Vatikan-Experte: Abkommen mit China wird Kirche stärken
Adriana Masotti - Vatikanstadt
Vatican News: Am vergangenen Samstag wurde ein wichtiges Abkommen unterzeichnet, das aber durch verschiedene Phasen der Annäherung zwischen dem Heiligen Stuhl und China vorbereitet wurde. Können wir sagen, dass es eine Kontinuität zwischen diesem von Papst Franziskus gewünschten Abkommen und der Orientierung der früheren Päpste gibt? Insbesondere denke ich an Johannes Paul II. und Benedikt XVI.....
Antonio Sergianni: Auf jeden Fall. Die ganze Bedeutung dieser Vereinbarung wird deutlich, wenn wir an den Brief von Papst Benedikt an die Kirche in China von 2007 denken. In diesem beschrieb der Papst die Situation der Kirche in China, sprach von der Einheit der Kirche, von den Spannungen, von der Kirchenlehre in Bezug auf das Episkopat. Und er spricht offen von diesem Dialog: Er bezieht sich sogar auf das Zweite Vatikanische Konzil, wenn er sagt, dass Respekt und Liebe sich auch auf diejenigen erstrecken müssen, die anders denken und handeln, denn das erleichtert den Dialog mit ihnen. Dann, zweimal, erwähnt Papst Benedikt im Brief Johannes Paul II., der unverhohlen auf den Dialog mit der Kirche in China hoffte. „Ohne um ein Privileg zu bitten - sagte Johannes Paul II. - hoffe ich, bald konkrete Wege der Kommunikation und Zusammenarbeit für den Heiligen Stuhl und die Volksrepublik China eingerichtet zu sehen“. Und dann wiederholte er später: „Ich hoffe, dass ein Raum für den Dialog mit der Regierung der Volksrepublik China geschaffen wird, in dem die Missverständnisse der Vergangenheit überwunden werden können“. Und Papst Benedikt selbst nahm im Brief, gerade als er von den Bischofsernennungen spricht, diese Hoffnung auf den Dialog auf und sagte: „Ich hoffe, dass eine Einigung über die Ernennung der Bischöfe erzielt wird“. Deshalb stehen wir mit dem Geist des Schreibens von Benedikt an China in Einklang.
Vatican News: Möglicherweise haben Sie in diesen Tagen einige Kommentare von Chinesen über das Abkommen gehört. Wie war die Aufnahme in China, bei den Gläubigen und im Allgemeinen bei den Menschen? Ich weiß, dass auch das chinesische Fernsehen darüber gesprochen hat.....
Antonio Sergianni: Ja, die Vereinbarung wurde von der Freude der Gläubigen begrüßt. Ich hörte, dass ein Bischof, dem der Papst verziehen hatte, die Priester in seiner Gegend einlud, das Ereignis zu feiern, und sie waren sehr erfreut. Natürlich kann ich sagen, dass die Erwartung sehr hoch war. Vor zwei Wochen war ich in China, wo ich Menschen treffen konnte- Priester, Bischöfe und sogar Regierungsvertreter - und jeder sagte mir, dass sie mit großer Erwartung auf diese Unterschrift warteten; auch mit einiger Ratlosigkeit, aber es gab doch große Hoffnung und große Erwartungen seitens der Kirche. Natürlich, es wird noch einiges zu erleiden geben – so sagten sie -, aber wenn ein Klima des Vertrauens bestehen bleibt und noch zunimmt, können zukünftige Schwierigkeiten überwunden werden.
Vatican News: Glauben Sie, dass die Legitimierung der von der Regierung ernannten Bischöfe, also der Bruch mit der Situation, in der sich zwei Gemeinschaften im Konflikt befanden, dem Leiden so vieler gerecht wird, die schon immer die Gemeinschaft mit Rom aufrechterhalten wollten und dafür oft bitter bezahlt haben?
Antonio Sergianni: Viele haben für die Kirche und die Treue zu Christus gelitten. Und der Brief Benedikts erkennt und schätzt das, und das bleibt: Den Schmerz derer, die für Christus gelitten haben, kann niemand auslöschen, er bleibt ein kostbarer Schatz. Natürlich bedeutet der Blick nach vorne nicht, die Vergangenheit auszulöschen. Papst Benedikt sagte über dieses Leiden: „Ich möchte daher euch allen den Ausdruck meiner brüderlichen Nähe zukommen. Groß ist die Freude über eure Treue zu Christus, dem Herrn, und zur Kirche, eure Treue, die ihr ,manchmal sogar unter Inkaufnahme großen Leids gezeigt habt´“. Und das bleibt, niemand kann das wegwischen.
Vatican News: Wird diese Vereinbarung Ihrer Meinung nach das Wachstum der katholischen Kirche in China fördern oder erlauben?
Antonio Sergianni: Da bin ich mir sicher. Es ist kein Zauberstab, der alle Probleme sofort löst, aber auf lange Sicht wird sie die Gemeinde wachsen lassen. Erstens fördert sie konkret den Prozess der Versöhnung, der über Vergebung stattfindet und eine wahre Gemeinschaft anwachsen lässt. Sie erfordert ein mühsames Ringen um Versöhnung. Mit dieser Vereinbarung werden jedoch viele Hindernisse für diesen Versöhnungsprozess beseitigt, so dass er stärker wird. Dann, ob man für die Zukunft nun optimistisch oder pessimistisch sein will... Wenn die Kirche nu, mit nicht wenigen Mühen, an diesem Schritt angekommen ist, dann ist zu hoffen, dass dieser in Zukunft allen zugutekommen werde. Er wird sicherlich das Wachstum der Kirche in China fördern, ganz sicher.
Vatican News: Und kann man auch von einem größeren Informationsaustausch zwischen Rom und den chinesischen Gläubigen ausgehen?
Antonio Sergianni: Natürlich. Es handelt sich um eine Maßnahme, die das Klima des Vertrauens, des gegenseitigen Kennenlernens, des Informationsaustauschs und des Verkehrs unter den Bischöfen verbessern wird. Dies wird eine der ersten Früchte dieser Unterzeichnung sein, denn auch in Europa ist über China wenig bekannt: Von der konkreten, realen Situation, in der unsere chinesischen Geschwister leben, ist leider noch wenig bekannt. Doch durch die Stärkung eines Klimas von Vertrauen auch zwischen den vatikanischen und chinesischen Behörden wird es zu einem stärkeren Austausch von Ideen und Menschen, von Begegnungen, von Initiativen kommen, und allmählich wird all dies helfen. Nicht über Nacht: Es ist ein Prozess. Diese Unterschrift ist nur ein Glied, ein Schritt: Sie ist das Glied einer Kette, eines Prozesses, der sich dann langsam entwickeln muss.
Vatican News: Wir wissen, dass es ein größeres Vertrauen von Seiten der Kirche gegenüber China gibt. Dieses gestärkte Vertrauen beruht auch, wie ich mir vorstellen kann, auf Gegenseitigkeit, sonst wäre das Abkommen nicht entstanden.....
Antonio Sergianni: Ganz genau. Wenn die Regierung diese Vereinbarung akzeptiert, die dem Papst das letzte Wort über die Ernennung der Bischöfe überlässt, bedeutet das, dass sie ihm Vertrauen schenkt. Sie hat die Gründung einer neuen Diözese akzeptiert; sie hat die Vergebung dieser Bischöfe akzeptiert; sie hat akzeptiert, dass der Papst seine Funktion als geistlicher und hierarchischer Führer in der Katholischen Kirche in China ausübe. Wenn sie all das akzeptiert hat, bedeutet das, dass sie ihm Vertrauen geschenkt hat.
Vatican News: Wie wird das jetzt in der Praxis umgesetzt? Wie viel Raum wird es für die Handlungsfreiheit des Papstes geben? Werden die in der Vergangenheit in Gemeinschaft mit Rom geweihten Bischöfe auch von der Regierung anerkannt?
Antonio Sergianni: Die Einzelheiten der Vereinbarung sind nicht bekannt. Natürlich gibt es sie, sie sind genau ausgearbeitet worden. Soweit wir wissen, wird es sich um eine gemeinsame Praxis handeln. Der Heilige Stuhl akzeptiert als vorläufige Lösung - die zu beobachten und zu verbessern ist -, dass der Prozess der Ernennung von Kandidaten, Bischöfen, von unten, von den kirchlichen Gemeinschaften erfolgen soll, auch mit einem Eingreifen staatlicher Stellen. Während die Regierung ihrerseits akzeptiert, dass die endgültige Entscheidung [beim Papst liegt, Anm.], also wenn ein Kandidat nicht willkommen ist, nicht den Standards des Papstes entspricht, akzeptiert sie dessen letzte Entscheidung und alles fängt von vorne an. Danach sieht es aus, aber die Details sind nicht bekannt.
Die Tatsache bleibt jedoch, dass sie akzeptiert, dass das letzte Wort über die Ernennung dem Papst obliegt; daher bleibt die Ernennung der Bischöfe dem Nachfolger Petri überlassen. Was die von Rom geweihten und von der Regierung nicht anerkannten Bischöfe betrifft, so wird es sicherlich einen Prozess der Anerkennung geben. Man wird von Fall zu Fall sehen, sicherlich ist dies eines der zu lösenden Probleme. Diese Vereinbarung ist eine Basis, sie ist eine Voraussetzung für die Lösung von Problemen, die noch auf dem Tisch liegen, und es gibt viele von ihnen. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Ausbildung. Mehr denn je geht es jetzt um das Wachstum und die Qualität des Glaubens, die Reifung des Gewissens der Gläubigen im Glauben zu unterstützen, denn das alles liegt im Bereich des Glaubens. Es ist kein politischer Diskurs: Es ist ein pastoraler, kirchlicher und Glaubens-Diskurs. Das Problem ist die Ausbildung von Priestern, die isoliert sind, die Unterstützung von Bischöfen, die isoliert sind... Es wird also auch eine Herausforderung für den Vatikan sein, die Möglichkeiten für Kontakte zu erhöhen, ihnen in der Ausbildung zu helfen.
(Vatican News)
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