Vatikan: Mehr Schutz und Unterstützung für Binnenflüchtlinge
Die Aufmerksamkeit der Kirche für Flüchtlinge habe in der Corona-Krise nicht nachgelassen, unterstrich Kardinal Michael Czerny bei einer gestreamten Pressekonferenz am Sitz von Radio Vatikan, bei der die Leitlinien vorstellt wurden. Die Verletzlichkeit dieser Menschen sei in der Pandemie-Zeit umso größer, obwohl die Krise Flüchtlingsbewegungen in der Welt verringert habe, so der Untersekretär der Abteilung Migranten und Flüchtling im vatikanischen „Entwicklungsministerium“.
Die neuen „pastoralen Leitlinien“ enthielten „zahlreiche hilfreiche Vorschläge, wie die Kirche auf die globale Migrationskrise reagieren kann“, so der Kardinal. Sie richteten sich an kirchliche Einrichtungen, Akteure der Zivilgesellschaft und Medienvertreter und stützten sich auf praktische Erfahrungen aus der Flüchtlingsarbeit. Konkret sind in dem knapp 50-seitigen Dokument Empfehlungen zur Aufnahme, zum Schutz, zur Förderung und Integration von Binnenflüchtlingen aufgeführt, die sich innerhalb ihrer eigenen Länder in existenziellen Schwierigkeiten befinden.
Mindestens 50 Millionen Binnenflüchtlinge weltweit
Weltweit geht man von mindestens 50 Millionen Menschen aus, die innerhalb ihrer Heimatländer flüchten mussten. Allein in Kolumbien, dem Land mit den weltweit meisten Vertriebenen, zähle man derzeit über 5,5 Millionen (5.576.000 im Dezember 2019) Binnenflüchtlinge, referierte Amaya Valcárcel vom weltweiten Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS) bei der Pressekonferenz. In der weltweiten Corona-Krise drohten diese Menschen noch weniger Aufmerksamkeit zu erhalten als bisher, gab die Anwältin zu bedenken.
Binnenflüchtlinge seien eine „neue und wachsende Kategorie“, hielt Kardinal Czerny fest, in jüngerer Zeit fänden in diese Gruppe auch immer mehr Klimaflüchtlinge Eingang. Ethnische Gewalt oder kriegerische Auseinandersetzungen, Terrorismus, Naturkatastrophen oder klimatische Veränderungen sind Ursachen der Binnenflucht, allerdings sind Binnenvertriebene nach internationalem Flüchtlingsrecht nicht Teil des internationalen Schutzsystems. Solange sie nicht gezwungen sind, auf der Suche nach Sicherheit und Schutz eine international anerkannte Grenze zu überqueren, bleiben sie Staatsbürger unter der Rechtsprechung ihres Herkunftslandes.
Oft von Hilfe abgeschnitten
Binnenflüchtlinge seien deshalb oftmals von der internationalen Hilfe abgeschnitten und lägen außerhalb des Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit, heißt es in den Leitlinien: „Die Schwierigkeit für die internationale Gemeinschaft, einzugreifen, und das mangelnde Interesse der Medien und der Gesellschaft im Allgemeinen haben oft dazu geführt, dass Binnenvertriebene vergessen werden, was ihre Verwundbarkeit erhöht und verhindert, dass ihre Bedürfnisse angemessen anerkannt und erfüllt werden“, wird in dem Dokument des Entwicklungsdikasterium festgehalten.
Mit Blick auf Menschenrechtsverletzungen nennt es den Menschenhandel sowie die prekären Lebensverhältnisse von Binnenflüchtlingen in städtischen Gebieten und Flüchtlingslagern. Katholische Organisationen sollten darauf hinwirken, dass Notfall-Camps nicht zu Dauereinrichtungen würden. „Flüchtlingslager sind eine befristete Lösung und kein Ersatz für eine adäquate Unterkunft.“
Schutz weltweit verbessern
Was die Zuständigkeit für Binnenflüchtlinge angeht, liegt diese zunächst einmal bei den jeweiligen nationalen Behörden. Diese zögern jedoch nicht selten, für Binnenvertriebene einzutreten oder sind nicht in der Lage dazu, sie zu schützen. Der Vatikan sieht die internationale Gemeinschaft vor diesem Hintergrund dazu aufgerufen, unter Berücksichtigung der nationalen Souveränität nach konstruktiven Formen der Stärkung und Unterstützung dieser Flüchtlinge zu suchen. Es brauche „transparente Mandate und Regelungen für den Schutz von Binnenvertriebenen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene“ und „wirksame Anstrengungen, um den Schutz von Binnenvertriebenen weltweit zu erhöhen“, wird in dem Vatikanpapier unterstrichen.
Kirche kann Dialog und Versöhnung fördern
Die Kirche könne zur Bewusstseinsbildung beitragen, indem sie Medien, Gesellschaften und Regierungen für den Schutz dieser Menschen sensibilisiert, heißt es in dem Leitlinien-Dokument. Zugleich spiele die Ortskirche als Förderer von Dialog und Versöhnung eine wichtige Rolle, etwa mit Blick auf „ethnische und Stammeskonflikte“, die viele Menschen in zahlreichen Ländern der Welt in die Flucht schlagen. Diese friedensstiftende Rolle in Krisenregionen könne die Kirche noch stärker wahrnehmen. Katholische Akteure sollten sich bei ihrem Einsatz für Binnenflüchtlinge vernetzen und mit anderen Konfessionen und Religionen zusammenarbeiten.
(vatican news – pr)
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