestandteil sein.
Hart ins Gericht geht das Dokument mit Praktiken, die ganze Länder und Millionen von Familien in den Ruin stürzten. Nicht das Gewinnstreben an sich sei ethisch verwerflich, stellt es klar, sondern „das Ausnutzen von Asymmetrie zu eigenen Gunsten, um beträchtliche Profite zum Schaden anderer anzuhäufen“.
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