Kinderschutzzentrum der Gregoriana hebt Masterstudiengang aus der Taufe
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Christine Seuss - Vatikanstadt
Das Problem der Kirchenstrukturen sei auch bei der jüngst veröffentlichten deutschen Missbrauchsstudie angesprochen worden, so Marx vor Journalisten. „Es ist eine Frage der Macht und man kann ein Problem des Machtmissbrauchs nur begrenzen, wenn man Macht teilt und kontrolliert“. Doch es dürfe nicht bei Worten bleiben, unterstreicht der Erzbischof von München und Freising: Vielmehr müssten konkrete Taten folgen.
„Wir können uns nicht erlauben, jetzt wieder einfach ein bisschen schnell was in die Welt hineinzusagen und dann ist zehn Jahre Ruhe und dann geht der nächste Skandal los. Das geht nicht. Ich glaube, man kann die Überlegung darüber, wie wir partizipativer werden können, wie Macht kontrollieren und an welchen Stellen, nicht einfach so in zwei drei Sätzen abhandeln. Da muss man glaube ich gut überlegen, wie man das macht.“
Dabei sei auch das Thema der ehelosen Lebensform für Priester in den Blick zu nehmen, auch wenn die durch die Deutsche Bischofskonferenz in Auftrag gegebene MHG-Studie deutlich besage, dass der Zölibat nicht die Ursache für Missbrauch sei.
„Aber die Frage ist, wie wird er gelebt, zieht er vielleicht Menschen an oder wird er in einer Weise gelebt, die im Zusammenhang mit anderen Schwächen, die eine Person hat oder mitbringt, und die nicht genau angeschaut werden, zu Problemen führt. Insofern bin ich auch offen dafür, darüber zu sprechen, wie man die Lebensform des Priesters begleiten kann, wie man helfen kann. Auch der Zölibat als solcher ist sicher nochmal zu diskutieren, denn ich finde, die große Lebensform Jesu, Armut, Gehorsam, Ehelosigkeit, das ist ein großer Schatz in der Kirche. Wie das gestaltet werden kann, wer das leben kann und soll, darüber kann man ja reden.“
Auch er selbst habe in den vergangenen Jahren einen Lernprozess durchmachen müssen, was das Thema des sexuellen Missbrauchs angeht, so der Kardinal.
„Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, ich habe immer schon alles gewusst. Als ich ein junger Priester war, war das überhaupt kein Thema für uns, davon hat man vielleicht von Ferne gehört. Aber es war kein wirkliches Thema, wurde nicht diskutiert. Auch das Thema der Sexualität wurde im Grunde wenig besprochen. Dann eben die ersten Missbrauchsfälle, da haben wir gedacht, das sind Einzelfälle... also genau hinschauen, das darf nicht wieder passieren, das war ganz klar. Aber eine wirkliche Perspektive, also was heißt das eigentlich für die Kirche, ist das ein Auftrag für uns und wie können wir mit den Opfern weiterarbeiten, das ist erst 2010 mit diesem Schock gekommen.“
Und nun, acht Jahre später, müsse er sich eingestehen, dass er die Problematik nicht in all ihren Facetten erfasst habe, so die Bestandsaufnahme des Erzbischofs. Das Erz-Bistum München und Freising hatte 2012 gemeinsam mit der Gregoriana und dem Universitätsklinikum Ulm das Centre for Child Protection gegründet, das unter anderem ein e-learning-Programm zum Kinderschutz entwickelt hat, das weltweit zur Schulung eingesetzt wird. Der Kinderschutzexperte Pater Hans Zollner S.J. ist vom ersten Moment an dabei. Er zeigte sich bei der Eröffnung des neuen zweijährigen Masterstudiengangs begeistert von der Resonanz und zunehmenden Sensibilität, die führende Kirchenvertreter weltweit der Prävention von Missbrauch beimessen.
„Ich bin auf Einladung der Bischofskonferenz in Papua-Neuguina gewesen, weil die Bischöfe dort, also in einem Land, in den sexuelle Gewalt gegen Kinder im familiären Kontext Gang und Gebe ist, für sich entschieden haben, das Thema nicht nur auf die Agenda zu setzen, sondern daraus eine Priorität zu machen. Das Gleiche ist mir passiert mit afrikanischen Jesuiten, als ich im April in Nairobi eingeladen war. Die Provinziale haben entschieden und finanziert, dass man eine flächendeckende Präventions-Schulung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen Institutionen einführt. Das sind Dinge, die vor ein paar Jahren noch nicht denkbar waren und wo die Initiative mittlerweile auch von diesen Institutionen, also sozusagen von den Graswurzeln her kommt."
Der neue Masterstudiengang, der auf dem Bachelorprogramm des Kinderschutzzentrums aufbaut, richte sich an Kinderschutzverantwortliche aus dem kirchlichen Bereich. Die Kandidaten für den neuen Master kämen von vier Kontinenten und damit aus völlig verschiedenen kulturellen Kontexten, erläutert Zollner.
„Wir bieten ihnen an, dass sie zunächst eine Grundlage in allen Disziplinen erhalten, die notwendig sind für eine entsprechende Kompetenz im Bereich Kinderschutz. Im zweiten und vor allem dritten Semester geht es dann um eine Vertiefung im jeweiligen Bereich, das heißt beispielsweise eine Psychologin wird im dritten Semester ein Praxissemester einlegen in einer psychiatrischen oder psychotherapeutischen Klinik, um dort mehr darüber zu lernen, wie man mit Betroffenen umgeht, aber auch mit den Tätern. Wir richten uns an Menschen, die nach Beendigung des Studiengangs in ihre Länder zurückkehren und dort mit den akademischen, politischen und sozialen und kulturellen Kräften sich zusammenschließen und mitarbeiten an einer Kultur der Aufmerksamkeit, der Achtsamkeit und des Schutzes von Kindern."
Die Finanzierung des Programms werde durch externe Partner und Eigenbeiträge der Teilnehmer gesichert, so Zollner, der jedoch darauf verweist, dass externe Spenden für die erfolgreiche Umsetzung dringend vonnöten sind.
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