Synode: Für eine Seelsorge, die den Menschen sieht
Bei einer Begegnung mit den Priestern seiner Diözese letztes Jahr im Vatikan habe Papst Franziskus ihnen lange zugehört und dann einen Rat erteilt, erzählte der Weihbischof: „Er bat uns, die Menschen nicht als Adjektive zu betrachten, sondern als Substantive. Sie also nicht qualifizieren, sondern als Menschen zu sehen, in einer persönlich-pastoralen Beziehung. Wir sollen die Leute nicht als „geschieden“ oder „wiederverheiratet“ oder als „homosexuell“ oder „heterosexuell“ betrachten, sondern als Personen. Wie heißt du? Emmanuel. Du bist Emmanuel. Und in den Augen von Jesus bist du Emmanuel. Wir müssen dazu in der Lage sein, unser pastorales Modell zu ändern. Wir sind nicht mehr dabei, zu einer Menge zu sprechen, die uns zuhört. Wir treten ein in ein neues Pastoralmodell, das Modell der interpersonellen Beziehung mit den Leuten. Und auch ich gehöre zu den Leuten, die Bedarf daran haben, von Jesus gerettet zu werden.“
Jeder einzelne Mensch sei zum Glück gerufen, zur Heiligkeit, zum Leben mit Jesus, so der Weihbischof weiter. Die Heiligkeit kommt nicht von mir und nicht von Ihnen, sie kommt von Gott selbst, in dieser Relation selbst und alle müssen dazu eingeladen werden, in diese Beziehung einzutreten. Wer bin ich, um jemanden auszuschließen von der Beziehung mit Jesus?“
Jeder Getaufte in der Kirche sei im Dienst dieser Beziehung mit Jesus, so Gobilliard. „Das Modell, auf das wir zugehen, ist das Modell der vorbehaltlosen Aufnahme aller. Und wir sind Vermittler für die Beziehung mit Jesus.“
Wichtig sei hier die Frage der Identität oder vielmehr der Identitäten eines jeden Menschen. „Ich selbst bin durchzogen von multiplen Identitäten“, sagte der Weihbischof. „Ich bin ein Künstler, Musiker, ich bin ein Bischof, ich bin ein männlicher Franzose, aber als Person bin ich von all diesen Identitäten durchzogen. Ich bin ein komplexes Wesen. Und ich will aufgenommen werden so, wie ich bin. Ohne dass man mich stoppt und mich reduziert auf eine dieser Identitäten. Der Herr schaut nicht auf unsere kleinen Identitäten, er schaut auf unsere Person, er sieht uns als Person, die es zu lieben gilt, zu retten gilt, und zu diesen Personen gehören wir alle, wir gehören nicht in die eine oder in die andere Kategorie.“
Missbrauchs-Aufklärer Scicluna: „Die Langsamkeit der Gerechtigkeit schmerzt“
Den Journalisten stellte sich am Montag auch der Erzbischof von Malta, Charles Scicluna. Ihn befragten die anwesenden Pressevertreter vor allem über den Stellenwert des Themas Missbrauch bei der Synode; Scicluna ist ein anerkannter Fachmann bei der Aufarbeitung und Vorbeugung von Missbrauch in der Kirche.
„Mein Privileg ist es zu versuchen, die Kirche verstehen zu lassen, was die Wahrheit ist, und zweitens: Gerechtigkeit zu geben. Was mich schmerzt ist, dass manchmal die Gerechtigkeit sehr viel Zeit braucht. Das schmerzt auch Franziskus, wie ich weiß: die Langsamkeit unserer Gerechtigkeit.“
Scicluna ließ anklingen, es brauche mehr Mithilfe von Laien bei der Aufarbeitung von Missbrauch durch Kleriker; die Bischöfe allein hätten oft nicht die nötige Distanz.
„Ich lebe diese Erfahrung auch als Hirte meines Volkes in Malta. Ich bin Vater des Priesters, der sich vergangen hat, aber auch der Vater des Opfers. Das ist für den Bischof eine tragische Situation. Die Wahrheit zu suchen, ist wesentlich. Ich habe aber auch gelernt: in meinem Dienst an der Kirche brauche ich die Hilfe jener, die Fachleute sind. Ich kann mich nicht nur verlassen auf meine eigene Umsicht. Denn es gibt da eine spirituelle Emotion, eine Nähe, die mir nicht die nötige Distanz verschafft für ein unbeteiligtes Urteil. Es braucht eine Gruppe erfahrener Laien – bei uns im Bistum haben wir eine solche. Sie machen die Erhebungen, und sie geben mir Hinweise für mein Urteil. Das gibt mir mehr Gelassenheit, Hirte zu sein im Dienst der Wahrheit und der Unversehrtheit meines Volkes.“
(Vatican News – gs)
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