Vatikan und China: „Dialog ist unbedingt erforderlich“
P. Bernd Hagenkord SJ und Sergio Centofanti – Vatikanstadt
Alle Jünger Jesu sollen, jederzeit und überall, Licht der Erde und Sauerteig in der Gesellschaft sein. Kann sich das etwa mit der Mission der Kirche in China irgendwie anders verhalten?
Einige Beobachter wollen neuerdings ein gewisses sich-Verschließen Chinas gegenüber der westlichen Welt wahrnehmen; andere fragen sich, warum sich denn der Heilige Stuhl immer noch auf Dialog und Verhandlungen verlässt, anstatt eine Haltung der Verurteilung und der offeneren Kritik einzunehmen.
Gerade da, wo Distanz herrscht, ist Dialog unbedingt nötig!
Doch wie sich überhaupt aus dem Auftreten des Heiligen Stuhls auf der internationalen Bühne – vor allem, wenn’s um Konflikte und Krisen geht – ergibt, liegt der Grund in dem Bewusstsein: Gerade da, wo es größere Distanz und das Risiko von Unverständnis gibt, ist der Dialog nicht nur angebracht, sondern unbedingt nötig. Man sollte sich außerdem vor Augen halten, dass die Kirche eine spezielle Verantwortung hat, sich um die eigenen Gläubigen zu kümmern, und zwar besonders wenn sie akut leiden. Was bei anderen Institutionen also ein Zeichen für Einknicken oder sogar Nachgeben wäre, ist für die Kirche eine moralische Pflicht und ein Zeichen für spirituelle Stärke, die ganz offensichtlich den Anforderungen des Evangeliums entspricht.
Kirche will keine Privilegien in China
Die Kirche braucht für ihre Mission in China keine Privilegien von der Politik – sie will einfach nur auf authentische Weise sie selbst sein dürfen… Übrigens hat es der Kirche nie und nirgends in der Geschichte an Schwierigkeiten gefehlt: Auch heute scheint es noch nicht einmal in den Ländern, die demokratisch am weitesten fortgeschritten sind, ideale Bedingungen für die Kirche zu geben.
Worauf die Kirche allerdings tatsächlich nicht verzichten kann, sind Glaube, Nächstenliebe und Einheit in ihrem Innern. Genau dazu ist in der Kirche das Petrusamt da, das der Bischof von Rom ausübt: Er dient der Einheit im Glauben und in der Liebe.
Chinas Kirche muss vor allem geeint sein
In China muss die Kirche vor allem geeint sein, um glaubwürdig sein zu können. Sie wäre gerne überall dort, wo sich das Leben der Chinesen abspielt, in jedem Ambiente. Sie würde gern das Los der Chinesen teilen – demütig, aber auch mit der Voraussicht der christlichen Hoffnung…
Unsere Zeit steht vor großen Herausforderungen: Globalisierung, Verteilung des Wohlstands, Lebensqualität und Umwelt, Friede und Menschenrechte, Säkularisierung und Konsumismus, sich-Verschließen von Staaten auf der Suche nach dem Eigeninteresse, religiöse Gleichgültigkeit, an-den-Rand-Drängen der Schwachen. Genau dort will die Kirche, ihrer Berufung entsprechend, präsent sein, um zu verkünden, dass Christus für das Leben der Welt gestorben und auferstanden ist.
Es könnte alles so einfach sein...
Wenn man es so sieht, könne alles so schön und einfach sein. Da fragt man sich schon, warum Behörden die Christen fürchten sollten und warum sie ihnen so viele Hindernisse in den Weg legen, wo die Christen doch so voller guter Absichten sind. In den konkreten Umständen, unter denen die Kirche lebt, kann es allerdings passieren, dass manchmal nicht nur die Irrtümer und Sünden von Christen angeprangert werden, sondern dass – wenigstens anfangs – selbst ihre guten Werke alles andere als willkommen sind.
Doch seit einiger Zeit scheinen die chinesischen Regierungsbehörden verstanden zu haben, dass die Religion kein Phänomen ist, das angesichts von wirtschaftlichem Fortschritt und mehr sozialer Gerechtigkeit von selbst wieder verschwindet – sondern dass sie wesentlicher Baustein des Menschlichen ist. Darum ist authentische religiöse Erfahrung ein wichtiger Faktor für die harmonische Entwicklung des Menschen und der Gesellschaft…
Misstrauen gegenüber Religion rührt aus chinesischer Geschichte her
Man muss im Fall von China berücksichtigen, dass nach der traditionellen Philosophie des Konfuzius der Staat das Recht hat, jede Form von Religion genau zu kontrollieren und sich dabei auch des Rechts zu bedienen. Bei sozialen und politischen Revolten gegen die jeweilige Regierung in der chinesischen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts – auch das muss man berücksichtigen – haben neben kulturellen auch religiöse Faktoren eine Rolle gespielt. Wie auch immer man diese historischen Momente politisch einordnet: Sie haben jedenfalls zu Durcheinander und zu Misstrauen gegenüber dem Religiösen allgemein geführt. Und dieses Misstrauen richtet sich vor allem gegen diese großen religiösen Traditionen, die an sich nichts zu tun haben mit Sektierertum oder mit der Politisierung religiöser Gefühle.
Chinas Gesellschaft und Kultur sollten sich stärker bewusst werden, dass der katholische Glaube von einem fundamentalistischen, irrationalen Herangehen an die menschliche Realität weit entfernt ist.
(vatican news)
Dieser Text ist der dritte Teil einer Serie, die die Verhandlungen zwischen dem Vatikan und der Volksrepublik China beleuchtet.
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