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90 Jahre Lateranverträge, 90 Jahre Vatikanstaat

Der Vatikan begeht an diesem Montag Staatsfeiertag. Am 11. Februar 1929, vor 90 Jahren, wurden die sogenannten Lateranverträge unterzeichnet. Das Abkommen zwischen dem Königreich Italien und dem Heiligen Stuhl beendete nach fast sechs Jahrzehnten die Römische Frage, also den ungeklärten Status der Besitzungen der Päpste in Rom und Italien.

Gudrun Sailer und Eugenio Bonanata - Vatikanstadt

Bis 1870 war der Kirchenstaat unabhängig vom Königreich Italien, das 1861 entstanden war. Die Unterschrift unter die Lateranverträge setzten am 11. Februar 1929 der faschistische italienische Regierungschef Benito Mussolini einerseits und Kardinal Pietro Gasparri, Staatssekretär von Papst Pius XI. andererseits. Sie unterzeichneten das Abkommen im Lateranpalast, daher der Name.

Die Lateranverträge bestehen aus drei Teilen: einem Versöhnungsvertrag, genannt Laterantraktat, einem Konkordat über die Beziehungen zwischen dem italienischen Staat und der Kirche, sowie einem Finanzabkommen. Details dazu erklärt im Gespräch mit uns Giuseppe Dalla Torre, Jura-Professor und Präsident des Tribunals der Vatikanstadt.

Hier zum Hören:

„Der Versöhnungsvertrag wurde abgeschlossen, um die Römische Frage abschließend zu klären - mit der Einrichtung der Vatikanstadt und der Zuerkennung einiger Garantien für den Heiligen Stuhl, die ihm die freie Ausübung der Regierung der Weltkirche zusicherten. Das Konkordat hingegen hatte das Ziel, das Leben der katholischen Kirche in Italien zu regeln.“

Der Papst erkannte mit den Lateranverträgen die Stadt Rom als Sitz der italienischen Regierung an und verzichtete auf die Gebiete des alten Kirchenstaates. Überdies verpflichtete er sich dazu, in internationale Streitigkeiten, die Italien betreffen, nicht parteiisch einzugreifen, sondern höchstens als Schlichter. Im Gegenzug garantierte Italien die politische und territoriale Souveränität des Vatikans und entschädigte den Papst für die Enteignungen von 1870. Die italienische Regierung passte ihre Heiratsgesetzgebung an die der katholischen Kirche an. Der Katholizismus wurde in Italien als Staatsreligion anerkannt.

„Ein Streit, der Italien nach innen und außen politische schwächte, der die katholischen Gläubigen in Italien in Gewissenskonflikte brachte, denn sie waren emotional gespalten zwischen ihrer Treue für die Kirche und ihrer Treue für den Staat“

Die Lateranverträge, resümiert der Vatikan-Richter, haben also viel Neues gebracht. „Vor allem haben sie den Streit beendet, der zwischen Kirche und Staat seit 1870 herrschte. Ein Streit, der Italien nach innen und außen politisch schwächte, der die katholischen Gläubigen in Italien in Gewissenskonflikte brachte, denn sie waren emotional gespalten zwischen ihrer Treue für die Kirche und ihrer Treue für den Staat. Der Streit machte es natürlich auch dem Heiligen Stuhl und damit der Kirche schwer, sich Italien gegenüberzustellen. Deshalb waren die Lateranverträge ein wichtiger Schritt. Sie schufen die Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit, die sicherlich viel beitrug zur Entwicklung und dem internationalen Auftreten des Heiligen Stuhles, zum Leben der Kirche in Italien und auch zur Ermächtigung des italienischen Staates als Volk. Wir müssen uns ja klarmachen, dass ein Volk Bindungsfaktoren braucht, die es zusammenhalten. Von daher hat das große Engagement der katholischen Kirche in Italien einen unvergleichlichen Beitrag geleistet.“

Das italienische Parlament hatte das Abkommen damals mit überwältigender Mehrheit angenommen. Verzeichnet wurden nur zwei Gegenstimmen in der Kammer, die sich ausschließlich aus faschistischen Abgeordneten zusammensetzte, sowie sechs Gegenstimmen im Senat. Das zeigt das hohe Interesse, das Italien an der Übereinkunft mit der Kirche hatte: Seit der Machtübernahme durch die Faschisten 1922 sah sich das Land international isoliert.

Lateranverträge überdauerten Faschismus, Krieg und Staatsgründung

Der Lateranpakt überdauerte den Fall des Faschismus, den Zweiten Weltkrieg und die Entstehung der Italienischen Republik. Italien nahm einen Verweis auf die Lateranverträge in seine Verfassung von 1948 auf. Dort heißt es in Artikel 7: „Der Staat und die katholische Kirche sind jeweils in ihrer eigenen Ordnung unabhängig und souverän. Ihre Beziehungen werden durch die Lateranverträge geregelt.“

1984 kam es zu einer Überarbeitung des Konkordats, unterzeichnet von Ministerpräsident Bettino Craxi und Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli. In der Neufassung wurde die Klausel abgeschafft, die den Katholizismus zur italienischen Staatsreligion erklärt. Eingeführt wurde die Finanzierung des Klerus über den sogenannten „otto per mille“, 8x1000, eine Art Kirchensteuer.

„Das Konkordat wurde modernisiert und den Erfordernissen der neuen italienischen Gesellschaft angepasst”, fasst Giuseppe dalla Torre zusammen. „Es war so näher am Kontext der neuen Verfassung, aber auch näher an den Prinzipien des II. Vatikanischen Konzils in der Frage der Religionsfreiheit und der Beziehungen zwischen Kirche und politischer Gemeinschaft. Der Versöhnungsvertrag zwischen Italien und dem Heiligen Stuhl hingegen blieb in der Substanz unverändert, aber man kann nicht sagen, dass er nur die Frage der Vergangenheit abgeschlossen hat: er ist immer noch ein wichtiges Betriebsinstrument des Heiligen Stuhls auf internationaler Ebene.“

(vatican news)

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11. Februar 2019, 11:10