Deutscher Botschafter Koch: „Papstrede war ein Tour d´Horizon“
Radio Vatikan: Herr Botschafter Michael Koch, Sie waren an diesem Montag bei der Audienz beim Papst für das diplomatische Korps. Es gab eine lange, auch politische Rede des Papstes mit vielen Themen und Hinweise auf geographische Krisenherde, die namentlich genannt wurden. Was hat Ihnen persönlich an dieser Rede von Papst Franziskus gefallen oder was ist Ihnen besonders aufgefallen, das Sie gerne mit uns teilen wollen?
Botschafter Koch: Also zunächst einmal ist natürlich wenig überraschend ein eindeutiger Schwerpunkt gesetzt worden beim Thema Corona, dass er dann allerdings auch heruntergebrochen hat auf verschiedene einzelnen Bereiche. Das Zweite ist eine sehr deutliche Vierteilung seiner Ansprache. Er sprach von einer vierfachen Krise: Der Gesundheitskrise und das ist natürlich vor allem die Corona-Krise; einer wirtschaftlichen Krise; einer sozialen Krise und einer politischen Krise. Und das hat er dann auch wiederum durchdekliniert im Hinblick auf einzelne Fragestellungen. Also in der Summe war die Rede wirklich das, was die Diplomaten ein Tour d´Horizon nennen mit einem französischen Wort, also der Versuch, das Ganze in den Blick zu nehmen und für dieses Jahr 2021 auch ein paar Schwerpunkte deutlich werden zu lassen.
Radio Vatikan: Zum Stichwort Corona, das ja einen großen Teil dieser Rede ausgemacht hat, was ist Ihnen da besonders aufgefallen und was denken Sie, war zum Thema Überwindung dieser Gesundheitskrise wichtig?
Botschafter Koch: Also, was der Papst erneut gesagt hat, vielleicht sogar noch einmal verstärkt: Die Notwendigkeit, Corona als Aufgabe der Menschheit zu betrachten und zu überwinden. Eine Sichtweise, wie sie ja da und dort im öffentlichen Diskurs mal aufscheint, wo so eine Art Wettbewerb daraus gestrickt wird und es darum geht, schneller zu impfen, als der Nachbar - als Selbstzweck. Es ist ja klar und das ist im Übrigen auch exakt der Standpunkt der deutschen Bundesregierung, dass am Ende wir entweder alle sicher sind oder niemand. Insoweit ist nicht nur unter altruistischen Gesichtspunkten ein massives Interesse geben: Man muss allen helfen, auch denjenigen, die nicht in der glücklichen Lage sind, über den Wohlstand Europas zu verfügen. Es geht darum, möglichst schnell und möglichst effektiv impfen zu können und in Erwartung dessen, mit allem ausgestattet zu werden, was es braucht, um die Pandemie in Grenzen zu halten. Diesen Gedanken hat der Papst erneut betont. Das ist nicht das erste Mal, aber es ist sicher besonders wichtig, dass gerade der Heilige Stuhl als moralische Autorität auf diesen überragend wichtigen Gesichtspunkt immer wieder verweist.
Radio Vatikan: Der Papst hat neben Themen wie Corona und auch konkrete Länder genannt. Deutschland hat er nicht genannt, aber was ist denn für Deutschland denn etwas, was Sie sagen, das ist eine Botschaft, die auch für das deutsche Volk von Bedeutung ist?
Botschafter Koch: Also, das schöne ist ja - und das sage ich an dieser Stelle nicht das erste Mal -, dass die Position des Papstes, wie sie in einer solchen großen Rede deutlich werden und auch in unzähligen anderen Äußerungen von ihm, dass sie mit denen der deutschen Bundesregierung - nicht ausnahmslos, aber fast ausnahmslos - übereinstimmen. Insoweit können wir uns da ständig gegenseitig in den Arm nehmen und sagen: genau und großartig, wir stimmen zu. Aber, was können wir zusammen machen? Ich verweise auf das Thema Flüchtlinge und Migration, das in früheren Jahren eine große Rolle gespielt hat. Das hat der Papst aber jetzt auch genannt und hat ebenso auf die Bemühungen hingewiesen, die es innerhalb der Europäischen Union im letzten Jahr gegeben hat, hier voranzukommen. Dafür hat sich etwa die deutsche (EU-Rats) Präsidentschaft im letzten halben Jahr massiv eingesetzt. An solchen Beispielen, die sich leicht vermehren ließen, können Sie erkennen, dass es in gewisser Weise einer solchen expliziten Botschaft an Deutschland gar nicht Bedarf, weil die Übereinstimmung zwischen Heiligem Stuhl und der deutschen Bundesregierung so groß ist.
Radio Vatikan: Zu den konkreten politischen Krisen nannte Franziskus die Krisen in Myanmar, Israel und Palästina sowie das sogenannte „New Start-Abkommen“ zwischen Russland und USA. Wie nimmt man denn das als Botschafter wahr? Gerade wenn ein Papst auch so konkret Länder namentlich nennt, ist das ja auch diplomatisch eine Besonderheit. Man muss da ja ein gewisses Fingerspitzengefühl haben...
Botschafter Koch: Natürlich, das ist völlig richtig in Ihrer Annahme. Es ist natürlich immer leichter in abstracto zu sprechen. Da ist es meistenteils auch sehr viel leichter, Übereinstimmung zu finden und es wird schwieriger oder überhaupt schwierig, wenn man ein Eintreten für Menschenrechte dann konkretisiert und auf ein bestimmtes Land hinweist, vielleicht verbunden mit dem Hinweis, dass in diesem Land gerade etwas passiert, was die Menschenrechte nicht befördert oder zurückwirft wie in Myanmar. Das hat natürlich eine andere Qualität und deswegen ist das etwas, das sorgfältig beobachtet wird. Das ist eine eines der Dinge, die man tut, wenn man eine solche Rede auswertet: Wo wird ein Land oder ein Sachverhalt ganz konkret benannt und wo eben nicht? Wobei, man darf das dann auch wieder nicht übertreiben: Auch in einer solch langen Rede kann man natürlich niemals wirklich alles abdecken. Irgendwas bleibt dann auch unerwähnt. Also, das darf man auch nicht überschätzen. Aber die unterschiedliche Art, wie Probleme angesprochen werden, das gehört sicher zu den Dingen, die wichtig sind und interessant, um den Stellenwert dieses Themas präziser ermitteln zu können.
Das Gespräch führte Mario Galgano.
(vatican news)
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