Amazonas-Synode: „Es geht gar nicht gegen den Zölibat“
Viktoria Michelt und Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Bei einem Besuch in der Redaktion von Radio Vatikan sagte Sayer, der eng in die Vorbereitungen der Synode eingebunden ist: „Es geht hier gar nicht gegen den Zölibat oder den zölibatären Priester, das steht nicht zur Frage. Sondern dass der zölibatäre Priester tatsächlich in die Lage versetzt wird, seinen Auftrag zu erfüllen – nämlich seine Kirche zu bauen, ausgehend von den Sakramenten.“
In vielen katholischen Gemeinden der Amazonas-Region komme ein Priester nur selten vorbei, so Sayer. „Dabei wissen wir: Theologisch gesehen ist die Eucharistie konstitutiv für das Beisammensein, das Kirche-Sein. Und wenn wir solche Erfahrungen machen, dass Priester nur alle zwei bis drei Jahre kommen: Was heißt denn dann noch Eucharistie für die Gemeinde?“
„Und die Eucharistie ist einfach weg. Das kann es nicht sein!“
Es sei eine „institutionelle Sünde“, wenn die Kirche es nicht schaffe, „die Voraussetzungen für die Eucharistie, die Sündenvergebung, aber auch die Krankensalbung zu schaffen“. Im Amazonasgebiet lebten die Menschen in einer äußerst schwierigen Lage. „Und die Eucharistie ist einfach weg. Das kann es nicht sein!“
Sayer wörtlich: „Dieses Problem können wir nicht ausklammern. Hier geht es um die Frage der Existenz der Kirche! Wenn im Amazonasgebiet mehr als die Hälfte der Gemeinden von den Evangelikalen besetzt ist, dann können wir das nicht hinnehmen. Es erfolgt meines Erachtens eine Protestantisierung der katholischen Kirche.“
Das sei die Ausgangslage, die jetzt zum Nachdenken über neue Formen der Seelsorge führe. „Wie kann die Gemeinde in die Lage versetzt werden, dass sie eine Eucharistie hat und Sakramente feiern kann?“ Sayer, der in den achtziger Jahren als Pfarrer in einem Slum von Lima (Peru) gearbeitet hat, skizziert im Gespräch mit uns auch eine Lösung: „Ein Modell ist es, Priester zu haben, die aus den Gemeinden kommen und die nicht herumreisen. Denn wenn ein Priester eine Gemeinde verlassen hat, dann hinterlässt er Presbyter. Und der zölibatäre Priester bringt diese Presbyter, die für die einzelnen Gemeinden zuständig sind, zusammen, schult sie und schaut, dass ein Band der Einheit da ist.“
Presbyter: Das wäre der Rückgriff auf ein Leitungsamt, das es in der frühen Kirche gegeben hat. Historisch gesehen steht es an den Anfängen des Priesteramtes, wie wir es heute kennen.
Umwelt- und Kirchenthemen sind nicht zu trennen
„Und eine solche Gemeinde, die so zusammengehalten wird, weiß sich auch zu verteidigen gegenüber Leuten, die Holz abschlagen oder Bergwerke aufmachen! Denn so sind die Gemeinden über die Presbyter und über die zölibatären Priester vernetzt. Der Priester hat die besondere Funktion, alles zusammenzubringen, und kann so sagen: Moment mal, hier gibt es eine Bedrohung für die Natur oder für die indigene Gruppe. Die Kirche setzt sich für die Menschen und ihre Belange ein, damit sie überleben können! Aber auch die ökologische Frage wird beachtet. Das ist der Hintergrund, vor dem wir denken – und diese Frage soll auch in der Synode behandelt werden.“
Papst Franziskus habe – vor allem in seiner Schöpfungsenzyklika Laudato si‘ von 2015 – klargemacht, dass das Umweltthema nicht zu trennen ist vom Thema der Kirche, betont Pater Sayer. Bei der Amazonas-Synode werde es um alle möglichen Facetten des Amazonas-Themas gehen: die kirchliche, die ökologische, die soziale, die menschenrechtliche. Dazu hat unlängst eine Konferenz in den USA stattgefunden, an der der umtriebige Geistliche vom Jahrgang 1941 teilgenommen hat.
Die Gegner: Trump und Bolsonaro
„Dabei sind wir ganz bewusst nach Washington gegangen, denn die Politik in den USA widersetzt sich Laudato si‘. Wir haben die Enzyklika dort vorgestellt und letztendlich gesagt: Der Fall Amazonien ist ein Beispiel, um ins Bewusstsein zu bringen, wie wichtig diese Enzyklika für das Fortbestehen der Menschen ist. Man kann ja nicht einfach die ganze Geschichte den jungen Menschen überlassen, dass die am Freitag demonstrieren! Die Politiker haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht!“
Donald Trump werden die Synoden-Planer wohl kaum als Verbündeten gewinnen können. Doch Sayer und seine kirchlichen Mitstreiter stießen in Washington doch bei vielen Politikern auf offene Ohren. „Da wurden wir nach der Bedeutung des Amazonas-Gebietes, den Herausforderungen und der Synode gefragt. Ich finde, gerade in den USA ist es schön zu sehen, wie viele Menschen sich einsetzen, dass die ganze ökologische Frage doch rezipiert wird. Da haben wir gemerkt: Es gibt viele Unterstützer, Städte und bunte Staaten, die sich gegen Trump stellen!“
Ein weiterer Gegner der Synoden-Anliegen ist aus Sayers Sicht Brasiliens neuer Präsident, der Rechtsnationalist Jair Bolsonaro. „Bolsonaro attackiert ganz stark die Synode, weil er ein ganz anderes Wirtschaftskonzept hat. Sein Wirtschaftskonzept ist ausgerichtet an einem liberalen Kapitalismus, bei dem es nicht darauf ankommt, die Fragen der Menschheit in der Politik mit zu bedenken. So zu arbeiten, dass die Zukunft mit in die Gegenwart einspielt, das ist nicht seine Sache. Das haben wir festgestellt – und deswegen sind wir und bin ich sehr stark engagiert!“
Kasper: Niemand stellt sakramentale Struktur der Kirche in Frage
Was bei der Konferenz in Washington noch ausgeklammert wurde, stand dann letzte Woche bei einer weiteren Tagung, diesmal in Rom, auf dem Programm: nämlich die theologischen Seiten des Themas Amazonasgebiet. Auch hier war Sayer dabei.
Der emeritierte deutsche Kurienkardinal Walter Kasper bestätigte, dass es hier „um die Zukunft einer bedrohten Ortskirche und deren Inkulturation“ gegangen sei. Die Teilnehmer hätten „angesichts der pastoralen Notsituation“ am Amazonas auch „über eine Dispens für die Weihe von verheirateten Männern als Möglichkeit“ nachgedacht. Doch das sei nur eine von vielen Fragen, die bei dem Bischofstreffen im Oktober in Rom behandelt würden, so Kasper. Niemand habe, wie teilweise behauptet werde, „die sakramentale Struktur der Kirche und der hierarchischen Leitung in Frage gestellt“.
(vatican news)
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