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Die Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens Die Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens 

Kirchenrechtlerin: Kampf gegen Missbrauch ist vorangekommen

Zehn Jahre nach Aufbrechen der Missbrauchskrise in Deutschland ist die katholische Kirche heute ein weitaus sicherer Ort für Minderjährige. Davon ist die Erfurter Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens überzeugt. Sie engagiert sich seit mehr als 30 Jahren international für den Kinderschutz in der Kirche und gehört seit zwei Jahren der päpstlichen Kinderschutzkommission im Vatikan an. Ein Gespräch.

Am Freitag hielt die aus den Niederlanden stammende Kanonistin an der Päpstlichen Gregoriana-Universität einen Vortrag bei der Schlussfeier zum 5. Jahrgang des Kinderschutz-Diploms. Den Lehrgang richtet das Zentrum für Kinderschutz aus, das der deutsche Jesuit Pater Hans Zollner leitet. Gudrun Sailer sprach mit Myriam Wijlens. 

Radio Vatikan: Februar 2020 – die Kirche als sicherer Ort für Kinder, Jugendliche und verletzliche Erwachsene. Auf welchem Stand der Dinge sind wir heute eigentlich?

Wijlens: Ich glaube, wir sind heute sehr viel weiter als vor zehn Jahren. Da kam in Deutschland der große Ausbruch und Menschen haben sich getraut, sich bei der Kirche zu melden. Das hat nicht nur in Deutschland eine Welle ausgelöst. Die Welle ist von Deutschland in weite Teile der Welt gegangen. Ich glaube, wir sind heute sehr viel weiter, weil sich sehr viel mehr Menschen bewusst sind, dass es ein ernsthaftes Thema ist. Das Recht der Kinder, in einer sicheren Umgebung aufzuwachsen, wird von mehr Menschen wahrgenommen. Und es sind auch mehr im Einsatz, um das zu realisieren.

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Radio Vatikan: Vor genau einem Jahr hat Papst Franziskus zum großen Kinderschutzgipfel in den Vatikan eingeladen. Alle Bischofskonferenzen der Welt waren vertreten. Welchen Stellenwert hatte diese Begegnung im Kampf gegen Missbrauch?

Wijlens: Ich glaube, es war sehr wichtig, dass die Bischofskonferenzen der Welt zusammengekommen sind. Dass man auch voneinander hören konnte, welche Entwicklungen es in anderen Teilen der Welt gegeben hat. Und um klarzustellen, dass das nicht einfach eine Sache der Presse ist. Papst Benedikt hat gesagt: Wenn es diese Sünde nicht geben würde in der Kirche, hätte die Presse auch nichts zu melden gehabt. Leider muss man sagen, viele der Opfer hätten die Unterstützung der Presse gebraucht, um gehört zu werden. Die Chance, dass Menschen heute gehört werden, ist sehr viel besser.

„Leider muss man sagen, viele der Opfer hätten die Unterstützung der Presse gebraucht, um gehört zu werden“

Ich hatte das große Privileg, heute Morgen bei der Graduierung eines Studiengangs sprechen zu dürfen. Dieser Studiengang ist ein Diplomlehrgang in „Safeguarding“, es geht also um den Schutz von Kindern. Es waren 25 Studierende, aus allen Teilen der Welt. Europa und Nordamerika waren nicht – oder untervertreten. Aber es war sehr ermutigend zu sehen, dass Menschen aus Nigeria, Papua-Neuguinea, Indien, Pakistan, China, Vietnam sich auf den Weg gemacht haben. Um einen Kurs zu machen, damit sie in ihrem Land wieder Leute ausbilden können – damit Kinder besser geschützt sind. Ich glaube, es ist unglaublich wichtig, dass wir Missionare haben, die sich der Aufgabe des Kinderschutzes annehmen.

Radio Vatikan: Welchen Blick haben Sie als Kirchenrechtlerin auf die Frage Kinderschutz in der Kirche? Ist kirchenrechtlich schon genug getan, um das Problem des Missbrauchs im Nachhinein zu behandeln und vorzubeugen, dass es noch weiter geschieht?

Wijlens: Man muss da in zwei Schritte unterteilen. Das eine ist die Vorbeugung, das andere die Aufarbeitung. Im Rahmen der Vorbeugung glaube ich, dass wir große Schritte gemacht haben. Der Papst hat vergangenes Jahr noch einmal klargemacht, dass es eigentlich zwei große Probleme gegeben hat. Die erste Welle war: Wir haben festgestellt, Priester, Brüder, manchmal auch Schwestern, oder Mitarbeiter in der katholischen Kirche, haben Kinder sexuell missbraucht. Danach kam das Bewusstsein, die Bistumsleitung, die Ordensleitung hat davon gewusst und nicht entsprechend reagiert. Sie hat das Ansehen der Kirche höhergestellt als die Würde der Kinder. Das ist mit der Moraltheologie der Kirche nicht zu vereinbaren. Die Moraltheologie würde eindeutig die Würde des Kindes höherstellen. Ich glaube, in diesem Bereich hat es geholfen, dass Papst Franziskus gesagt hat, diejenigen, die diese Ämter und die Verantwortung innehaben, müssen zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie ihr Amt nicht entsprechend ausgeübt haben. Und das führt jetzt langsam, aber sicher zu Prozessen, in denen das noch einmal untersucht wird.

Radio Vatikan: Und die Aufarbeitung?

Das eine ist die Prävention, das andere die Aufarbeitung. Auch da muss man nochmal schauen, wie wir weiterkommen. Die Anzahl der Fälle hat zugenommen. Das heißt nicht, dass es sehr viel mehr Missbrauchsfälle gibt, sondern dass es sehr viel mehr Meldungen gibt. Man sieht, dass sich in vielen Teilen der Welt eine Kultur entwickelt, in der Menschen den Mut haben, Missbrauch zu melden - und wo sie dann auch gehört werden. In den Prozessverfahren selbst wird man sehen müssen, was wir da noch verbessern können.

Radio Vatikan: Vor einiger Zeit hat Papst Franziskus in Fällen von Missbrauch das Päpstliche Geheimnis aufgehoben. Hilft das?

Wijlens: Ja, das hat sehr geholfen. Wir hatten verschiedene Probleme. Ein Bischof hat zum Beispiel eine Causa [Verdacht durch Missbrauch durch einen seiner Priester, Anm.] nach Rom geschickt. Und die Antwort aus Rom konnte er nicht mit seinen eigenen Anwälten besprechen. Er konnte es aber auch nicht mit dem Opfer besprechen. Und das war natürlich ein Riesenproblem. Das hat jetzt durch die Aufhebung des sub secreto geendet. Etwas Anderes ist aber die Vertraulichkeit. Geheimnis hat etwas Negatives. Und Geheimnis ist etwas anderes als Vertraulichkeit. Vertraulichkeit muss man garantieren, damit auch die Opfer weiterhin geschützt werden. Aber durch diese Aufhebung des Päpstlichen Geheimnisses gibt es die Möglichkeit, die Informationen vor allem mit den Betroffenen besser zu teilen. Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt vorwärts.

Radio Vatikan: Die Aufhebung des Päpstlichen Geheimnisses - ist das alles, was man auf der Ebene tun kann? Oder gibt es noch Weiteres, was Sie sich wünschen?

Wijlens: Ein weiteres Problem ist, dass die Jurisprudenz, die sich in dem Bereich entwickelt hat, bisher nicht zugänglich ist. Niemand hat Zugang zu den Entscheidungen, die getroffen werden. Wir reden hier nicht nur über Opfer, sondern auch über Beschuldigte. Und Beschuldigte haben das Recht auf einen fairen Prozess. Um als Anwalt jemanden richtig vertreten zu können, muss ich Zugang zur Jurisprudenz haben. Aber auch um als Richter sicherzustellen, dass jemand bei gleicher Straftat in Bolivien, in Deutschland oder in Thailand gleich verurteilt wird, ist es wichtig, dass ich die Jurisprudenz kenne.

(vatican news - gs)

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14. Februar 2020, 16:08