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Pater Eberhard v. Gemmingen, früherer Leiter der deutschen Redaktion von Radio Vatikan Pater Eberhard v. Gemmingen, früherer Leiter der deutschen Redaktion von Radio Vatikan 

90 Jahre Radio Vatikan: Pater v. Gemmingen im Interview

Der Päpstliche Sender feiert an diesem Freitag seinen 90. Geburtstag. Das war für uns ein Anlass, Pater Eberhard v. Gemmingen zum Gespräch zu bitten. Der Jesuit leitete das deutschsprachige Programm von 1983 bis 2009.

Radio Vatikan: Was bedeutet für Sie Radio Vatikan?

P. v. Gemmingen: Die Arbeit bei Radio Vatikan war mir auf den Leib geschrieben. Ich bin gerne Brückenbauer, Vermittler, ein Mensch, der die Vorreiter bremst und die Bremser antreibt. So habe ich versucht, eine Brücke zu schlagen zwischen Christen im deutschen Sprachraum und Papst und Vatikan. Ich hatte viel Freiheit, um das zu gestalten, konnte viel Neues einführen. Ich hab mich wohl gefühlt.

Radio Vatikan: Wie sind Sie überhaupt zu diesem Radio gekommen? Was wussten Sie vorher darüber?

P. v. Gemmingen: Bevor ich nach Rom kam, hatte ich keine Ahnung von RV. Ich wußte, dass es das gibt, aber hab den Sender nie gehört. Als mich mein Jesuitenoberer aber dann fragte, ob ich mir vorstellen könne, dahin zu gehen, hatte ich gleich Lust und Freude darauf. Das Weltweite zog mich an. Da RV den Jesuiten anvertraut ist, brauchte man eben im deutschen Sprachraum einen Nachfolger für meinen Vorgänger, der wieder weg wollte.

Radio Vatikan: 90 Jahre Radio: ist das Medium schon zu alt für die heutige Welt?

P. v. Gemmingen: Da muss man sehr unterscheiden. Ich vermute, dass RV für die Länder in Afrika, einige Länder in Asien und Lateinamerika immer noch wichtig ist, weil die Kurzwelle eben rund um den Globus geht auch in abgelegenste Gegenden. Für die moderne Welt ist das Internet heute viel wichtiger. Aber man muss auch die richtige Form im Netz finden, damit es für Interessenten richtig gut ist.

Ein Bild aus dem Jahr 1988: P. v. Gemmingen (l.) und das deutschsprachige Programm
Ein Bild aus dem Jahr 1988: P. v. Gemmingen (l.) und das deutschsprachige Programm

Radio Vatikan: Was waren die besonderen Höhepunkte von Radio Vatikan in der Geschichte des Senders?

P. v. Gemmingen: Man muss leider sagen: Diktaturen sind die große Chance für Radio Vatikan: Also für den deutschen Sprachraum war die Hitlerzeit die große Chance. Man konnte die Staatsmedien umgehen. Ähnlich für die Zeit des Kommunismus in der Sowjetunion und den angeschlossenen Ländern. Radio überspringt die Mauern und Hemmnisse. Dort wo Medien frei schaffen können, verliert RV seine Bedeutung. Natürlich waren die großen Stellungnahmen von Johannes Paul II. gegen den Kommunismus auch für RV eine Chance. Seine Stellungnahmen wurden zwar auch von vielen anderen Medien verbreitet, aber sein Radiosender RV war doch näher dran.  Die ganze Art des Auftretens von Johannes Paul II. war für das Radio eine Chance.

*Sie haben für Radio Vatikan sogar Päpste getroffen und interviewt. Wie war das?

P. v. Gemmingen: Mit Johannes Paul II. hab ich nie ein Interview gemacht, wohl aber interviewte ich Papst Benedikt zusammen mit den Chefs von ARD, ZDF und Deutsche Welle. Ich konnte mehrmals kurz und privat mit Johannes Paul II. sprechen, aber nur Sekunden. Er kannte mich persönlich nicht.

Radio Vatikan: Wie wurde denn früher Radio Vatikan im deutschsprachigen Raum wahrgenommen?

P. v. Gemmingen: Für die allermeisten getauften Christen war Radio Vatikan ohne Bedeutung. Sie hörten es nicht, kannten es nicht. Sie vermuteten eher, dass Radio Vatikan nur ein Sprachrohr ist, dass nur weitersagt, was der Papst vorschreibt. 

Radio Vatikan: Warum sollte man denn Radio Vatikan hören? Was sind die Stärken dieses Papst-Senders?

P. v. Gemmingen: Man sollte Radio Vatikan hören, um authentisch informiert zu sein. Die Stärke von RV ist der direkte Zugang zu den Quellen im Vatikan. Aber dazu muss dann auch das Programm gut und richtig gemacht werden. Das bedeutet: Die Redaktion muss Freiheit haben und sich nehmen, muss auswählen können, was für den Hörer im deutschen Sprachraum wichtig ist. Nicht alle Ernennungen im Vatikan und in der Weltkirche sind für den Christen im deutschen Sprachraum wichtig. Ebenso wenig alle Stellungnahmen des Vatikans. Man muss die zwei Pole beachten: Der eine Pol ist das, was Papst und Vatikan tun und aussagen, der andere Pol ist das Interesse des Menschen, der RV hört. Man darf sich nicht nur nach dem richten, was der Vatikan tut und sagt, und man darf sich auch nicht nur nach dem Interesse des Hörers richten. Aber es ist falsch, das Interesse des Hörers ganz zu übersehen. Der Hörer schaltet ab, wenn er den Eindruck hat, sein Interesse werde nicht bedient.

Radio Vatikan: Sie hatten in Ihrer Zeit immer betont, dass Radio Vatikan kein Missionssender sei. Wie haben Sie aber Ihre Mission in Rom wahrgenommen? Was waren Ihre Anliegen?

P. v. Gemmingen: Man erreicht mit Radio Vatikan nur Menschen, die ein gewisses Interesse an Fragen von Kirche und Glauben mitbringen. Wenn man Verkündigung an Nicht-Glaubende machen will, muss man dorthin gehen, muss man in solche Medien gehen, wo solche Noch-Nichtglaubende hinhören. Meine Mission sah ich in der Vermittlung zwischen den Anliegen der Weltkirche und der Päpste und den interessierten Hörer-Innen. Eben das Brückenbauen. Da viele Christen im deutschen Sprachraum gegenüber dem Vatikan skeptisch sind und waren, muss man versuchen, zu zeigen, was dem Vatikan wichtig ist und warum das wichtig ist.

Radio Vatikan: Gibt es besondere Anekdoten oder Geschichten, die Sie mit uns teilen wollen?

P. v. Gemmingen: Besonders interessant für mich waren natürlich die Papstreisen, an denen ich teilnehmen konnte. Besonders interessant waren die Reisen nach Polen, nach Ungarn, nach Prag, nach Indien, Korea, Peru. Aber auch die Reisen nach Deutschland und Frankreich. Und wichtig war für mich das Fernsehinterview mit Papst Benedikt, bei dem ich zusammen saß mit den Chefs von ARD, ZDF und Deutsche Welle.

Das Interview führte Mario Galgano.

(radio vatican - mg)

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12. Februar 2021, 10:25