Vor 500 Jahren: Wie der deutsche Papst Hadrian VI. am Reformieren scheiterte
In Utrecht geboren, das damals zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehörte, war Hadrian VI. ein hochgelehrter und geachteter Theologe, Prinzenerzieher in Brüssel und Großinquisitor in Spanien. Ein ausgesprochener Nicht-Römer: niemals in Rom gewesen, auf Abstand zu den fürstlich auftretenden Päpsten seiner Zeit. Der Kirchenrechtler P. Markus Graulich, Untersekretär am Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte in Rom, beschäftigt sich seit seiner Promotion mit Hadrian VI. und umreißt das Umfeld so:
„1522 ist ein Jahr, wo die Päpste in Rom schon lange so agiert hatten, als wären sie weltliche Herrscher und nicht geistliche Führer. Sie haben Kriege geführt. Sie haben sich in die Parteiungen Europas eingemischt, sie haben den Kirchenstaat geleitet und viele Dinge in der geistlichen Leitung und ihrer pastoralen Aufgabe vernachlässigt. Viele Ämter in der Kirche, auch das Papsttum, waren eben zu Preisen geworden und sie hatten auch tatsächlich einen Preis.“
Patt beim Konklave, ein Außenseiter kommt zum Zug
So hatten beim Konklave die Kardinäle bereits vereinbart, wer von ihnen welche einträglichen Posten unter dem nächsten Papst erhalten sollte. Doch dann geriet die Papstwahl in eine Pattsituation. So kam überraschend der in Rom unbekannte Niederländer mit seiner eindrucksvollen Biografie zum Zug. Adriaan Florisz Boeyens hatte zwölf Jahre in Löwen studiert und war danach dort Theologie-Professor geworden. Mit seinen Talenten fiel der junge Priester Margarete von Habsburg auf, die ihn als Erzieher des späteren Kaisers Karl V. nach Brüssel holte. „Da ist er so eine Art Religionslehrer und geistlicher Begleiter gewesen“, erklärt Graulich. „Der Habsburger Hof war ja sehr fromm, mit täglicher Messe, auch für die Adligen.“
Als so fähig erweist sich Hadrian, dass Karl ihn nach Spanien schickt, um dort seine Nachfolge sicherzustellen. Vorübergehend war er, der Priester, sogar Karls Statthalter als Herrscher Spaniens, später vertraut der Kaiser ihm dort die kirchlichen Angelegenheiten an. „Er bekommt dort also ein ungeheures Profil im staatlichen und kirchlichen Bereich, wird dann Bischof von Tortosa in Spanien und Großinquisitor Spaniens, 1517 noch Kardinal.“
Die Papstwahl trifft Hadrian so unerwartet wie alle anderen Kirchenmänner, doch er nimmt sie an. Sieben Monate später – die Transportwege der frühen Neuzeit waren umständlich – langt Hadrian in Rom ein. Und scheut sich nicht, umgehend die Missstände an der römischen Kurie anzuprangern. „Am 31. August wird er gekrönt, am Tag danach watscht er die Kardinäle ab in seiner ersten Konsistorium-Ansprache. Er sagt ihnen: ihr müsst euer Leben radikal ändern, sonst bringt das ja alles nichts.“
Ein Kernproblem: Als Hadrian aus Spanien anreiste und Papst wurde, war die Kurie pleite.
Hadrian geht gegen Ämterprivilegien vor
„Ja, die war pleite, weil die Päpste eben auf andere Dinge Wert gelegt haben als auf die kirchlichen Angelegenheiten. Leo X. – Hadrians Vorgänger - sagte: „Jetzt hat Gott uns das Papstamt verliehen, jetzt wollen wir es auch genießen.“ Dadurch kam es auch sehr stark zu dem Ämterverkauf, den es hier gegeben hat. Das hat Hadrian versucht natürlich aufzuhalten.“ Dazu regelt der deutsche Reform-Papst die Vergabe kirchlicher Ämter neu und verbietet, dass ein Amt mehrfach vergeben wird. „Es gab ja Leute, die waren Äbte von fünf Abteien und noch Bischof von drei bis vier Bistümern und so weiter. Das sollte alles nicht mehr geschehen und es sollten wirklich die Würdigsten und Gebildetsten gewählt werden. Durch die Erneuerung der Personen wollte er dann eben auch die Kirche erneuern.“
In dieser Perspektive will Papst Hadrian auch die Reformation stoppen, die machtvoll durch die deutschen Länder fegt.
„Er schickt auf den Reichstag zu Nürnberg seinen Nuntius Francesco Chieregati, der dort das berühmte Schuldbekenntnis Hadrians vorträgt, wo er sagt: Von diesem Heiligen Stuhl ist alles Übel ausgegangen, und deshalb müssen wir den Heiligen Stuhl erneuern, um die Kirche zu erneuern. Leider waren die Bischöfe genauso verweltlicht wie hier in Rom, die hat das gar nicht mehr interessiert. Dem Papst haben also einfach die Mitstreiter gefehlt.“
Die befremdliche Gewohnheit zu beten
Denn Papst Hadrian führte in Rom Gewohnheiten fort, die aus damaliger römischer Sicht nicht kurien-kompatibel waren. Auf die Kurie und das ganze Umfeld wirkte der deutsche Papst befremdlich.
„Der Botschafter von Venedig damals schickte sehr ausführliche Berichte, und er hebt hervor, dass dieser Papst völlig verrückt sei, der feiere jeden Tag die Messe und verwende zwei Stunden des Tages auf sein Stundengebet. Also, wenn das schon erwähnenswert war für den Papst, können Sie sich vorstellen, dass seine Art ganz anders war. Und er hat auch den römischen Way of Life damals nicht verstanden und dadurch auch keine Mitarbeiter gefunden.“
Ein Kunstfreund wie die Päpste vor und nach ihm war der barsche Niederländer auch nicht. Im Gegenteil.
„Er hat die Künstler hinausgeschmissen. Er hat im Vatikan das Belvedere zugemauert - da war kurz vorher die Laokoon-Gruppe gefunden worden, eine große Sensation. Er hat gesagt, das sind heidnische Götter und Idole, die muss man nicht sehen. Dann wird das Belvedere zugemauert und nur er hat den Schlüssel zur einzigen Tür. Den Römern wollte er die Feste verbieten. Also die Römer haben ihn nicht geliebt, die haben gefeiert, als er dann tot war.“
Von Hadrian zu Franziskus?
Nur 20 Monate als Papst waren Hadrian gegönnt. Er war der letzte Nicht-Italiener als Bischof von Rom, bis 1978 der Pole Johannes Paul II. Papst wurde. Hadrians durchaus prunkvolles Grab befindet sich in der deutschsprachigen Kirche S. Maria dell´Anima in Rom.
Einiges an den kraftvollen Reformprojekten Hadrians erinnert an den heutigen Papst Franziskus: das Nüchterne, das Entschlossene. Doch Pater Graulich, der bereits seit langen Jahren an der Kurie arbeitet, sieht auch so manchen Gegensatz. Der erste: Hadrian war ein Theologe, Franziskus ist ein Seelsorger.
„Was die beiden vereint, ist das pastorale Anliegen: Das Heil der Seelen steht bei beiden im Vordergrund. Das hat Hadrian schon als Professor gemacht, er war auch ein beliebter Seelsorger auch, ist zu den Menschen wirklich hingegangen, hat auch in den Ferien immer die Pfarrei besucht, was auch ungewöhnlich war, in seiner Zeit. Und eben die Qualität des Personals, darauf legen beide großen Wert. Die Konsistorium-Ansprache von Hadrian VI. am 1. September 1522 und die Ansprachen, die Papst Franziskus an die Kurie hält, könnten vom gleichen Verfasser stammen. Oder auch der Satz an den Reichstag von Nürnberg: „Von diesem Heiligen Stuhl ist alles Übel ausgegangen“ - das könnte ich mir auch im Mund von Papst Franziskus vorstellen."
Einen wesentlichen Gegensatz zwischen Hadrian VI. vor 500 Jahren und Franziskus heute benennt P. Graulich so:
„Natürlich hat Franziskus im Gegensatz zu Papst Hadrian Mitarbeiter, die sein Reformanliegen teilen und die mit ihm versuchen, das umzusetzen. Das hat eben Hadrian leider nicht gehabt. Und dann schauen wir mal, was jetzt rauskommt…!“
(vatican news)
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