Synodenblog: Tag 14
Liebe Leserinnen und Leser,
am Rande der Synode ergeben sich immer wieder bewegende Momente. Vielleicht haben Sie in den vergangenen Tagen mitbekommen, dass es innerhalb der orthodoxen Kirchen zu einem Bruch kam. Das Moskauer Patriarchat hat die eucharistische Gemeinschaft mit dem Ökumenischen Patriarchat Konstantinopels aufgehoben. Der Grund dafür liegt im Streit über die Zuständigkeit für die orthodoxe Kirche der Ukraine. Der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel hat eine eigenständige ukrainische-orthodoxe Kirche anerkannt und das führte zum Bruch zwischen den beiden großen orthodoxen Kirchen.
Der griechisch-katholische Erzbischof der Ukraine ist auch ein Synodenvater. Er ist ein katholischer Bischof, der in der Einheit mit Rom steht, also zu keiner der Streitparteien gehört. Heute besuchte uns der Leiter des Außenamts des russisch-orthodoxen Patriarchats, Metropolit Hilarion, und richtete ein Grußwort an die Synode. Diese beiden Bischöfe, der russisch-orthodoxe und der griechisch-katholische, standen bei der Kaffeepause zusammen. Es bildete sich eine große Menschentraube um sie. Jeder spürte, selbst wenn es kein Treffen von direkten Konfliktparteien ist, so geht es hier doch um etwas sehr Wesentliches. Sie sprachen sehr lange miteinander. Kann der griechische-katholische Bischof in der Auseinandersetzung möglicherweise vermitteln? Auch wenn ich den Inhalt des Gesprächs nicht kenne, so bewegte es mich doch: Es ist gut, wenn Menschen im Gespräch bleiben und aufeinander hören, trotz unterschiedlicher Positionen. Denn wo Menschen sprechen, bleibt Gemeinschaft bestehen. Genau diese Einsicht verstärkt sich auch immer mehr bei mir selbst. Es ist gut, dass so viele Themen in der Aula zur Sprache kommen. Es ist wohltuend, dass man über die Dinge sprechen darf.
In meinen persönlichen Betrachtungszeiten ist mir aufgefallen, dass ich innerlich in den letzten Tagen unter Druck stand. Auch das Schreiben dieses Blogs trägt dazu bei. So gibt es die leisen, aber einflussreichen Stimmen in mir: „Es muss etwas herauskommen bei dieser Synode, sonst ist sie ein Flop. Es müssen konkrete Entscheidungen in Fragen der Sexualmoral und der Stellung der Frau in der Kirche fallen, sonst wenden sich wieder viele Menschen enttäuscht ab. Viele lesen den Blog mit Wohlwollen und haben viel Hoffnung. Ich möchte natürlich auch nicht, dass die Leserinnen und Leser enttäuscht sind.“
Das sind berechtigte Gedanken, aber ich merke, dass ich mich selbst damit in die Enge treibe. Ich muss eingestehen, dass ich auch in den Blogbeiträgen begonnen habe, das Geschehen der Synode jeden Tag bewerten zu wollen. Ich habe angefangen zu urteilen und hoffte nicht mehr auf den Wachstumsprozess. Ich vertraute nicht mehr, dass das hier ein guter und von Gott geführter Weg ist. All das manövrierte mich in Richtung einer inneren Blockade. Und genau das ist ein großes Problem. Wenn ich urteile, trete ich genau aus dem heraus, worum es hier gehen soll: um das Hören und das Schauen auf das, was sich zeigt, und dann das Wählen von dem, was sich im Unterscheidungsprozess herauskristallisiert hat. Mit dem Druck, dem Beurteilen und der Angst vor Enttäuschungen falle ich eher in die Haltung des „Selbermachen Wollens“. Und das ist selten ein Weg in die echte Freiheit und zu mehr Lebendigkeit.
Eigentlich kenne ich diese Dynamik aus der Begleitung von Menschen in Exerzitien sehr gut und weiß, dass eine solche Dynamik grundsätzlich in die Sackgasse führt. Sie macht verschlossen, sie macht hart und kann zur Quelle von Resignation und auch von Streit werden. Aber gerade dann ist kein guter Exerzitienweg möglich. Was empfehle ich solchen Momenten Exerzitanten? Bring es vor Gott, geh mit ihm ins Gespräch.
So habe ich es in meinen Gebetszeiten gestern Abend und heute früh gemacht – und was zeigte sich? Mein Blick hat sich gelöst und damit verändert. Ich konnte heute beim Zuhören in der Aula deutlicher wahrnehmen, was an Neuem wächst, statt nur darauf zu starren, was noch nicht beschlossen ist. Ich kam innerlich wieder mehr in die Haltung: Vertrau darauf, dass hier viel Gutes wachsen wird. Du wirst es erst in einigen Wochen, Monaten oder vielleicht Jahren sehen. Aber du bist doch in der Tiefe deines Herzens überzeugt: Gott ist am Werk! Sie werden mir jetzt vielleicht vorwerfen, ich vertröste. Das stimmt aber nicht. Leben wächst und braucht Zeit, dann jedoch wird es stark und reißt durch eruptive Handlungen keine neuen Wunden auf. Durch die Synode wird guter Samen ausgestreut, und er wird Frucht bringen.
Heute feiert die Kirche den heiligen Lukas, den Evangelisten. Er war Arzt, bevor er in die Nachfolge Jesu trat. Aber auch danach ist er gewissermaßen Arzt geblieben: Durch das Wort Jesu, das er verkündigt, heilt er verhärtete und ängstliche Herzen. Der Bischof, der die Morgenbetrachtung gehalten hat, sprach viel über innere Heilung. Und ich dachte: „Genau! Gott, Du musst die Angst meines Herzens berühren und heilen. Dann werde ich wieder offener, beweglicher, fähiger auf Dich zu vertrauen.“ Das ist auch ein Ziel dieser Synode. Wir müssen alle mehr aufeinander und mehr auf Gott hören. Dann öffnen sich auch unsere verhärteten und ängstlichen Herzen und wir können offener und beweglicher für andere werden. Dann geht es auch voran – gemeinsam! Wo Herzen gesunden, wächst das Reich Gottes, ein Reich des Friedens, der Gerechtigkeit und der Freude im Heiligen Geist.
Clemens Blattert SJ
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