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Mal vom Podium aus gesehen: Das Pressebriefing im Vatikan Mal vom Podium aus gesehen: Das Pressebriefing im Vatikan 

Afrikanischer Kardinal: „Für viele Jugendliche geht es erstmal ums Überleben“

Ein Lob für die großzügige Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland kommt aus den Reihen der Synodenväter: Der Kardinal von Addis Abeba, Berhaneyesus Demerew Souraphiel, nutzte das tägliche Synodenbriefing im Pressesaal aber auch, um darauf aufmerksam zu machen, dass die Weltöffentlichkeit in den Medien in der Regel nur einen Bruchteil der Migranten zu Gesicht bekomme.

Christine Seuss - Vatikanstadt

Rund achtzig Prozent der jungen Migranten, so Souraphiel, blieben auf afrikanischem Boden. Hauptgrund für die Migrationsbewegungen seien Armut, Korruption und Konflikte, erläuterte der Vorsitzende der äthiopischen Bischofskonferenz. Auch der Waffenhandel, der oftmals von Europa aus betrieben werde, fördere Konflikte und Vertreibungen, betonte er. „Das ist die große Tragödie der Jugendmigration und der jungen Flüchtlinge in Afrika. Früher, wenn ein Migrant oder Flüchtling in Afrika an eine Tür klopfte, wurde er gut aufgenommen, ihm wurde Wasser zum Trinken und Waschen gereicht und er konnte sich ausruhen. Heutzutage ist das anders. Moderne Migranten haben es nicht einfach.“

„Wo sind die christlichen Wurzeln von Europa geblieben?“

 

Auch ein armes Land wie Äthiopien beherberge mittlerweile fast eine Millionen Migranten, so der Metropolit der Hauptstadt. Nur Uganda habe derzeit mehr Flüchtlinge aus Eritrea, Südsudan und Somalia. „Es ist traurig, wenn man hört, dass einige Länder die Grenzen für Hilfesuchende geschlossen haben, die vor Krieg und Konflikt nach Europa geflohen sind. Und Sie befragen sich ja gerade selbst: wo sind die christlichen Wurzeln von Europa geblieben? Basiert Europa nicht eigentlich auf christlichen Werten? Auch das wurde in der Synodenaula besprochen.“

„Deutschland hat viele Menschen aufgenommen, um ein Beispiel zu nennen, aber andere haben die Grenzen zugemacht“

Es sei eine christliche Verpflichtung, den Fremden und Hilfesuchenden aufzunehmen, betonte der Kardinal weiter. Zwar wisse man, dass nicht alle, die kämen, tatsächlich vor Gewalt und Konflikten in ihrem Land flöhen. „Aber der Großteil von ihnen schon! Wenn man eine Großmutter sieht, die all ihre Habe in eine Plastiktüte gesteckt hat und mit ihren Enkeln an der Hand einen Platz zum Bleiben sucht, dann ist das eine Gewissensfrage. Wir glauben, dass das Gewissen nach den Prinzipien des Evangeliums geformt wird. Europa hat viele Flüchtlinge aufgenommen. Deutschland hat viele Menschen aufgenommen, um ein Beispiel zu nennen, aber andere haben die Grenzen zugemacht. Warum? Darauf müssen sie sich selbst antworten. Denn ich denke, es könnte auch andersherum sein, Europa könnte in Schwierigkeiten stecken und an eine Tür klopfen, um woanders hinzugehen, wie das in der Vergangenheit schon geschehen ist.“

„Die Frage des Umgangs mit Migranten ist eine Gewissensfrage“

 

Die Frage nach den christlichen Wurzeln Europas sei nicht von ihm erfunden worden, die habe auch Johannes Paul II. schon gestellt, erinnerte der Kardinal. „Das ist eine tiefe Frage, die jedes christliche Gewissen betrifft. Und ich hoffe, es wird eine Antwort gegeben werden. Manchmal, wenn es große Katastrophen in der Welt gibt, Erdbeben oder Fluten, dann wissen wir, dass Europa immer großzügig hilft, aber was die Frage des Umgangs mit Migranten betrifft, die ist an jeden Menschen gerichtet, der von sich sagt, er sei Christ.“

Ein weiteres Schlagwort, so der Erzbischof von Addis Abeba, sei in diesem Zusammenhang die „ideologische Kolonialisierung“, die auch der Papst oftmals anprangere. Finanzielle Mittel und die Schaffung von Arbeitsplätzen durch westliche Industrieunternehmen würden von Anpassung und Selbstverleugnung der Hilfsempfänger abhängig gemacht, teils würden ganze Dörfer zwangsumgesiedelt, um Bodenschätze ungestört abbauen zu können. „Und das ist ein Fakt heutzutage. Die katholische Kirche ist Zeuge, steht den Vertriebenen bei und wir haben gesehen, dass viele von ihnen Opfer von Menschenhändlern werden.“

 

„Mehr als 40 MIllionen Sklaven weltweit“

Er sei auch tief berührt von dem Wortbeitrag des Erzbischofs von Westminster gewesen, fuhr er fort. Kardinal Nichols hatte darauf hingewiesen, dass es heutzutage mehr als 40 Millionen Sklaven gebe – die meisten von ihnen im Kinder- und Jugendalter. „40 Millionen Sklaven, und das in unserer heutigen Zeit. Und das ist ein Teil des Menschenhändlernetzwerkes weltweit, das ein großes Geschäft darstellt. Was können wir dagegen tun, und was kann die Kirche weltweit dagegen tun? Auch das wurde diskutiert und ging besonders unseren jungen Teilnehmern sehr zu Herzen, die um diese Probleme wissen.“

„In einigen Gegenden geht es für die Jugendlichen erst einmal ums Überleben“

Die Synode gehe nun weiter, so das Fazit des Kardinals, und er hoffe darauf, dass deren Ergebnisse die Jugendlichen auf der ganzen Welt erreichen würden – auch und vor allem die Jugendlichen, die keinerlei Mittel besäßen, um überhaupt zu hören, was die Kirche für sie zu sagen versuche. „Denn in einigen Gegenden, lassen Sie mich das mal ehrlich formulieren, geht es für die jungen Menschen zunächst ums Überleben, bevor man über andere Dinge wie Internetzugang und weitere moderne technische Fragestellungen sprechen kann.“

(vatican news)

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18. Oktober 2018, 16:09