Vatikan: Gericht hört Zeugen zu Missbrauchsvorwürfen
Bei der sechsten Sitzung des Gerichts, die etwas mehr als eine Stunde dauerte, wurde am Donnerstag der Bischof von Como, Monsignore Oscar Cantoni (70), der die Diözese seit Oktober 2016 leitet, als Zeuge vernommen. Sein Vorgänger Diego Coletti (79) war Bischof von Como während des strittigen Sachverhalts. Coletti legte ein ärztliches Attest vor, dass er aufgrund von kognitiven Störungen nicht in der Lage sei, Fragen zu dem Vorfall zu beantworten.
Unangemessenes Handeln
Bischof Cantoni bestätigte vor Gericht Aussagen eines Berichts, laut dem Gabriele Martinelli „zwischen September 2006 und Juni 2012 sexuell unangemessene Praktiken ausgeübt hat". Vor Gericht wurde präzisiert, dass der Angeklagte in dieser Zeit kein Kleriker war. Das Verhalten sei Ausdruck einer „vorübergehenden homosexuellen Neigung“ in der Pubertät gewesen. Nach seiner Rückkehr nach Como (ab 2016) habe es „keinerlei Anzeigen oder Beschwerden“ gegen den Geistlichen gegeben, so Bischof Cantoni. Ein psychologisches Gutachten vor der Weihe habe die Reife des Priesteramtskandidaten bestätigt.
Der Priester Gabriele Martinelli wird beschuldigt, vor seiner Priesterweihe während der Zeit im vatikanischen Konvikt „Preseminario San Pio X“ einen Mitbewohner sexuell missbraucht zu haben. Enrico Radice, der frühere Rektor der Einrichtung, muss sich gegen den Vorwurf verteidigen, er habe die Ermittlungen behindert. Beide Geistlichen wurden im norditalienischen Bistum Como inkardiniert.
Anhörung des mutmaßlichen Opfers im März
Die Anhörung des mutmaßlich Geschädigten sind für 17. und 18. März angesetzt. Am 18. März soll zudem eine Besichtigung am Sitz des Knabenseminars erfolgen, teilte der Präsident des Gerichts, Giuseppe Pignatone, mit. Der Sitz des Konvikts liegt in unmittelbarer Nähe des Vatikantribunals.
Hintergrund
Das „Preseminario San Pio X“ wurde wurde 1956 gegründet. Es ist ein Internat im Vatikan für Jungen im Alter von elf bis 14 Jahren, die im Petersdom als Ministranten dienen und sich für eine Laufbahn als Priester interessieren.
2013 keine Anhaltspunkte
Enrico Radice war von 2002 bis 2014 Rektor der Institution. Bereits 2013 war der Vatikan dem Verdacht nachgegangen, im Präseminar sei es zu Missbrauch an Knaben gekommen. Damals waren keine Anhaltspunkte dafür gefunden worden.
(vatican news – sst)
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