Vatikan: Papst-Berater glaubt an gesunde Wirtschaft
Mario Galgano und Debora Donnini - Vatikanstadt
Die Worte des Papstes bei der Generalaudienz am Mittwoch haben breite Resonanz gefunden. Franziskus sprach von den Folgen eines „ungleichen Wirtschaftswachstums“, das zu einer „kranken Wirtschaft“ geführt habe. Bisher sei es so gewesen, dass die Wirtschaft nur für wenige, sehr reiche Menschen auf der Welt viel gebracht habe, während der Rest der Menschheit wenig profitieren konnte. Und das sei noch nicht alles. Im Gedenken an die vielen Kinder auf der Welt, die Hungers sterben oder keinen Zugang zu Bildung hätten, drängte Franziskus darauf, die Corona-Krise besser als bisher anzugehen. Die durch die Pandemie verschlimmerte soziale Ungleichheit und die Gleichgültigkeit gegenüber dem Schaden, der der Schöpfung zugefügt wurde, seien ein Lackmustest für die angeprangerte Situation.
Stefano Zamagni, Wirtschaftswissenschaftler und Präsident der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften, beschreibt das Anliegen des Papstes wie folgt:
„Der Papst will das derzeitige Wirtschaftsmodell von seiner Krankheit heilen. Er spricht sich für eine Marktordnung aus, die nicht die Reichen bevorzugt und der Schöpfung keinen Schaden zufügt. Es bedarf eines Wandels von innen heraus, und das ist heute durchaus möglich - und zwar an mehreren Fronten. Bis vor kurzem hat man geglaubt, dass es ausreichen würde, den Wohlstand zu mehren, das Volkseinkommen zu erhöhen, und dann wäre alles in Ordnung. Aber wir haben gesehen, was passiert ist: Das Einkommen ist weltweit gestiegen, aber gleichzeitig hat auch die Ungleichheit zugenommen. Das ist also der erste Punkt: Der Vorschlag des Papstes ist der eines integrativen Wohlstands, der alle einschließt. Und dann muss noch dafür gesorgt werden, dass zwischen dem ökologischen Gleichgewicht und dem inneren Gleichgewicht Harmonie herrscht. In Punkt zehn seiner Enzyklika Laudato sì spricht der Papst von ,innerem Frieden´.“
Verzerrungen können gemildert werden
Diese Verzerrungen könnten gemildert werden, so Zamagni. Man müsse es nur wollen. Vom technischen Standpunkt aus sei dies nämlich problemlos möglich.
„Zunächst einmal muss man die Regeln der Funktionsweise der Finanzmärkte ändern. Das Finanzwesen ist krank, weil es auf falschen Regeln beruht. Wir brauchen Regierungen, die sich an einen Tisch setzen und sagen: ,Lasst uns die Regeln neu schreiben.´ Dazu gehört zum Beispiel die Schließung von Steuerparadiesen, die heute eine der Hauptursachen für die Zunahme der Ungleichheit sind. Zweitens müssen wir dafür sorgen, dass die Finanzen in den Dienst der Realwirtschaft gestellt werden. Heute ist das Gegenteil der Fall. Jahrhundertelang hat das Finanzwesen dazu gedient, Unternehmen und Familien zu helfen, und das darf auch gesagt werden: doch es ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Weil das Finanzwesen keinen Mehrwert mehr produziert, sondern die Finanzmittel nur noch umverteilt. Das kann eine Zeitlang toleriert werden, aber heute ist klar geworden, dass dies vorbei ist, wie die Krise von 2007/2008 und die nachfolgende Krise gezeigt haben. Und drittens muss festgehalten werden, dass das Ziel eines Unternehmens nicht nur die Gewinnmaximierung ist. Nicht umsonst haben die großen amerikanischen Unternehmer in ihrer letzten Erklärung, die zehn Tage zurückliegt, gesagt: ,Wir wollen eine Wirtschaft, die als erstes Ziel nicht die Gewinnmaximierung der verschiedenen Aktionäre hat, sondern einen sozialen Mehrwert produziert´.“
Erste Christen als Vorbilder nehmen
Der Papst fordere die christlichen Gemeinschaften des 21. Jahrhunderts auch auf, ihre Güter nach dem Vorbild der ersten christlichen Gemeinschaften mit anderen zu teilen, erinnert Zamagni. Dies sei ein wichtiger Weg, den es zu beschreiten gelte.
„Neben den privaten und öffentlichen Gütern gibt es die Gemeingüter. Die Umwelt ist ein Gemeingut; Wasser ist ein Gemeingut; der Impfstoff gegen das Coronavirus zum Beispiel wäre auch ein Gemeingut. Das alles sind also Güter, die weder dem Einzelnen noch der öffentlichen Körperschaft, dem Staat gehören, sondern der Gemeinschaft. Um die Logik des Gemeinwohls neu zu beleben, braucht es Gemeinschaft, d.h. Gruppen von Menschen, die in ihrem täglichen Leben die Logik der Anwendung des Gemeinwohls konkret verwirklichen. So lautet die Einladung des Papstes: ,Ihr, christliche Gemeinschaften, arbeitet hart, damit alle etwas davon haben.´ Dies muss mit konkreten Zeugnissen in Angriff genommen werden. Aus diesem Grund wurden ja in der Vergangenheit auch die Gemeindekooperativen ins Leben gerufen.“
Für die westlichen Gesellschaften sei die Unterstützung von Familien mit Kindern besonders wichtig, fügt Zamagni an. Insbesondere gelte dies für berufstätige Mütter. Gerade in Ländern mit einer niedrigen Geburtenrate müsse man die Ausbildung junger Menschen verbessern, um aus der Krise herauszukommen.
(vatican news)
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