Kardinal Koch: Ökumene braucht Gebetsbewegung
Radio Vatikan: Sie haben an diesem Montagabend der Vesper vorgestanden in St. Paul vor den Mauern. Papst Franziskus konnte ja leider aus gesundheitlichen Gründen nicht persönlich teilnehmen. Da ist die erste Frage, die natürlich alle interessiert: Hatten Sie Kontakt mit ihm vor oder kurz nach der Vesper? Wie geht es ihm? Konnte er Ihnen etwas mitteilen zur Feier am Montagabend?
Kardinal Koch: Nein, die Absprachen sind durch den Substituten im Staatssekretariat, Erzbischof Edgar Robinson Peña Parra geschehen. Er hat mich angerufen im Auftrag des Heiligen Vaters. Ich denke, dass der Heilige Vater zu viel anderes zu tun hat, um das selbst zu organisieren. Es war für mich natürlich eine große Ehre, den Heiligen Vater in der römischen Basilika vertreten zu können. Aber das ist keine Ausnahme, ich vertrete ihn ja immer: Ich führe nicht ein eigenes Geschäft, sondern ich arbeite im Auftrag des Papstes, um ihn auch sichtbar zu vertreten. Das war für mich eine sehr schöne Erfahrung. Zumal ich weiß, dass der Heilige Vater dieser Vesper einen großen Stellenwert beimisst. Er wollte unbedingt, dass auch während dieser Pandemie, mit einer sehr knappen Teilnahme von Menschen, diese Vesper ermöglicht wurde.
Radio Vatikan: Sie hatten dann auch die Aufgabe, die Predigt des Heiligen Vaters vorzutragen. Sie haben in seinem Namen gesagt, dass es darum gehe, Vorurteile und Kritiksucht abzubauen. Das war einer der Punkte, die im Dialog unter den Christen wichtig sind...
Kardinal Koch: Was Sie gesagt haben zum Überwinden von Vorurteilen: Das ist ja nur verständlich auf dem Hintergrund der ganzen Predigt. Der Papst hat einen sehr starken Akzent auf den spirituellen Ökumenismus gelegt. Das tat er schon in der Generalaudienz. Er hat stark auf das Fundament der Ökumene hingewiesen. Das Fundament der Ökumene ist das Gebet für die Einheit der Christen und dem ist dann alles andere zugeordnet.
Radio Vatikan: In diesem Jahr ging vieles nicht, wegen der Pandemie. Noch immer gibt es Schwierigkeiten, die üblichen Kontakte, wie wir sie in den vergangenen Jahren hatten unter den Christen, aufrecht zu erhalten. Wie haben Sie das persönlich erlebt?
Kardinal Koch: Ich war sehr dankbar, dass die Einladungen, die wir ausgesprochen haben an die Repräsentanten der verschiedenen Kirchen hier in Rom, von fast allen wahrgenommen wurde und wie jedes Jahr die meisten gekommen sind. Es gab einzelne, die sogar von auswärts angereist sind, weil ihnen diese Teilnahme an der Vesper sehr wichtig ist. Natürlich konnten wenige da sein. Etwa 100 Personen waren möglich. Aber ich denke, dass die Gebetsatmosphäre genauso intensiv war, wie sonst. Dieses Jahr wurde ein besonderer Akzent gesetzt.
Radio Vatikan: Da war auch die Aufforderung, in der Liebe Jesu zu bleiben. Dies ist ja ein sehr theologischer Aspekt. Können Sie dazu etwas sagen, zu dieser spirituellen Dimension der Ökumene, wie sie Papst Franziskus umschrieben hat?
Kardinal Koch: Die Texte für die Gebetswoche für die Einheit der Christen sind vorbereitet worden von der mönchischen protestantischen Gemeinschaft der Schwestern von Grandchamp (Schweiz), die ein besonderes Charisma haben, nämlich die Bedeutung der Einsamkeit und des Schweigens. Das ist das, was sie uns für die Ökumene gelehrt haben. Sie sind sehr stark beeinflusst von Paul Couturier, einem der Protagonisten der spirituellen Ökumene, der die ökumenische Bewegung einmal mit einem unsichtbaren Kloster verglichen hat, in dem die Christen in verschiedenen Ländern und Kontinenten für die Einheit der Christen beten. Diese Schwestern haben dieses schöne Evangelium von Johannes ausgesucht, um eben auf das Fundament hinzuweisen, dass wir alle getaufte Zweige am einen Rebstock Christi sind und nur wenn wir an diesem Rebstock bleiben und den Saft, das heißt die Gnade, aus diesem Rebstock beziehen, dann finden wir auch die Einheit untereinander.
Radio Vatikan: Sie haben von der Gemeinschaft von Grandchamp gesprochen. Wir hatten dazu auch ein Interview mit einer Vertreterin der Gemeinschaft und sie hat uns auch beschrieben, das ihre Gemeinschaft auch sehr von der Spiritualität von Taizé geprägt ist und zwar wenig vom heutigen Taizé mit dem Gesängen, sondern vielmehr vom ursprünglichen Taizé mit dem Gebet. Welche Rolle hat Ihrer Erfahrungen als Ökumeneverantwortlichen nach das gemeinsame Beten unter den Christen der verschiedenen Konfessionen, also inwieweit ist das gemeinsame Beten ein Förderungsmittel der Ökumene?
Kardinal Koch: Ich würde sagen, dass es zwei Formen sind. Das Erste ist, weil wir da nicht immer zusammen kommen können und da ist das stellvertretende Gebet füreinander, dass wir für die Einheit der Christen beten oder z.B. für eine bekannte Gemeinschaft einer anderen Kirche, die uns nahe liegt und sie mit ins Gebet einbeziehen. Das Zweite ist das gemeinsame Gebet, dass wir zusammenkommen und gemeinsam uns vor dem Herrn stellen und uns dessen bewusst werden, dass wir Menschen die Einheit nicht schaffen. Wir Menschen können Spaltungen machen, das zeigt die Geschichte, auch die Gegenwart. Die Einheit ist immer ein Geschenk des Heiligen Geistes und die beste Vorbereitung für den Empfang dieses Geschenkes ist das Gebet. Wir dürfen nie vergessen, am Anfang der ökumenischen Bewegung stammt die Einführung der Gebetswoche für die Einheit der Christen und sie war eine ökumenische Initiative. Die ökumenische Bewegung war von Anfang an eine Gebetsbewegung. Papst Benedikt XVI. hat das einmal so ausgedrückt: das ökumenische Schiff wäre nie ausgefahren auf die hohe See, wenn es nicht von dieser Gebetsströmung getragen und geführt gewesen wäre. Die Ökumene hat nur Zukunft, wenn sie eine Gebetsbewegung bleibt.
Radio Vatikan: Apropos Zukunft, und zwar die unmittelbare Zukunft: Wie geht es jetzt weiter in dieser weiteren Pandemie-Zeit mit der Ökumene? Was sind jetzt die nächsten Schritte der Ökumene, die Sie vielleicht vorankündigen können und uns mitteilen können?
Kardinal Koch: Das ist natürlich erschwert, denn die Ökumene steht und fällt mit dem Dialog und zwar mit dem Dialog der Liebe und dem Dialog der Wahrheit. Das alles nicht von Angesicht zu Angesicht vollziehen zu können, indem man zusammen kommt und miteinander spricht, miteinander isst, das ist sehr wichtig. Diese Zoom-Konferenzen, die machen wir natürlich auch, sind eine Hilfe, aber die sind auf keinen Fall einen Ersatz. Ich habe jetzt auch ein bisschen die Zeit genutzt, in unserem päpstlichen Rat Fragen aufzuarbeiten, mit den Mitarbeitern, die bisher immer brach gelegen sind, weil sonst alle immer auf Reisen sind.
Jetzt sind alle da, dann können wir auch intensiver arbeiten. Vor allem geht es auch um die Vorbereitung auf das Großereignis zum Jubiläum 1.700 Jahre Konzil von Nicäa, bei dem ja alle Christen noch zusammen waren. Das ist meines Erachtens 2025 ein ganz wichtiges Ereignis. Zweitens beschäftigen wir uns mit den Fragen die sich aus den Antworten ergeben, auf die Einladung von Papst Johannes Paul II. in seiner vor 25 Jahren geschriebenen Enzyklika „Ut unum sint“ an alle christlichen Kirchen, mit ihm in einen Dialog einzutreten, um über eine neue Praxis des Primats von Rom nachzudenken, damit das nicht mehr ein Hindernis, sondern eine Hilfe für die Einheit sein soll. Das wollen wir weiter studieren. Vorbereiten wollen wir die Weiterführung der Dialoge, in der Hoffnung, dass sie bald wieder möglich werden.
Das Gespräch führte Mario Galgano.
(vatican news)
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