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Petersdom und Petersplatz Petersdom und Petersplatz 

Die Frauen, die am Petersdom mitbauten

Nicht nur Männer haben den Petersdom errichtet. Unter all den Maurern, Stuckateuren, Schlossern, Travertinlieferanten und Mosaiklegern, die ab 1506 die größte Kirche der Christenheit errichteten, waren Dutzende Frauen. Das belegt ein neues Buch, dessen Autorinnen sich durch jahrhundertalte Dokumente im vatikanischen Archiv der Bauhütte wühlten.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Da waren die drei Schwestern Palombi, die vom Vater die Schlosserei-Werkstatt geerbt hatten. Da waren die nicht wenigen Mosaiksteinsammlerinnen und die Docht-Herstellerinnen für die Beleuchtung des Petersdoms. Da waren die Druckerei-Unternehmerin Paola Blado, die Glasermeisterin Giovanna Jafrate, die Kunsttischlerin Lucia Barbarossa, die Lapislazuli-Fachfrau Francesca Bresciani.

Angesichts zehntausender Kräfte, die die Petersdombaustelle seit 1506 bevölkerten, war die Präsenz dieser und anderer Frauen eher „ein kleines Phänomen”, räumt Assunta Di Sante ein; sie zeichnet zusammen mit ihrer Vorgesetzten Simona Turriziani, der Leiterin des Bauhüttenarchivs, für den Band verantwortlich. Bemerkenswert ist freilich eines: Die Beschäftigung von Frauen beim Bau des Petersdoms hatte System.

Hier zum Hören:

„Sie war eine Konstante im Fall, wenn ein Arbeiter auf der Baustelle tödlich verunglückte. Dann übertrug die Bauhütte die Arbeit auf die Söhne, wenn sie volljährig waren - oder an die Ehefrau oder auch an die Töchter. Deshalb haben wir also überwiegend die Präsenz von Waisen oder Witwen von Arbeitern der Bauhütte von Sankt Peter. Das erlaubte der Frau, die Familie zu ernähren und den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder zu bestreiten.“

120 Jahre war der Petersdom im Bau, bis er – damals noch unvollständig – am 18. November 1626 eingeweiht wurde. Die größte Baustelle der Welt setzte Maßstäbe, sie war echte Avantgarde: in der Architektur, in der Organisation und eben auch im sozialen Umgang mit den Arbeitern und ihren Familien, erklärt Assunta di Sante.

„Das Sozialsystem hier nahm einige Formen von Versicherungen vorweg, wie sie dann erst die Aufklärung kannte. Pensionen, Gesundheitsvorsorge und Fortbildung für die Mitarbeiter, alles Dinge, die es bis heute gibt, die kannte die Bauhütte teils schon im 16. Jahrhundert.“

Welche Tätigkeiten die Frauen ausübten, um den Petersdom mit zu erschaffen, erfuhr über die Jahrhunderte auch eine Fortentwicklung.

„Im 16. Jahrhundert finden wir vor allem Frauen in Schwerarbeit. Da wird die Basilika gebaut, das Material muss herangeschafft werden. Aus dieser Zeit haben wir viele Frauen gefunden, die als Fuhrleute arbeiten, die also von den Steinbrüchen oder vom Tiberhafen das schwere Material herbeischaffen“, erklärt die Archivarin. „Da stelle ich mir körperlich starke Frauen vor, welche, die sowohl mit den Lasttieren umgehen konnten als auch mit Gewichten.“

Die Sammlerinnen alter Mosaiksteine

Zugleich kamen die Mosaiksteinsammlerinnen zum Zug, auch sie versahen eine körperlich anstrengende Arbeit. Als der alte Petersdom demoliert wurde, rettete die Bauhütte die Mosaiksteine aus den alten Kunstwerken in die neue Basilika, wo Künstler sie zu neuen Werken zusammensetzen. Antikenrecycling, eine ganz und gar geläufige Praxis.

„Und da wurde ein Arbeitstrupp von Frauen organisiert, nicht Witwen in diesem Fall, sondern Ehefrauen und Töchter der Sanpietrini, um aus diesem Schutt die alten Mosaiksteine herauszuklauben. Die mussten dann katalogisiert und nach Farben sortiert werden, damit man sie wiederverwenden konnte.“

Die Druckerei-Besitzerin

Zur gleichen Zeit wie diese Schwerarbeiterinnen wirkte im 16. Jahrhundert auch die Druckerei-Besitzerin Paola Blado im Umkreis der Bauhütte. Eine Unternehmerin, die wir uns als Intellektuelle vorstellen können. Simona Turriziani:

„Ihre Druckerei war am Campo de Fiori ansässig, in der Gegend kamen schon im ausgehenden 15. Jahrhundert die Drucker aus Nordeuropa an, die diese neue Technologie in Rom verbreiteten. Rund um den Campo de Fiori hatten verschiedene Drucker ihre Werkstätten, und die der Familie Blado gehörte dazu. Antonio Blado beschäftigte auch bekannte Leute, anscheinend sogar Michelangelo. Und Paola Blado übernimmt von ihrem Ehemann diese Aktivität, als er stirbt. Sie ist es, die dann im Auftrag von Päpsten und Kardinälen die großformatigen Bücher druckt, die in Rom im 16. Jahrhundert entstehen.“

„Im Fall der Paola Blado kommt hinzu, dass die Bauhütte sich schon vorher nicht etwa an sie wendet, weil sie die Witwe und mithin Erbin des Ehemanns ist. Nein, sie ist Teilhaberin ihres Mannes. Und die Bauhütte wendet sich an sie, nicht an ihren Ehemann, für Aufträge. Wir haben im Archiv ihre Unterschriften unter Verträgen, die die Bauhütte mit der Druckerei abschloss.“

Eine Unternehmerin also, die das Können der Handwerker, für die sie Verantwortung trug, in den Dienst des Vatikans stellte. Dieses Modell taucht später mehrfach und in Variationen auf, wie Simona Turriziani und Assunta Di Sante herausgefunden haben. So bei der Glasermeisterin Giovanna Jafrate, die von 1704 bis 1737 für die Bauhütte wirkte.

Die Glasermeisterin und die Schlosserinnen

„Giovanna Jafrate war zuständig für die Erhaltung der Gläser und Fenster in der Basilika. Sie positionierte sie nicht selber, sondern sie koordinierte die Sanpietrini, die Bauhütten-Angestellten, die dort oben in den Höhen der Basilika die Glasscheiben anbrachten.“

Auch Schlosserinnen trugen ihr Scherflein dazu bei, dass der Petersdom der ist, den wir heute kennen. Genauer gesagt: Managerinnen ihres Familienunternehmens. Wir schreiben das Jahr 1800.

„Die drei Schwestern Palombi hatten vom Vater die Aktivität des Schlossers geerbt. Eine typisch männliche Arbeit. Sie konnten sie nicht selber machen, aber die Bauhütte sagte: wenn ihr es schafft, Männer zu engagieren, die das an eurer Stelle machen können, dann gewinnt ihr die Ausschreibung. Und so machten sie es dann für 30 Jahre.“

Was die Qualität der Arbeit anlangte, trug der Vatikan als Bauherr übrigens keine rosa Brille.

„Wie wir in den Dokumenten lesen, verlangte die Bauhütte, dass die Arbeit nach den üblichen Standards auszuführen sei. Den Frauen wurde also genau wie den Männern gute Arbeit abverlangt, egal wer sie ausführte.“

Die Kunsttischlerin

Gute, ja herausragende Arbeit lieferte namentlich die Künstlerin Francesca Bresciani. Sie legte Hand ans Allerheiligste – das durfte sie als Frau wohl nur deshalb, weil sie die unbestritten Beste ihres Faches war. Francesca Bresciani gestaltete im Auftrag des großen Gianlorenzo Bernini die Lapislazuli-Teile des Tabernakels im Petersdom im 17. Jahrhundert, eine Geschichte, der wir gesondert nachgehen werden.

Rund 100 Jahre später stand Lucia Barbarossa im Auftrag der Bauhütte. Die Römerin verstand sich vortrefflich auf den Umgang mit Holz-Einlegearbeiten.

„Lucia Barbarossa wird Witwe nach drei Jahren Ehe, als sie schwanger ist und schon eine dreijährige Tochter hat. Sie erbt die Werkstatt. Und sieschreibt sofort an die Bauhütte, damit sie die Arbeit des Mannes fortsetzen kann. In Wirklichkeit weiß man nicht, ob sie wirklich selber die Holzeinlegearbeiten machte, oder ob sie dafür Künstler beschäftigte. Sie unterschreibt immer mit: Lucia Barbarossa, intagliatora di legno – also: Intarsien-Tischlerin.“

Holz ist leider ein vergänglicher Baustoff: von Lucia Barbarossa aus dem 18. Jahrhundert ist keine einzige Arbeit auf uns gekommen. Wir wissen aber, was sie gestaltete: etwa ein monumentales Holzkreuz für das zutiefst römische Heiligenfest Petrus und Paulus 1752, auf dem am Eingang der Petersbasilika hunderte Kerzen leuchteten; oder das Holzmodell des Throns der berühmten Sitzstatue des Heiligen Petrus.

Die Ziegelbrennerin, im Nebenberuf Malerin

Im 19. Jahrhundert ragt der Name Vittoria Pericoli heraus. In den vatikanischen Archivdokumenten scheint sie als Ziegelbrennerin auf. Vittoria Pericoli lieferte die Grundmaterialien für die Herstellung von Mosaiksteinen – für jene berühmten Rund-Mosaike nämlich, die in der Basilika Sankt Paul vor den Mauern sämtliche Päpste seit Petrus abbilden. Die alte Basilika brannte 1823 vollständig nieder. Die berühmte Galerie der Papst-Mosaiken war eines der ersten Kunstwerke, über deren Neuschaffung man sich an der Bauhütte Gedanken machte.

„Vittoria Pericoli wird 1847 engagiert als Lieferantin für diese Mosaike – die Papstmedaillons. Sie lieferte vor allem das Gold.“

Die Firma hatte Vittoria von ihrem Vater Silvestro geerbt. Im Nebenberuf war die Unternehmerin allerdings Künstlerin. Sie zählt amtlich zu den Malerinnen Roms. „Vittoria war Schülerin von Theresa Mengs, der Schwester des berühmteren Malers Anton Raphael Mengs", so Assunta Di Sante. „Theresa Mengs führte in Rom eine Schule für junge Malerinnen. Sie sagte ausdrücklich, wenn diese Mädchen unverheiratet bleiben, dann haben sie einen Beruf gelernt, mit dem sie sich ernähren können. Unter den besten Schülerinnen nennt die deutsche Malerin Vittoria Pericoli. Sie beschreibt sie als Mädchen voller Geist und Mut. Vittoria arbeitet zwar für die Bauhütte nur als Lieferantin, nicht als Künstlerin, aber sie gibt ihre künstlerische Tätigkeit nie auf. Denn die römischen Almanache führen sie zur gleichen Zeit als Malerin. Ihr Atelier hat sie ganz in der Nähe der Brennerei, die sie vom Vater geerbt hat, zu Füßen des Kapitols.“

Rund 50 Frauen bauten mit am Petersdom

Rund 50 Frauennamen sind es, auf die die beiden Archivarinnen des Petersdoms bei ihren Nachforschungen stießen, und sie entdecken immer noch neue, obwohl der Band „Le donne nel cantiere di San Pietro in Vaticano“ (Die Frauen auf der Baustelle von Sankt Peter im Vatikan) schon erschienen ist. Er beweist eines mit großer Eindringlichkeit: von Anfang an taten sich auf der Baustelle der größten Kirche der Welt nicht nur Arbeiter, Künstler und Unternehmer um, sondern eben auch Arbeiterinnen, Künstlerinnen und Unternehmerinnen. Die Baugeschichte des Petersdoms muss deshalb nicht neu geschrieben werden. Doch die weibliche Seite daran ist ein Mosaikstein im Gefüge des Ganzen, der dann doch überrascht.

Le donne nel cantiere di San Pietro in Vaticano. Artiste, artigiane e imprenditrici dal XVI al XIX secolo. A cura di Assunta Di Sante e Simona Turriziani. Il Formichiere di Foligno, 2017. 20 Euro.

(vatican news)

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14. Januar 2019, 13:43