Der Synodenblog - Tag 3
Lieber Leserinnen und Leser,
die Synode hat das große Ziel, den Willen Gottes für die Kirche im Heute zu erkennen. Es geht also darum, auf den Heiligen Geist zu hören. Aber eben gerade das ist für mich in den letzten Tagen eine echte Herausforderung. Da ich erst kurz vor der Synode berufen wurde, musste ich im Vorfeld viele Termine umsortieren und organisieren und die Reise vorbereiten. Kaum hier angekommen eile ich von Termin zu Termin, halte Smalltalk mit vielen verschiedenen Leuten, bin zum Essen und Leute kennenlernen eingeladen und kenne außerdem viele Mitbrüder, in der Jesuitenkommunität, die sich über das Wiedersehen freuen. Zudem wollen Mails beantwortet werden und für Instagram muss ich Fotos machen.
Für einen Termin nehme ich mir aber bevor ich abends müde ins Bett falle, immer Zeit: meinen Tagesrückblick. Während dieser halben Stunde habe ich bemerkt, wie wenig offen ich für mich und das Hören auf Gott bin. Dieses „kirchliche Event“ ist mit seiner Geschäftigkeit eine Versuchung, sich für den Geist Gottes zu verschließen.
Aber wie sieht mein geistlicher Tag aus? Um 7:00 Uhr feiern wir Jesuiten hier in der Kurie (Haus für die zentrale Verwaltung des Jesuitenordens) eine schlichte und einfache Messe. Das tat mir heute Morgen richtig gut. Die Messe ist ruhig, die Mitbrüder sind gesammelt und ich merkte heute Morgen, wie mir ihre Ruhe und Sammlung geholfen haben. Danach gibt es Frühstück.
Um 8:00 Uhr hätte ich zwar die Möglichkeit für eine Stille Zeit, in den letzten Tagen war das aber nicht möglich. Doch jetzt glaube ich, dass ich meinen Rhythmus mehr und mehr finde, ich freue mich darauf, das Tagesevangelium zu betrachten. Mir ist das wichtig, denn wie Ignatius sagt, disponiere ich mich dort, werde ich offen für das Wirken Gotte und finde eine Einstellung, die hoffentlich den Tag über bleibt. Diese Zeit der Stille brauche ich auch, um mit mir in Kontakt zu sein, statt nur im „Außen“, nur so kann ich dann auch wieder für andere offen sein. Etwas, das ich jeden Tag erneuern muss, weil die Türen meines Herzens schnell zufallen.
Die Terz auf Latein....
Wenn wir um 9:00 Uhr alle in der Aula angekommen sind, beten wir gemeinsam die Terz auf Latein. Weil ich kein Latein kann, murmle ich zwar mit, aber in eine wirkliche Offenheit für IHN komme ich da nicht.
Doch da sind diese besonderen drei Minuten, die der Papst eingeführt hat. Nachdem fünf Leute gesprochen haben, nach ca. 25 Minuten, wird es ganz still im Raum. Wir lassen das Gehörte nachklingen. Gestern wurstelten noch viele an ihrem Laptop und an ihrem Platz weiter, aber man merkt deutlich, dass die Leute beginnen, diese drei Minuten zu schätzen. Ich lehne mich zurück und schaue, was Resonanz in mir findet. Heute waren das interessanterweise zwei Pausengespräche.
Der Vor- und Nachmittag werden in der Aula mit dem „Engel des Herrn“ beendet. Der Papst nuschelt das Gebet zwar ins Mikrophon, aber das hat etwas. Dieses einfache Gebet bringt das Geschehen auf den Punkt: Ein junger Mensch wird von Gott angesprochen und ist offen für ihn, sagt ja. Das ist Aufgabe der Kirche – das ist es, was die Kirche jungen Menschen eröffnen will. Nicht im Weg stehen, damit sie diese Begegnung mit Gott erleben können.
Wenn ich selbst in das Hören hineinkomme, bin ich auch empfänglich und von Zeit zu Zeit werde ich durch Beiträge von Menschen bewegt:
Da war beispielsweise ein Teil aus Weihbischofs Wübbes Redebeitrag: Sozial schwache Jugendliche sind wie weggeworfene Steine, aber sie können für die Kirche Ecksteine werden, wenn wir uns ihnen zuwenden. Auch ein kurzes Interview mit Chiara hat mich heute Morgen bewegt. Ich fragte sie, wie sie ihre Berufung gefunden hat. „Das Leben hat mir meine Berufung gezeigt.“ Zack, das saß. Oder als Fr. Alois aus Taizè das Wort hatte.
Aber warum habe ich eigentlich genau diese drei Leute „gehört“? Es hat vor allem damit zu tun, dass sie anders gesprochen haben. Mir fiel auf, dass alle drei geistliche Menschen sind – sie sprechen nicht, um gehört zu werden. Sie sprechen von dem, was sie erfüllt. Sie leben ihre von Gott geschenkte Berufung und teilen sie. Das kommt an!
Vieles Richtige hört man in der Aula, aber weniges berührt, weil es eben nicht aus dieser inneren Mitte kommt. Diese Einsicht haben auch viele Synodenväter: Deshalb kommt die Botschaft bei den jungen Menschen nicht an. Es geht den jungen Menschen um den persönlichen Antrieb des Gegenübers, nicht um das absolut Richtige.
„Zuhören“ ist dem Papst unglaublich wichtig. Aber damit ich das kann, brauche ich eine offene Haltung. In der Synodenaula merkt man, dass bisher nicht aufeinander reagiert wird: Jeder hat sein Anliegen. Das macht es hart im Miteinander.
Kurzum: Der Geist ist am Werk, aber es gibt noch viel Verschlossenheit – leider auch in mir. Ich merke selbst, dass ich hier, auch wenn ich auf einer kirchlichen Veranstaltung bin, viel üben muss, in die Offenheit zu kommen. Nur dann kann ich wirklich zuhören und die „mociones“, wie Ignatius es nennt, wahrnehmen.
Im Sommer habe ich über sechs Wochen Exerzitienkurse gegeben. Einen nach dem anderen – das war im Vergleich doch ziemlich leicht. Der Stresstest geistlichen Lebens ist vielleicht nicht der Alltag, sondern eine kirchliche Versammlung!
Ihr
Clemens Blattert
(Vatican News)
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