Vatikan: Neues Grundgesetz veröffentlicht
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Niemand hatte für diesen Samstag mit „Praedicate Evangelium“ (Verkündet das Evangelium) gerechnet: So heißt das neue 54-Seiten-Grundgesetz, das die Kurie neu ordnet und an die Stelle der bisher gültigen Konstitution „Pastor bonus“ von 1988 tritt. Seit Jahren hat Papst Franziskus mit seinem Kardinalsrat an diesem Grundlagentext gearbeitet, und immer wieder hatte sich die Veröffentlichung nach hinten verschoben. Dieser Samstag ist Fest des hl. Josef - und eigentlich ein Feiertag im Vatikan.
„Praedicate Evangelium“ bildet das Herzstück der Reformen, die der lateinamerikanische Papst seit seiner Wahl 2013 auf den Weg gebracht hat. Das Grundgesetz soll sicherstellen, dass die römische Kurie sich noch stärker als Dienstleisterin der Ortskirchen in aller Welt versteht. Außerdem wird sie stringent auf das Hauptziel der Evangelisierung ausgerichtet. An diesem Samstag wurde bekannt, dass Franziskus die Apostolische Konstitution promulgiert hat – das ist der letzte Schritt vor dem Inkrafttreten.
Wenn der Papst zum Präfekten wird
Am Montag wird Kurienkardinal Marcello Semeraro „Praedicate Evangelium” vor der Vatikanpresse erläutern. Zahlreiche Einzelreformen an der Kurie, die Franziskus in den letzten Jahren durchgeführt hat, werden in dem Text, der bisher nur in italienischer Sprache vorliegt, systematisiert und ins Ganze der Kurie eingeordnet. Alle zentralen Einrichtungen der Kurie mit Ausnahme des Staatssekretariats heißen künftig übrigens Dikasterium - ganz gleich, ob sie bisher eine jahrhundertealte Kongregation waren oder ein nach dem letzten Konzil ins Leben gerufener Päpstlicher Rat. Das sorgt für eine starke Vereinheitlichung im bisherigen vatikanischen Wimmelbild.
Die wohl markanteste Änderung der insgesamt 250 Artikel: Die bisherige Missionskongregation und der erst 2010 unter Benedikt XVI. eingerichtete Päpstliche Rat für die Neuevangelisierung werden zu einem Dikasterium für Evangelisierung zusammengelegt - und dessen Präfekt wird der Papst. Klarer kann man nicht ausdrücken, dass Evangelisierung im Vatikan auch institutionell zur Chefsache wird.
Weniger Macht - mehr Dienst
Zusammengelegt werden auch die Bildungskongregation und der Päpstliche Kulturrat; das Ergebnis nennt sich künftig Dikasterium für Kultur und Erziehung. Eine Aufwertung erfährt das bisherige päpstliche Almosenamt: Es firmiert künftig als Dikasterium für den Dienst der Nächstenliebe und soll „in jedem Teil der Welt das Werk der Hilfe und des Beistands im Namen des Papstes ausüben”. Die Apostolische Konstitution reiht bezeichnenderweise die bisherige Glaubenskongregation, die das Schwergewicht unter den historischen Ministerien der Kurie war, in ihrer Aufzählung zwischen die Dikasterien der Evangelisierung und des Dienstes der Nächstenliebe ein. Eine weitere Neuerung betrifft die Kommission für den Schutz von Minderjährigen, die Teil des Dikasteriums für die Glaubenslehre wird, aber weiterhin mit eigenen Normen arbeitet und einen eigenen Präsidenten und Sekretär hat.
Was sonst noch wichtig ist im neuen Grundgesetz der Kurie? Das Staatssekretariat soll künftig deutlicher als päpstliches Sekretariat auftreten - und nicht so sehr als weltkirchliche Kommandozentrale. Das passt zur allgemeinen Tendenz im Pontifikat von Franziskus, weniger von Macht und mehr von Dienst zu sprechen. Außerdem wird schwarz auf weiß festgeschrieben, dass auch Laien - und damit auch Frauen - vatikanische Behörden leiten können.
Hauptziel: Evangelisierung und „missionarische Bekehrung“
Die Präambel von „Praedicate Evangelium“ stellt klar, dass die zentrale Aufgabe der Kirche und damit der römischen Kurie die Verkündigung ist. Die ganze Kirche sei zu einer „missionarischen Bekehrung“ aufgerufen. „Im Zusammenhang mit dem missionarischen Charakter der Kirche ist auch die Reform der römischen Kurie zu sehen.“ Es gehe darum, „die Ausübung des Dienstes der Kurie besser mit dem Weg der Evangelisierung in Einklang zu bringen, den die Kirche geht“.
Die Präambel betont auch das Prinzip der Synodalität, das dem Papst besonders am Herzen liegt: In der „Kirche des Zuhörens“ könne jeder von jedem lernen. „Die Erneuerung der Kirche und in ihr auch der römischen Kurie muss diese grundlegende Gegenseitigkeit widerspiegeln.“
„Die Kurie steht nicht zwischen dem Papst und den Bischöfen“
Franziskus, der als Papst oberster Gesetzgeber der Kirche ist, betont die Kollegialität der Bischöfe mit dem Papst und untereinander. „Die römische Kurie steht nicht zwischen dem Papst und den Bischöfen, sondern stellt sich in den Dienst beider.“ Er würdigt auch die Rolle der Bischofskonferenzen und gibt das Ziel vor, „ihr Potenzial zu stärken“. Außerdem betont er, eine Kurienreform müsse „die Beteiligung von Laien und Frauen auch in leitenden und verantwortlichen Funktionen vorsehen“.
Auffallend ist in der Präambel der geistliche Sinn, den Franziskus seiner Kurienreform unterlegt. Er ruft ausdrücklich nach einer „inneren Reform“, bei der die „Spiritualität des Konzils“ und das Beispiel Jesu vom barmherzigen Samariter – das auch in der letzten Enzyklika „Fratelli tutti“ eine Schlüsselrolle spielte – Richtschnur sein sollten. Natürlich brauche eine solche Reform Zeit, doch sei sie von den Kardinälen im Vorkonklave 2013 ausdrücklich gewünscht worden.
(vatican news)
- wird fortlaufend aktualisiert -
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