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Papst Franziskus, die Frauen und die Gewalt

Die Frauen und der Frieden: Papst Franziskus hat weit ausgeholt in seiner Neujahrs-Predigt, also zum Hochfest der Gottesmutter Maria, den die Kirche zugleich als Weltfriedenstag begeht. Meine Kollegin Gudrun Sailer war gestern im Dienst und hat dem Papst genau zugehört. War es neu, was Franziskus da gesagt hat?

Gudrun Sailer: Die Passage, wo er über Gewalt gegen Frauen gesprochen hat, war vielleicht nicht neu, aber besonders eindringlich. „Jede Gewalt an der Frau ist eine Schändung Gottes“, diese Aussage aus dem Mund eines Papstes zu hören, ist stark. Franziskus hat da als Papst einen neuen Akzent gesetzt, würde ich sagen, ich kann mich an keine ähnlich starke Aussage früherer Päpste zum Thema Gewalt gegen Frauen erinnern. In seiner Predigt hat er dann nochmals nachgefasst, daran erinnernd, dass Gott von einer Frau geboren wurde, wörtlich hat er gesagt: „Aus dem Leib einer Frau kam das Heil für die Menschheit: Daran, wie wir den Leib der Frau behandeln, erkennen wir den Grad unserer Menschlichkeit.“

Radio Vatikan: Wenn wir uns manche Nachrichten ansehen, ist es nicht gut bestellt um unsere Menschlichkeit?

Gudrun Sailer: Franziskus ist im Bilde über die Tragweite des Problems Gewalt gegen Frauen. Er kennt persönlich Opfer von Menschenhandel, hat sich lange mit missbrauchten Frauen unterhalten, die ihm ihr Schicksal erzählt haben, Nigerianerinnen, Osteuropäerinnen, Südamerikanerinnen. Einmal hat er im Rahmen der Freitage der Barmherzigkeit eine kirchliche Einrichtung in Rom besucht, die solche Frauen, die der Sklaverei entkommen sind, betreut und ihnen bei der Wiedereingliederung hilft. Ein anderes Mal hat er eine Stunde lang der Mexikanerin Karla Jacinto zugehört, bei sich im Vatikan, eine junge Frau, die im Alter zwischen 12 und 16 Jahren als Sex-Sklavin, ein Kind noch, bis zu 30 Mal am Tag vergewaltigt wurde. Diese Begegnung hat den Papst schwer erschüttert, das wissen wir aus Aussagen von Leuten aus seinem Umfeld.

Hier zum Hören:

Radio Vatikan: Wie steht es mit dem Themenfeld häuslicher Gewalt, nimmt der Papst davon Notiz, thematisiert er das?

Gudrun Sailer: Immer wieder. Als er vom Weltjugendtag in Polen 2015 zurückkehrte, hat er den mitreisenden Medienleuten im Flugzeug erzählt, er lese jeden Tag in der Zeitung von solchen Vorfällen, Misshandlungen bis hin zu Morden an Ehefrauen, Töchtern, Schwiegermüttern, durch Männer, die sich selbst als katholisch bezeichnen. Misshandlungen an Frauen, Diskriminierungen, das alles sei inakzeptabel. Und noch so ein Fall persönlicher Anteilnahme: Franziskus hat einer Italienerin einen persönlichen Brief geschrieben, die das Opfer eines Säureattentates geworden ist, durch ihren eigenen Ehemann. Der Papst hat sich bei dieser schwer entstellten Frau entschuldigt, entschuldigt in Namen einer Menschheit, die sich ihrerseits nicht entschuldigt für solche Akte von Gewalt gegen Frauen.

„Der Papst hat sich bei dieser schwer entstellten Frau entschuldigt“

Radio Vatikan: A propos entschuldigen, der Papst hat sich am Neujahrstag, gleich nach dieser Predigt, beim Angelus öffentlich entschuldigt für eine Geste der Ungeduld einer Frau gegenüber. Was war da los?

Gudrun Sailer: Am Silvesterabend hat eine Frau mittleren Alters, offenbar aus Asien, auf dem Petersplatz den Papst am Arm zu sich her gezogen, ziemlich heftig, das hat ihm in der Schulter weh getan, man sieht das an seinem Gesichtsausdruck, daraufhin hat er sich umgedreht und verärgert der Frau auf die Hand geschlagen, damit sie ihn loslässt. Das war nicht gewalttätig, aber jedenfalls unschön zu sehen (und einige von uns hätten wahrscheinlich heftiger reagiert als der Papst). Das ist dem Papst nicht mehr aus dem Sinn gegangen – gerade nach einer solchen Predigt, in der er über Frauen, Gewalt gegen Frauen, Frauen als Friedensstifterinnen meditiert hat. Und da hat er sich eben entschuldigt. Öffentlich. Sehr ungewöhnlich für einen Papst. Auch das ist der Effekt sozialer Medien. Das Video hatten Hunderttausende gesehen und kommentiert.

Radio Vatikan: Der Papst und die Frauen, das ist auch das Thema der aktuellen Ausgabe der vatikanischen Frauenzeitschrift Donne Chiesa Mondo. Siehst du Parallelen?

Gudrun Sailer: Mir kam es fast so vor, als habe Papst Franziskus sich diese Zeitschrift zu Gemüte geführt – ich glaube eher nicht, dass er das gewohnheitsmäßig tut. In der jüngsten Ausgabe fasste unter anderem die erfahrene und mit dem Papst gut bekannte mexikanische Vatikan-Journalistin Valentina Alazraki nochmals die Worte und Gesten von Papst Franziskus zum Thema Gewalt gegen Frauen Revue zusammen. Die neue Präsidentin der Ordensoberinnen-Vereinigung, die Polin Jolanta Kafka, hat gewürdigt, dass Franziskus das Schweigen der Kirchenspitze zum Thema Gewalt gegen Ordensfrauen gebrochen hat. Dass das geschah, daran die vatikanische Frauenzeitschrift vor einem Jahr mitgeholfen, indem sie das Thema nämlich prominent problematisierte.

„Die Kirche sollte da mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass das Subjekt-Sein heutzutage geteilt werden muss zwischen Männern und Frauen“

Und die italienische Biblistin Marinella Perroni hat in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift beanstandet, dass in der Kirche - genauso wie auch anderswo - nach wie vor eine Trennung zwischen dem Mann als Subjekt und der Frau als Objekt vorhanden ist: Männer sprechen über Frauen, wie auf einer übergeordneten Ebene. Die Kirche, so hat die Theologin angeregt, sollte da mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass das Subjekt-Sein heutzutage geteilt werden muss zwischen Männern und Frauen.

Radio Vatikan: Ist das eine Position, die Papst Franziskus teilt?

Gudrun Sailer: Er würde es anders ausdrücken, aber im Grund teilt der Papst diese Position, ja. Das zeigt sich für mich daran, dass er mehrfach eine Art Unterwerfung namentlich von Ordensfrauen in der Kirche beklagt hat. Dienst – ja, Dienstbarkeit nein, ihr seid nicht in eure Gemeinschaften eingetreten, um Priestern den Haushalt zu führen, hat er einmal zu Schwestern gesagt. Geteiltes Subjekt-Sein zwischen Männern und Frauen: Ich glaube, in diesem Punkt wird sich die Kirche in den nächsten Jahrzehnten tatsächlich stark entwickeln müssen.

Radio Vatikan: Franziskus hat in dieser Predigt auch über Frauen als Friedensstifterinnen gesprochen, wie hat er das dargestellt?

Gudrun Sailer: Frauen setzen aufs Leben, sie stehen nicht dafür, immer mehr Sachen zu produzieren, so hat es Franziskus hier gesagt. Da schwingt eine Komponente Nachhaltigkeit mit, eine Komponente Lebensschutz und auch eine Komponente Frieden. Wörtlich sagte er: „Wenn wir eine bessere Welt wollen, die ein Haus des Friedens und nicht Schauplatz für Krieg ist, möge uns die Würde jeder Frau am Herzen liegen.“ Warum? Weil „von der Frau der Friedensfürst geboren“ wurde. Deshalb ist die Frau „Spenderin und Mittlerin des Friedens“, nicht einfach hübsche Beigabe und nützliches Anhängsel, nötig zur Erhaltung der Art, wie das in patriarchalischen Gesellschaften auch bei uns über Jahrhunderte gesehen wurde. Die Kirche hat da von Jesus her eine andere Botschaft, auch wenn sie sie nicht immer klar gesehen hat. Die Frau ist also „Spenderin und Mittlerin des Friedens“, sagt Franziskus, und sie „muss an den Entscheidungsprozessen voll beteiligt werden. Denn wenn die Frauen ihre Gaben weitergeben können, dann ist die Welt geeinter und friedvoller.“

(vatican news)

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02. Januar 2020, 14:57