Heilige Stiege in Rom: Pilgerstrom reißt nicht ab
Renardo Schlegelmilch - Vatikanstadt
28 Stufen sind es, die hinauf führen zur Kapelle „Sancta Sanctorum“, die Heiligste der Heiligsten, die direkt gegenüber der Lateranbasilika im Mittelalter Haus- und Hofkapelle der Päpste war. Die Treppe, die dort hinaufführt, ist den Pilgern so heilig, dass sie jede der 28 Stufen nur kniend und betend betreten – und das schon seit Jahrhunderten. Diese Tradition hat aber nichts mit der Kapelle oder den Päpsten zu tun, sondern mit der Treppe an sich. Die „Scala Sancta“ stammt nämlich aus Jerusalem, an ihr soll Jesu die ersten Schritte auf seinem Kreuzweg gegangen sein.
Der Überlieferung zufolge waren diese Marmorstufen der Aufstieg zum Palast des römischen Stadthalters von Jerusalem, also von Pontius Pilatus. Das Evangelium sagt, dass Jesus diese Stufen hinaufgeschritten ist, oben im Palast verhöhnt wurde und die Dornenkrone aufgesetzt bekam.
Seit dem 4. Jahrhundert
Um diesen Leidensweg nachzugehen, pilgern die Christen von jeher nicht nur nach Jerusalem, sondern auch zur „Heiligen Stiege“ in Rom. Schon seit dem 4. Jahrhundert befindet sich die Treppe in der Ewigen Stadt. Kaiserin Helena, die Mutter Konstantins des Großen, soll im Jahr 325 nach Jerusalem gereist sein, wo sie Reliquien aus den Lebzeiten Christi suchte. Unter einem neugebauten heidnischen Tempel fand sie auch die Überreste des alten Pilatus-Palastes. Sie ließ unter anderem die Marmortreppe ausbauen und nach Italien, in die Hauptstadt des römischen Reiches bringen.
Dass diese 28 Stufen den Pilgern schon immer von großer Bedeutung waren, ist dem ehrwürdigen Marmor deutlich anzusehen. Bis zu 15 cm tief sind die Stufen in der Mitte abgewetzt. Über Jahrhunderte haben Knie nach Knie diese Stufen glattgeschliffen. So sehr, dass die Päpste aus Sorge um den Erhalt im 18. Jahrhundert eine Verkleidung aus Walnussholz anbringen ließen, die die Stufen verdeckte. Die Pilger kamen immer noch, aber bewegten sich von nun an auf den Holzbohlen kniend nach oben.
In diesem Jahr ist das erste Mal seit knapp 300 Jahren die „Scala Sancta“ für die Pilger auch ohne diese Holzverkleidung zu sehen. Verantwortlich dafür sind die Restauratoren der Vatikanischen Museen, die seit 2012 mit der Erneuerung des Heiligtums betraut sind. Bei denen gab es großes Staunen, als sie die Holzbohlen entfernten. Auf drei Stufen, der zweiten, elften und 28., sind kleine Kreuze in den Marmor eingelassen, daneben dunkle Stellen im Gestein. Hier soll das Blut Jesu Christi auf seinem Leidensweg auf die Treppe getropft sein. Schon im Mittelalter schützte ein Gitter diese Stellen vor ungezählten Pilgerknien.
Wieder unverhüllt möglich
Ihr Anblick ist in der ganzen Osterzeit wieder unverhüllt möglich. Während der Restaurierungsarbeiten steht die Stiege im Originalzustand den Pilgern zur Verfügung, erst zu Pfingsten kommt die Holzverkleidung zurück. Besonders in der Fastenzeit ist dieser Pilgergang von Bedeutung: am Karfreitag ist das Erklimmen der Heiligen Stiege mit einem vollkommenen Ablass für den Pilger verbunden.
Wer als Rom-Pilger in diesen Tagen allerdings Besinnung und Spiritualität auf den Heiligen Stufen erwartet, der wird es schwer haben. Zur Eröffnung standen die Pilger teils Stunden an, um die Stiege zu erklimmen. Besonders jetzt in der Karwoche reißt der Pilgerstrom nicht ab, und man teilt sich das Erlebnis mit hunderten Menschen aus aller Welt. Unter all den Touristen ist Besinnlichkeit für manch einen nur schwer zu finden.
Wer aber die Stiege mit ihren beeindruckenden mittelalterlichen Fresken nur als Tourist besuchen will, hat aber noch eine andere Möglichkeit. Rechts und links neben der „Scala Sancta“ befinden sich Nachbildungen der Treppe aus dem Mittelalter, die ebenso zur Kapelle Sancta Sanctorum hinauf führen. Diese kann man auch normalen Schrittes erklimmen.
(vatican news)
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