Synodenblog: Tag 16
Liebe Leserinnen und Leser,
das Fundament für den Erfolg dieser Synode sind gelingende Gespräche. Aber welche Komponenten zeichnen ein gelingendes Gespräch bei so einer großen Veranstaltung aus, und wie sieht es hier im Vatikan tatsächlich aus? Wichtig ist zuerst einmal die Bereitschaft zum Zuhören, also die Offenheit den anderen und seine Position wahrzunehmen. Zum guten Zuhören gehört ebenfalls, dass ich innerlich Raum habe und nicht wie ein gefülltes Glas randvoll mit Sorgen, Problemen, Gedanken, Anliegen bin. Wenn ich innerlich keinen Raum habe, kann ich das Gesagte des anderen nicht aufnehmen, geschweige denn hören oder verstehen.
Auch die Moderation spielt hier eine große Rolle. Man könnte sicherlich noch einiges verbessern und dazulernen. Beispielsweise wurden die Moderatoren ohne große Einführung bestimmt. So dachten manche fast bis zum Schluss, es gehe darum, den Text des Arbeitsdokuments zu kommentieren und zu ergänzen. Es geht aber darum, dass ein ganz neuer Text entsteht. Man hätte sicherlich von Zeltlagern lernen können, dort trifft sich ja auch jeden Abend die Leiterrunde und bespricht den Tag. Das hätte das konstruktive Gespräch sicherlich gefördert.
Bei dieser Synode wurde für mich ein weiterer Punkt für ein gelingendes Gespräch sehr deutlich: die Sitzordnung. Das Äußere prägt das Innere. Sitzt man mit einer Gruppe an einem langgezogenen Tisch hat, man meist nur die Chance mit den direkten Nachbarn zu sprechen. Aber ein Gespräch innerhalb der gesamten Gruppe kommt kaum zustande. Es scheitert ja schon an der Wahrnehmung aller. In unserer Jesuitenkommunität in Frankfurt haben wir sechseckige Tische, vor einigen Jahrzehnten selbst geschreinert. Solche Tische oder runde Tische finde ich persönlich am hilfreichsten für ein funktionierendes Gespräch. Man kann jeden sehen und ein Austausch kann leicht entstehen.
Die Synodenaula haben Sie sicherlich schon auf Fotos gesehen. Sie ist wie ein Amphitheater aufgebaut. Das Zentrum ist eindeutig der Platz, auf dem der Papst sitzt. Alles ist auf ihn hin ausgerichtet, gefühlt trifft das auch für jeden einzelnen Wortbeitrag zu. Ganz skurril wurde es meinem Empfinden nach an den Tagen, an denen der Papst überhaupt nicht in der Aula war. Die Redebeiträge waren dann sozusagen für den leeren Stuhl bestimmt.
In den ganzen drei Wochen kam in der Großgruppe kein Gespräch miteinander auf, kein Reagieren aufeinander zustande. Das war schon seltsam, weil es ja eigentlich darum gehen sollte, ein Thema zu diskutieren. Sicher, in den Kleingruppen wurde viel miteinander geredet und ausgiebig aufeinander reagiert. In der Synodenaula jedoch blieb viel Potential auf der Strecke liegen. Selbstverständlich hat das auch mit der hierarchischen Organisation der Kirche zu tun, aber synodale Kirche soll doch cum Petro et sub Petro sein, also mit Petrus und unter ihm. Es bräuchte daher eine Sitzordnung, die beides ermöglicht: den klaren Vorsitz des Papstes, aber auch das Miteinander der Gesprächspartner.
2016 hatten wir Jesuiten eine Generalkongregation in Rom. 220 Delegierte aus der ganzen Welt trafen sich, um über die Lage des Ordens zu sprechen, einen neuen Oberen zu wählen und Impulse für die weitere Arbeit zu geben. Die Aula in unserer Curia wurde für dieses Treffen umgebaut. Sie ist wie eine Ellipse angelegt, es kommt ein Gemeinschaftsgefühl auf, weil sich alle Teilnehmer sehen können und dennoch das Präsidium für alle sichtbar ist. Natürlich ist ein Orden durch die gemeinsame Spiritualität homogener als die Weltkirche (vielleicht würden mir hier einige Jesuiten nicht zustimmen), aber mir schien, dass damals allein durch die Anordnung der Sitzplätze mehr Kommunikation miteinander möglich war.
Gestern war ich mit zwei anderen Experten Abendessen. An dem kleinen Tisch, an dem wir saßen, konnten wir ganz wunderbar miteinander sprechen, auch über die Kommunikation auf der Synode. Da beide schon erfahrene Vaticanisti sind, erzählten sie unter anderem auch darüber, dass viele Bischöfe 2015 zum 50jährigen Jubiläum der Synode nicht begeistert waren, dass der Papst zu einer synodalen Kirche aufgerufen hat.
Und da sind wir wieder bei dem Punkt, von dem ich glaube, dass in ihm die große Frucht dieser Synode liegt. Die Leitung der Kirche wurde vom Papst auf einen Lernweg geschickt, um zu klären, was es bedeutet, eine synodale Kirche zu sein und einen gelingenden Dialog zu führen. Und das ist die eigentliche Reform.
Viele werden sehr enttäuscht sein von den Ergebnissen im Blick auf die Jugend. Heute hörten wir die Berichte aus den 14 Sprachgruppen zu dem ganzen Themenkomplex „Auswählen“. Eigentlich sollte es hier konkret werden. Mein Sitznachbar, ein Benediktiner, sagte: „Sie streuen nur schöne Blumen.“ Der deutsche Sprachzirkel wurde in Hinblick auf eine Art Selbstverpflichtung der Bischöfe am konkretesten. Aber der ganze Bereich Berufungspastoral – also junge Menschen in Entscheidungssituationen begleiten, junge Menschen ermutigen nach ihrer Einmaligkeit zu suchen, Ihnen zu helfen die inneren und äußeren Stimmen zu unterscheiden – kam am Ende so gut wie gar nicht vor. Trotzdem bin ich sehr zuversichtlich, dass der Umkehrprozess eingesetzt hat. Die Bischöfe spüren, dass er notwendig und auch hilfreich ist. Und wer weiß, vielleicht kommt ja auch bald noch ein Umbau der Synodenaula.
Übrigens noch etwas Persönliches, diesmal aus meiner Zeit in der Studentengemeinde in Leipzig. Zu Beginn meiner Zeit haben wir nach der Messe an großen Tischen gemeinsam zu Mittag gegessen. Aber allein die Form der Tische führte dazu, dass Personen oft alleine saßen oder nicht wirklich in Gespräch kamen. Da kam uns die Idee, es einfach mal mit Biertischen zu probieren. Was war das Ergebnis? Die Stimmung bei den Mittagessen war direkt so viel besser, niemand musste mehr alleine sitzen. Vielleicht können auch Sie das ja mal in Ihrer Pfarrei ausprobieren. So ein Beisammensein lässt wirkliche Gemeinschaft entstehen.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag und viel Freude am Tisch des Herrn.
Clemens Blattert SJ
(vatican news)
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