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Den Obelisken müssen wir uns jetzt mal wegdenken... Den Obelisken müssen wir uns jetzt mal wegdenken... 

Vatikan: Obelisken zurück nach Ägypten?

Sollte der Vatikan geraubte Artefakte zurückgeben? Nach der Kanada-Reise von Papst Franziskus ist eine Debatte darüber entbrannt. Für den deutschen Vatikanexperten Ulrich Nersinger ist die Frage komplizierter, als sie auf den ersten Blick erscheint.

Das sagte er in einem Interview mit dem Kölner Domradio.

Interview

Was sind das für Kulturgüter aus kolonialen Ländern im Besitz des Vatikans? Ist das ein großer Schatz?

Nersinger: Wir finden das alles untergebracht im früheren Missionsethnologischen Museum. Heute heißt das ‚Ethnologisches Museum Anima Mundi‘. Das finde ich eine sehr gute Namenswahl. Dort sind weit über 80.000 Objekte gesammelt, von denen nur ein Bruchteil dauerhaft ausgestellt werden kann. Das Ganze ist entstanden durch eine Aktion aus dem Jahre 1925: Da hat Papst Pius XI. eine sogenannte ‚Vatikanische Weltausstellung‘, eine Missionsausstellung ins Leben gerufen. Die fand in den Vatikanischen Museen und den Vatikanischen Gärten statt. Daraus ist dann relativ schnell ein Missionsethnologisches Museum im Lateran entstanden. Das wechselte in den 70er-Jahren in den Vatikan. Und das ist eine einzigartige Ausstellung, die uns wirklich die Kulturen aller Völker der Welt näherbringt.

Hier das ganze Interview zum Nachhören

Wissen wir denn, woher und wie diese Stücke in den Vatikan gekommen sind?

Nersinger: Das wird im Einzelnen sehr, sehr schwer zu eruieren sein. Es sind viele Geschenke dabei. Geschenke, die Stämme, ausländische Herrscher dem Vatikan, dem Papst gemacht haben. Man kann natürlich nicht bei jedem einzelnen Stück genau erforschen, wo es herkommt. Ich will auch gar nicht ausschließen, dass darunter etwas ist, was nicht so ganz legitim in den Vatikan gekommen ist.

Pius XI.
Pius XI.

Dennoch sagen Sie, das frühere Missionsethnologische Museum sieht sich vor allen Dingen auch als ein Museum, das über die Kultur anderer Völker informieren und aufklären will. Ist das richtig?

Nersinger: Es gibt ein sehr schönes Beispiel aus dem Jahr 2014. In diesem Jahr hat das Museum des Vatikans mit einem Museum aus dem Emirat Sharjah am Golf eine Gemeinschaftsproduktion gemacht, eben in diesem kleinen Golfstaat. Man hat da ethnologische Kunstwerke und Objekte ausgestellt. Ich fand es sehr bezeichnend, dass das unter dem Motto aus einer Sure des Koran stand. In einer Sure wird gefragt, warum die Menschen so verschieden sind. ‚Damit sie sich besser kennenlernen‘, ist die Antwort. Da sieht man, dass eine solche Ausstellung und eine Präsentation von solchen Objekten etwas Völkerverbindendes ist, etwas, das Völker verstehen hilft.

Die Rückgabe von unrechtmäßig angeeignetem Kulturgut, ist im Moment ein bestimmendes Thema in westlichen Museen, die ethnologische Exponate besitzen. Wird eine solche Diskussion auch im Vatikan geführt?

Nersinger: Man wird wahrscheinlich überlegen, was da sein könnte. Aber im Großen und Ganzen wird das nur schwer durchführbar sein. Es steckt ja keine schlechte Intention dahinter. Man weiß, dass wirklich viele Geschenke aus den unterschiedlichsten Motiven in den Vatikan gelangt sind. Denken wir daran: Wenn der Papst neu gewählt wurde und die Krönung war, haben sehr viele Herrscher etwas geschenkt. Das geht von lebenden Tieren bis hin zu Objekten aus dem Kulturkreis.

Man kann natürlich auch von manchen Objekten, von denen man nicht weiß, wie sie hingekommen sind, nur schwer Herkunft oder deren Weg verfolgen. Man muss bei all dem auch immer aus der damaligen Zeit heraus agieren. Man kann nicht unbedingt unsere Maßstäbe aus dem Jahre 2022 ansetzen.

Santa Maria Maggiore
Santa Maria Maggiore

Konkretes Beispiel: Es gibt die vergoldete Holzdecke der berühmten römischen Basilika Santa Maria Maggiore. Die ist mit dem ersten Gold verziert, das die spanische Krone sich vor Jahrhunderten aus Südamerika bringen ließ. Das war natürlich geraubtes Gold.

Nersinger: Da ist natürlich die Rückgabe sehr schwer. Diese Decke hat die damalige Königin Isabella von Kastilien dem Heiligen Vater geschenkt. Ich fürchte auch, dass der jetzige Heilige Vater, dessen Lieblingskirche Santa Maria Maggiore ja beinahe ist, vor allen Dingen das Marienbild Salus populi Romani dort, keine große Diskussion darüber führen möchte.

Wenn man es genau nehmen würde, dann müsste Köln auch die Gebeine der Heiligen Drei Könige auch nach Mailand zurückgeben, wo wir sie geraubt haben. Wie sehen Sie das?

Nersinger: Das zeigt auch, dass in manchen Bereichen die Diskussion sehr schnell ins Absurde hineingleiten kann. Solche Sachen sind natürlich nicht mehr zurückerstattbar. Dahinter stecken vielleicht auch politische Motive, die man damals womöglich sogar verstehen konnte.

Aber denken wir an andere Sachen: Wir haben in Rom eine Unzahl von Obelisken. Sollen wir jetzt die Obelisken abreißen und nach Ägypten fahren? Was soll man dort damit tun? Es gibt schon eine ganze Reihe von Beispielen. Ich warne auch davor, immer zu denken: Alles ist gestohlen. Wenn wir zum Beispiel St. Paul vor den Mauern besuchen, dann hat es dort einen gewaltigen Brand im 19. Jahrhundert gegeben. Dort finden Sie zum Beispiel Marmorsäulen, die aus Ägypten stammen. Diese Säulen sind ein Geschenk des damaligen Vizekönigs Mehmet Ali an den Vatikan. Man muss sich also alles genau ansehen, man muss differenziert schauen und darf nicht alles in eine Zeitgeist-Debatte geraten lassen und damit alles infrage stellen, was durch Jahrhunderte oder Jahrtausende gewachsen ist.

Ein Artefakt im Anima-Mundi-Teil der Vatikanischen Museen
Ein Artefakt im Anima-Mundi-Teil der Vatikanischen Museen

Also Sie sagen: Rückgabe, ja, wenn der Raub klar ist. Bei allem anderen muss man genau hinschauen?

Nersinger: Bei bestimmten Objekten ist es einfach klar: Wenn wir da zum Beispiel Schädel haben. In den Vatikanischen Museen gab es auch mal Schrumpfköpfe. Da ist eine Erstattung oder eine Rückgabe natürlich angebracht.

(domradio – sk)
 

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02. August 2022, 10:18