Sitting Bull: Historische Kuriositäten aus dem Vatikan
Wie zum Beispiel die, dass der Indianerhäuptling Sitting Bull mit einem päpstlichen Amulett um den Hals starb, und dass Papst Johannes Paul II. an die 100 Mal den Vatikan verließ, um in den Bergen zu wandern.
In unserem Interview mit Ulrich Nersinger fragten wir nach diesen und anderen Begebenheiten.
Sitting Bull und der Papst: Kurioses aus päpstlichen Gefilden von Ulrich Nersinger ist im Petra Kehl Verlag erschienen und kostet 13 Euro.
Vatican News: „Sitting Bull und der Papst: Kurioses aus päpstlichen Gefilden“, heißt das Buch, das Sie im Petra-Kehl-Verlag jetzt vorgelegt haben. Was war mit diesem Werk Ihr Anliegen?
Nersinger: Wenn man sich mit Rom, mit dem Vatikan, mit dem Papst beschäftigt, dann findet man immer Sachen, die einem sehr kurios erscheinen, die einen dann überraschen, die aber doch etwas mehr weitergeben als nur eine kleine Besonderheit. Sondern die dann doch so etwas das Leben im päpstlichen Rom erläutern und Manches auch verständlich machen.
Vatican News: Was haben Sie da jetzt konkret vor Augen?
Nersinger: Ja, wir haben ja ein großes Interesse z.B., was der der Papst trägt oder was er trug. Da ist es ganz interessant, in die Geschichte zu schauen. Da sieht man, das sind eigentlich schon Sachen, die Leute schon vor 100, 200 Jahren interessiert haben.
Es gab in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Kardinalstaatssekretär Antonelli, der unter Pius IX. wirkte und der trug besonders moderne Schuhe. Schon damals hat man das Augenmerk auf diese Schuhe gerichtet. Das war in Zeitungen ein Gesprächsthema. Das war sogar unter den Diplomaten ein Gesprächsthema.
Das sind so Sachen, die dann menschlich sind, aber mit denen man dann auch - und das finde ich eben interessant – und das ist auch für die heutige Zeit, glaube ich, sehr wichtig, mit denen man Leute dann doch so ein bisschen, ich will jetzt nicht unbedingt sagen „locken“, aber mit denen man Leute dann so ein bisschen für den Vatikan und die Kirche interessieren kann.
Vatican News: Die sympathischen Geschichten und Geschichtchen, die Sie vorstellen in Ihrem Buch, sind ja thematisch sehr breit gestreut. Leuchten Sie diesen breiten Rahmen mal aus. Schildern Sie.
Nersinger: Ja, wir haben eben schon gesprochen über die Äußerlichkeiten des Papstes und seiner Umgebung, dann über die sogenannten päpstlichen Vergnügungen, also auch ihre Hobbies, was sie aus ihrer Leidenschaft herausgemacht haben. Wir hatten ja Päpste, die gedichtet haben, so wie Leo XIII. oder wir hatten Päpste, die bevor sie das Petrusamt antraten, ganz berühmte Alchimisten und sogar Erstbesteigungen vorweisen konnten. Dann haben wir in der Umgebung des Heiligen Vaters Leute, die also doch durch ihren Beruf oder durch ihren Einsatz überraschen. Wir haben päpstliche Konsuln, da denkt man ja gar nicht dran. Wir kennen die Nuntien, wir kennen die Delegaten - aber Konsuln, da haben wir eigentlich noch nie was gehört. Oder die Ordnungshüter des Papstes, die also z.B. Geldwäsche im Visier haben.
Dann natürlich auch Leute, die dem Papst und Rom verbunden waren. Es ist also auch z.B. Franz Liszt, der eine ganz bestimmte Rolle in Rom gespielt hat. Oder wir haben bestimmtes Brauchtum, das geht z.B. in den musikalischen Bereich hinein. Weihnachtslieder, Italiens berühmtestes Weihnachtslied „Tu scendi dalle stelle“ ist z.B. sehr eng mit dem Papst verbunden. Wir haben Historisches. Warum ist z.B. der französische Präsident ein Ehrendomherr vom Lateran oder warum haben wir Afrika im Vatikan? Wir haben doch ein äthiopisches Kolleg. Also es gibt sehr sehr viele Bereiche, die man unter den Begriff „Kuriosität“ fassen könnte.
Vatican News: Im Kapitel über die Freizeitvergnügen der Päpste bringen Sie unter vielen anderen Dingen Licht in das Gerücht, dass Papst Johannes Paul II. damals ziemlich oft „inkognito“ den Vatikan verlassen haben soll, um in den Bergen aufzutanken. Wie ging das zu?
Nersinger: Das ist kein Gerücht, sondern das ist Realität. Wir haben sogar – ich glaube, es gibt sogar ein Buch eines päpstlichen Leibwächters – also von der italienischen Seite, der das genau berichtet hat, dass man den Papst, der ja ein großer Fan des Skisports war und der sich natürlich als erster ausländischer Papst etwas scher tat, im Vatikan „gefangen zu sein“. Dem wollte man wollte man doch so eine kleine Erleichterung geben, etwas Anderes vermitteln als nur die kleine Welt der Vatikanstadt. Man hat ihm dann in der Umgebung von Rom, in den Abruzzen, so kleine Ausflüge gemacht. Natürlich zunächst unter großer Geheimhaltung. Aber dann drang das doch so ein wenig nach draußen.
Vatican News: Diese Ausflüge sind dann von offizieller Seite im Nachhinein sogar bestätigt worden, nicht?
Nersinger: Ja, weil man natürlich auch gemerkt hat, dass Leute das verfolgt haben und dass es sogar Fotoreporter gab, die darauf angesetzt waren. Dann war es irgendwie auch zu spät, um das weiter unter Verschluss zu halten.
Vatican News: Auch der päpstliche Sekretär hat das bestätigt?
Nersinger. Soweit ich weiß, ja.
Vatican News: Der titelgebende kleine Aufsatz in Ihrem Buch „Sitting Bull und der Papst“ wirft ja ein Schlaglicht auf eine wirklich besondere Episode. Da gab es den Indianerhäuptling „Sitting Bull“ und der war zu Gast bei einer Audienz bei Papst Leo XIII. im Vatikan. Wie kam es denn dazu?
Nersinger: Ja, wir haben ja in den Jahren 1860-1870 den Kampf um den italienischen Einheitsstaat und dann hatten wir 1860 eine berühmte Schlacht bei Castelfidardo.
Da gab es auch Iren, die daran teilgenommen haben. Einer dieser Iren ist dann nach der Schlacht in die USA gegangen. Er hat sich für die amerikanische Armee verpflichtet Er bekam natürlich einen päpstlichen Orden, den er immer trug und er bekam eines dieser päpstlichen Geschenke. Das ist das „Agnus Dei“, das ist so ein Wachs-Medaillon, das trug man zum Schutz gegen Feindliches. Das trug der Offizier am Hals. Dieser Offizier kam dann in die berühmte Schlacht gegen „Sitting Bull“. Diese kleine Einheit, die mit den Indianern gekämpft hat, ist ja vollkommen massakriert worden, auch skalpiert worden. Interessanterweise hat man dann vor einem Leichnam etwas Respekt gehabt.
„Sitting Bull“ selbst hat diesen Offizier tot liegen gesehen und hat eben dieses Amulett und diesen Orden dann an sich genommen. So wurde dann auch berichtet, das scheint sehr glaubhaft zu sein, dass der betreffende Offizier nicht skalpiert wurde. Er hat diesen Orden an sich genommen und ihn dann teilweise getragen. Also zumindest das Amulett. Dann ging es ja auch so, dass leider diese Indianer auch benutzt wurden von dem berühmten Showmaster, der mit einer Wildwest-Show auch durch Europa fuhr.
Vatican News: Das war der berühmte Buffalo Bill, oder?
Nersinger: Genau. Was dann natürlich auch der Fall war, ist, dass dann diese Indianer dann auch in Rom zur Audienz des Papstes kamen und wir haben eine ganze Reihe von Zeichnungen davon.
Was dann aber noch interessanter ist, dass eben „Sitting Bull“, der dann doch am Ende seines Lebens wieder in Aufstand verwickelt wurde, doch getötet wurde. Man hat die Leiche dann auch natürlich vor sich gehabt. Man hat sie dann entkleidet und fand dann eben dieses seltsame Amulett vor und diesen päpstlichen Orden.
Ein anwesender irischer Arzt hat sofort erkannt, dass sind die Orden der Schlacht von „Castelfidardo“ und das ist eines der Ehrengeschenke des Papstes. Wir haben sogar, davon gibt es sogar ein Bild von, wir haben einen Rosenkranz von „Sitting Bull“. Das sind so ganz interessante kleine Details, die spannend sind, dass sie auch so ein bisschen in die Weltgeschichte hineinreichen.
Vatican News: Was hat, wenn Sie an all diese Geschichten denken, die Sie in Ihrem Buch ausbreiten, Ihnen am meisten Spaß gemacht herauszufinden?
Nersinger: Ja, also wie Sie schon sagten, diese unglaubliche Breite, dieses Spektrum von Besonderheiten. Und dass manche dieser Sachen auch, die teilweise ja im 18. Oder 19. Jahrhundert oder sogar noch früher geschehen sind, manchmal sogar noch einen realen Bezug haben.
Also, es hat z.B. vor einiger Zeit in der Nähe des Vatikans ein Burger-Restaurant seine Tore geöffnet und es gab ja eine sehr große Diskussion, ob das sinnvoll sei. Man hat dann auf die gute italienische Küche verwiesen, die es in „Borgo“ gab. Die es aber eigentlich gar nicht mehr so gut gibt. Wir haben ja dann auch gesehen, dass schon im 19. Jahrhundert, die Päpste schon in solche Streitigkeiten eingegriffen haben und heute haben sie das weniger gemacht. Sie haben es zugelassen, denn das Gebäude, in dem das Burger-Restaurant ist, gehört dem Vatikan. Ich hörte dann vor Kurzem, dass man eines dieser traditionellen Lokale dann in Rom geschlossen hat, weil die „Gesundheitspolizei“ dann doch Sachen vorfand, die also sowohl der Gesundheit als auch generell einer Küche doch sehr abträglich sind.
Das Gespräch führte Gudrun Sailer.
(vatican news)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.