Der brasilianische Kardinal Claudio Hummes ist tot
Salvatore Cernuzio und Stefanie Stahlhofen – Vatikanstadt
Kardinal Scherer überbrachte die Nachricht „mit großer Trauer" und rief in einer Botschaft zu Gebeten zum Dank für das arbeitsreiche Leben des verstorbenen Kardinals. Alle sollten Gott bitten, dem Verstobenen das ewige Leben zu schenken. Der Leichnam soll laut Kardinal Scherer für die Totenwache in der Kathedrale von São Paulo aufgebahrt werden, wo auch Messen für die Gläubigen gefeiert werden.
Ein Herz für die Armen
Kardinal Hummes hatte ein großes Herz, das - und das ist keine Rhetorik - für die Armen schlug. Die indigenen Völker des Amazonas, geweihte und Laienmissionare; die Durstigen und Hungrigen des globalen Südens, schlecht bezahlte Arbeiter oder Opfer des Klimawandels. Alle armen Menschen gingen ihm ständig durch den Kopf, auch bei den letzten Wahlgängen des Konklaves 2013, bei dem der Erzbischof von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, gewählt wurde. Seinem argentinischen Freund, der neben ihm saß, flüsterte er, als dieser die für die Wahl erforderliche Stimmenzahl erreicht hatte, ins Ohr: „Vergiss die Armen nicht". Aus einer Intuition heraus entstand eine weitere Intuition: Die des neu gewählten Papstes für die Wahl des Namens, wie Papst Franziskus selbst Journalisten bei einer Audienz am 16. März 2013 mitteilte:
Er sagte dem künftigen Papst: „Vergiss die Armen nicht"
„Neben mir saß der emeritierte Erzbischof von São Paulo und emeritierte Präfekt der Kongregation für den Klerus, Kardinal Claudio Hummes: Ein großer Freund, ein großer Freund! Als es ein bisschen gefährlich wurde, hat er mich getröstet. Und als die Stimmen auf zwei Drittel gestiegen waren, gab es den üblichen Applaus, denn der Papst war gewählt worden. Und er umarmte mich, küsste mich und sagte: ,Vergiss die Armen nicht! Und dieses Wort taucht hier auf: die Armen, die Armen. In Bezug auf die Armen dachte ich sofort an Franz von Assisi".
Hummes und das Pontifikat von Franziskus
Hummes freute sich über diese Wahl und wünschte dem Papst auch im Interview mit Radio Vatikan „ein langes Pontifikat", denn, so sagte er, „die Kirche braucht dieses Pontifikat, die Kirche braucht dieses Projekt, das er verkörpert und das er in Gang gesetzt hat". Für die Kirche betete Hummes immer, dass sie fest und geeint bleibe und äußeren und inneren Bedrohungen nicht nachgeben möge. „Die Kirche verteidigt ihre Einheit als eine Einheit der Vielfalt. Spaltungen sind böse", sagte der Kardinal angesichts derjenigen, die die Autorität des Papstes in Frage stellen wollten.
Hummes und Amazonien
Der emeritierte Erzbischof von São Paulo hoffte auf ein Ende von Abholzung, Raubbau, Land- und Volkskrankheiten sowie pastoralen Problemen für die geplagte Bevölkerung des Amazonasgebiets. Die katholische Kirche, die er sich als arm und immer „aufgeschlossen" wünschte, sollte hier helfen. Daher freute sich der Kardinal auch sehr über die Einberufung der Amazonas-Synode im Oktober 2019. Er sah darin eine Gelegenheit, die kollektive Aufmerksamkeit auf einen oft vergessenen Teil der Welt zu richten. Kardinal Hummes wurde zum Generalberichterstatter dieser Synode ernannt. In seinem Einführungsbericht schlug er vor, die Arbeit auf neue Wege für die Kirche in Amazonien zu konzentrieren: Inkulturation und Interkulturalität, die Frage des Priestermangels, die Rolle der Diakone und der Frauen, die Pflege der Umwelt im Geiste der integralen Ökologie.
„Die indigenen Völker haben auf vielfältige Weise gezeigt, dass sie die Unterstützung der Kirche bei der Verteidigung und dem Schutz ihrer Rechte und beim Aufbau ihrer Zukunft wünschen. Und sie bitten die Kirche, eine ständige Verbündete zu sein", sagte der Kardinal während der Synode. „Den indigenen Völkern muss das Recht zurückgegeben und garantiert werden, Protagonisten ihrer Geschichte zu sein, Subjekte und nicht Objekte des Geistes und der Handlungen von irgendjemandes Kolonialismus". Er mahnte auch, dass die Ergebnisse der Amazonien-Synode nicht ungehört verhallen dürften.
Zur Person - Sohn einer deutschstämmigen Familie
Mit dem Taufnamen Auri Afonso wurde der spätere Kardinal Hummes am 8.8.1934 in Montenegro (Brasilien) geboren. Nach seinem Eintritt in den Orden der Minderbrüder im Jahr 1956 nahm er den Ordensnamen Cláudio an. Der aus einer deutschen Einwandererfamilie stammende Hummes bekleidete von 2006 bis 2010 einen der einflussreichsten Posten im Vatikan: Er war Präfekt der Kleruskongregation und damit für einen großen Teil der damals rund 275.000 Diözesanpriester in der Weltkirche zuständig. Zuvor leitete er mit dem sechs Millionen Katholiken zählenden Bistum São Paulo in Brasilien acht Jahre lang eine der größten Diözesen der Welt.
Hummes wurde 1958 zum Priester geweiht. Nach einem Theologie-Studium in Brasilien ging der Franziskaner von 1959 bis 1963 zum Philosophie-Studium nach Rom. Nach einigen Jahren als Philosophieprofessor in seinem Heimatland kehrte er 1968 nach Europa zurück, wo er am Ökumenischen Institut Bossey in Genf studierte. Nach seiner abermaligen Rückkehr nach Brasilien war er unter anderem Ordensprovinzial der Franziskaner von Rio Grande do Sul.
Von 1979 bis 1990 war er nationaler Assistent für die Arbeiterseelsorge der Brasilianischen Bischofskonferenz. Obwohl sozialpolitisch sehr engagiert, galt Hummes wie Franziskus nicht als Anhänger der klassischen Befreiungstheologie. Bisweilen wurde er wie der Papst einer „Theologie des Volkes" zugerechnet, einer besonderen Spielart der Befreiungstheologie mit starkem Akzent auf Volksfrömmigkeit.
1975 bereits war Hummes 39-jährig von Paul VI. zum Bischof von Santo Andre ernannt worden, 1996 wurde er Erzbischof von Fortaleza, von 1998 bis 2006 dann von Sao Paulo. Johannes Paul II. ernannte Hummes 2001 zum Kardinal.
Seinen größten Auftritt hatte Hummes drei Jahre nach seiner Pensionierung: Am Abend des 13. März 2013, als er gemeinsam mit dem soeben gewählten Papst Franziskus und dem Kardinalvikar des Bistums Rom, Agostino Vallini, auf den mittleren Balkon des Petersdoms vor die Weltöffentlichkeit trat. Der Papst wollte seinen Freund Hummes in diesem entscheidenden Augenblick offenbar nicht missen.
Das Kardinalskollegium
Nach Hummes' Tod zählt das Kardinalkollegium noch 207 Mitglieder; davon sind 116 unter 80 Jahre alt und damit zur Papstwahl berechtigt. Ende August nimmt Papst Franziskus 20 weitere Männer in seinen Senat auf, davon 16 Stimmberechtigte.
(Vatican news/kna/Adveniat)
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