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Franziskus und der Synodale Weg: „Faible für Problemkinder“

Papst Franziskus hat sich an diesem Montag vom Vatikanvertreter in Deutschland, Erzbischof Nicola Eterovic, berichten lassen. Er empfing ihn am Morgen in Privataudienz. Besonders aufmerksam beobachtet der Vatikan den Synodalen Weg der Kirche in Deutschland. Auch wenn es im Verhältnis von deutscher Ortskirche und Kirchenzentrale manchmal „knirscht“, will Franziskus Dialog und Austausch aufrechterhalten und Synodalität fördern und vertiefen, sagt Anne Preckel von Vatican News. Ein Kollegengespräch.

Vatican News: Vorweg - was ist denn eigentlich der aktuelle Stand dieser Reformdebatte Synodaler Weg?

Anne Preckel: Die Debatte läuft trotz Corona weiter, wenn sie auch in der Pandemiezeit ein wenig überdeckt wurde von anderen, praktischen Fragen des kirchlichen Lebens, etwa: wie können wir überhaupt noch Gottesdienst feiern, wie garantieren wir die Seelsorge etc. Der „Synodale Weg“ ist ja sozusagen der „offizielle Container“ für den Dialog der Deutschen Bischofskonferenz mit Laienvertretern in Deutschland. Diskutiert wird über Macht, Frauen und Laien in der Kirche, Sexualmoral und priesterliches Leben. Letzte Etappe im Programm waren bundesweit fünf Regionenkonferenzen im September, auf denen weiter besprochen wurde. Da wurde die zunächst für Frankfurt vorgesehene große Synodalversammlung in kleine Gruppen aufgesplittet, um das Infektionsrisiko zu senken. Die nächste Vollversammlung soll dann im Frühjahr 2021 stattfinden.

Die Debatte selbst ist allerdings leider, sagen Beobachter, bislang eher wenig in den Bistümern und Gemeinden angekommen. Viele Katholikinnen und Katholiken sind auch nicht so wirklich interessiert am Synodalen Weg oder sehen eigene Erwartungen von vornherein enttäuscht. Die Vatikan-Instruktion zum Thema Pfarreien ist in Deutschland auf gemischte Reaktionen gestoßen.

Vatican News: Der Papst hat ja in den letzten Wochen mehrfach Besuch aus Deutschland empfangen. Es kamen nacheinander die Bischöfe Bätzing, Meier, Algermissen und Wilmer. Dabei ging es auch um den Synodalen Weg und es gab auch ein paar Hinweise, wie der Papst das Ganze verfolgt, oder?

Preckel: Ja, denn die Besucher berichten ja auch immer ein wenig von ihrer Begegnung mit dem Papst. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing sprach nach seinem Antrittsbesuch Ende Juni Im Vatikan von einem „intensiven Austausch“ mit dem Papst über Fragen der deutschen Kirche. Er fühle sich „bestärkt, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen“, sagte Bätzing, und habe dem Papst deutlich gemacht, dass sich die Kirche in Deutschland „stets an die Universalkirche gebunden weiß“.

Das war recht diplomatisch formuliert, denn im Kontext des Synodalen Weges, sogar schon im Vorfeld, waren ja die Wellen hochgeschlagen, auch innerhalb der Bischofskonferenz. Deutschlands Kirche mache einen Alleingang, warnte etwa Kölns Kardinal Woelki, der den Zölibat, die kirchliche Sexualmoral und die Rolle der Frauen nicht grundsätzlich verändert sehen will. Er und auch andere Reform-Skeptiker sehen das Band der deutschen Kirche zur Universalkirche ziemlich strapaziert.

Hier zum Hören:

Vatican News: In einigen Wortmeldungen war auch von einer „Sorge“ des Papstes die Rede, was aktuelle Entwicklungen in Deutschland betrifft.

Preckel: In der Tat, wobei man natürlich immer schauen muss, wie man hier „Sorge des Papstes“ verstehen kann und muss. Der Fuldaer Altbischof Heinz Josef Algermissen hatte nach einem, man muss sagen, wohl eher kurzen und dann auch noch auf Deutsch geführten Gespräch mit Franziskus am Rande der Generalaudienz Anfang Oktober formuliert, der Papst sei in „dramatischer Sorge“ über die Entwicklung der Kirche in Deutschland. Er habe bedauert, sein Brief an Deutschlands Kirche, den hatte Franziskus im Juni vor Start des Synodalen Weges verfasst, sei kaum gelesen worden. Dass der Papst in persönlichen Gesprächen seine Sorge über die Situation der Kirche in Deutschland geäußert habe, sagte auch Kurienkardinal Kurt Koch, Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Wie diese Sorge derzeit aber genau gelagert ist, das können wir nur vermuten.

Einen Hinweis, was sich der Papst wünscht, gibt meiner Meinung nach der Bericht des früheren deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff. Wulff war ja letzte Woche beim Papst gewesen, hat bei dieser Gelegenheit für den Synodalen Weg geworben und erwähnte danach, Franziskus habe auf seinen Brief an die deutschen Katholiken vom Juni 2019 verwiesen und seinerseits dafür geworben, im Dialog zu bleiben. Da ist herauszuhören: Der Papst wünscht sich Rückmeldung, hört an und sucht das Gespräch, eher aus „väterlicher“ denn „dramatischer“ Sorge heraus, würde ich vermuten.

Vatican News: War diese Tonart auch im Papstbrief zum Synodalen Prozess in Deutschland zu vernehmen? Das Schreiben vom Juni 2019 wurde ja durchaus auch als Mahnung von Franziskus interpretiert nach dem Motto: der Papst pocht auf Evangelisierung, statt sich auf Strukturreformen in der Kirche zu fixieren.

Preckel: Ja, der Papstbrief „An das pilgernde Volk Gottes in Deutschland“, wie der Brief im Titel heißt, wurde in der Tat unterschiedlich interpretiert – vor allem als Bestärkung der Reformskeptiker. Jenseits aller Politisierung sollte man den Brief aber einfach lesen und immer wieder neu lesen. Das ist es, was sich Franziskus sicher wünscht. Und was steht drin? Vor Auftakt der Reformdebatte sagt da der Papst, vereinfacht gesagt: ,Was ihr da in Deutschland vorhabt, muss man sich ansehen und sicher noch vertiefen, grundsätzlich aber bin ich offen gegenüber eurer Initiative und euch nahe, bleiben wir darüber im Gespräch.’

Sicher – Franziskus gibt auch ein paar Hinweise in seinem Brief und warnt vor Abwegen. So sagt er sinngemäß: ,Vergesst den Glauben nicht, denn es braucht die Wandlung eines jeden Einzelnen, um Kirche zu erneuern. Ihr seid auch nicht allein in der Weltkirche: Sind eure Themen auch Grundfragen eurer Glaubens-Schwestern und -Brüder weltweit? Geht’s euch um die Substanz oder nur um vordergründige Strukturveränderungen?’ Das ist kein autoritärer Ton, sondern eine Einladung zur Gewissenserforschung, zum Nachdenken und Vertiefen. Und diese Einladung besteht fort.

Vatican News: Wenn wir vorausdenken: Könnte es sein, dass der Papst irgendwann, um das mal zugespitzt und etwas salopp zu sagen, die Nase voll hat von der deutschen Kirche, die so oft herummäkelt und alles reformieren will? Denn so wird sie ja oft in anderen Ländern und in auch in Rom teils wahrgenommen, als Problemkind.

Preckel: Ach, ich denke der Papst hat ein ,Faible’ für die Problemkinder. Da ist er ganz in seinem Element. Dazu muss man allerdings anmerken: Deutschland ist ja nur ein Kind von vielen. Grundsätzlich: Dass es in einer Ortskirche oder auch im Miteinander von Ortskirche und Zentrale auch mal knirscht, ist für den Papst sicher kein Grund, das Prinzip der Synodalität, des Austausches und auch des gemeinsamen Ringens in der Kirche an sich über Bord zu werfen. „Kirche und Synode sind Synonyme“, hat er einmal gesagt, auch in der Kirche wird gestritten! Wir dürfen nur „nicht im Auf und Ab der Konflikte verharren“, so hat er das formuliert.

Dass es ihm am Herzen liegt, alle Glieder der Kirche ins Gespräch zu bringen, zeigt auch die zukünftige Vatikanagenda: So lässt Franziskus im Oktober 2022 eine Weltbischofssynode zum Thema Synodalität im Vatikan zusammentreten, das Motto ist Programm: „Für eine synodale Kirche – Gemeinschaft, Teilhabe und Mission“. Das öffnet den Blick über Deutschland hinaus.

Anne Preckel ist Autorin des Buches "Der Synodale Weg - Fragen und Antworten".

(vatican news)

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19. Oktober 2020, 12:02