Vor 20 Jahren: Johannes Paul II. veröffentlicht „Fides et ratio“
„Glaube und Vernunft sind wie die beiden Flügel, mit denen sich der menschliche Geist zur Betrachtung der Wahrheit erhebt." Mit diesem fast poetischen Satz begann Papst Johannes Paul II. (1978-2005) das Lehrschreiben, das unmittelbar vor seinem 20. Amtsjubiläum erschien. Und weiter: das Streben, die Wahrheit zu erkennen und letztlich ihn selbst zu erkennen, habe Gott dem Menschen ins Herz gesenkt.
Abrechnung mit Nihilismus und Relativismus
Der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, stellte die Enzyklika - vor allem eine Abrechnung mit dem Nihilismus und dem Relativismus der westlichen Philosophie - der internationalen Presse vor. Thematisiert wird besonders die neuzeitliche radikale Trennung von Vernunft und Glauben und die Gefahren, die sich daraus ergeben. Die Vernunft habe ohne den Beitrag der Offenbarung Seitenwege eingeschlagen, die dazu führten, dass sie ihr letztes Ziel aus dem Blick verlöre. Der Glaube, dem die Vernunft fehle, laufe Gefahr, kein universales Angebot mehr zu sein. Schwache Vernunft führe nicht zu größerer Überzeugungskraft, sondern verkürze eher den Glauben auf Mythos oder Aberglauben.
Bei der Veröffentlichung hatte die Enzyklika noch keinen durchschlagenden Erfolg. Die „Zeit“ schrieb damals, es spreche viel Heimweh nach der heilen Welt des Mittelalters aus dem Schreiben, nach einer Zeit, als Frömmigkeit und Scharfsinn noch Hand in Hand gearbeitet hätten. Erst durch die Wahl von Joseph Ratzinger zum Papst, der „Glaube und Vernunft“ ab 2005 zu einem Dauerthema seiner Amtszeit gemacht habe sowie unter anderem durch das Buch „Gott denken“ des ehemals atheistischen Berliner Philosophen Holm Tetens 2015 sei das Thema wieder salonfähig geworden.
„Fides et ratio" - immerhin die einzige Philosophie-Enzyklika des 20. Jahrhunderts – erscheint aus der Rückschau als Meilenstein in der Auseinandersetzung der katholischen Kirche mit dem Denken der Moderne.
(kna - ck)
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