Vizepostulatorin: „Pontifikat von Johannes Paul I. nur letzte Etappe eines Wegs“
Bei der Begegnung im Pressesaal waren auch Zeitzeugen anwesend, so eine der Nichten des früheren Papstes, Lina Petri, und mit Margherita Marin eine der Ordensfrauen, die ihm im Vatikan den Haushalt führten. Sie zeichneten ein persönliches und menschliches Bild von dem aus armen Verhältnissen stammenden Norditaliener aus dem Veneto. So erinnerte sich seine Nichte nicht nur daran, dass sie während seiner Zeit als Patriarch von Venedig stets offene Türen und Ohren bei ihm vorgefunden habe, sondern auch an die Erzählungen ihrer Mutter, dass er während des Zweiten Weltkrieges auf diskrete Weise dafür gesorgt habe, Juden vor der Verfolgung in Sicherheit zu bringen. Den Gläubigen ist der Papst vor allem dank seiner heiteren, zugänglichen Art und seines herzlichen Lächelns in Erinnerung geblieben.
Prozess ermöglicht Aktenstudium
Der Seligsprechungsprozess dauerte 19 Jahre. Dabei war es möglich, alle Dokumente in Zusammenhang mit dem plötzlichen Tod des Papstes am 28. September 1978 einzusehen, einschließlich der detaillierten Krankengeschichte und der ärztlichen Befunde nach seinem Tod, unterstrich die Vize-Postulatorin im Prozess, Stefania Falasca. Sie hatte vor fünf Jahren eine umfangreiche Recherche zum Tod des Papstes in Buchform vorgelegt. All diese Dokumente, wie auch die Zeugnisse der Ärzte, die für Einbalsamierung des Leichnams zuständig waren, seien mittlerweile publiziert und zeigten, dass die Todesursache ein Herzinfarkt war – dem am Vorabend wohl ein kleinerer Anfall vorausging, so Falasca. Doch der Papst habe die Schmerzen in der Brust nicht ernstgenommen und sei wie gewohnt zu Bett gegangen. Im Zug des Seligsprechungsprozesses seien auch die Ärzte von ihrer Schweigeverpflichtung befreit worden, was eine fundierte Untersuchung der Todesumstände ermöglicht habe. Doch die ,Fake News', die im Zusammenhang mit seinen Todesumständen zirkulierten, hätten viel zu lange die Bedeutung dieses Papstes für die Weltkirche überschattet, bedauert Falasca.
Bedeutung von Johannes Paul I.
Ein Verdienst des Seligsprechungsprozesses sei es nämlich vor allem gewesen, der „Wahrheit einen Dienst erwiesen zu haben, indem wir alle notwendigen Unterlagen zusammengestellt haben, um wirklich über Johannes Paul I. sprechen zu können, der bis dahin auch nach Aussage der Historiker vom historiographischen Interesse her einen bescheidenen Platz inne hatte“. Stefania Falasca ist auch Vizepräsidentin der Vatikanischen Stiftung Johannes Paul I. Dank des langen Verfahrens sei es überhaupt erst möglich geworden, die historischen Quellen zu erschließen und „ein Projekt einer historischen Rekonstruktion in Gang zu setzen, (…) um somit, Mosaikstein für Mosaikstein, das Eigene, die Würde und Weisheit des Patriarchen, Bischofs, Priesters und Nachfolgers Petri hervorzuheben. Und damit auch Bedeutung für das Lehramt, seine biblische und pastorale Kultur, aber auch seine Bedeutung als ,Apostel des Konzils', der gerade dank des Konzils zu den Ursprüngen der Kirche vorgedrungen war, und so die Gesamtheit eines Weges wiederherzustellen, dessen letzte Etappe, das Pontifikat, nur die Spitze des Eisbergs war.“
Durch die Transkription seiner Reden, wie für diesen Papst bislang noch nicht geschehen, und der Untersuchung seiner handschriftlichen Notizen in seinem Tagebuch und Notizblock, erklärte Falasca, „sehen wir nun alles, was er gesagt hat, in vollem Umfang und verstehen, dass auf seinem Weg vom Priester zum Thron Petri von alldem, was Luciani sagte, nichts der Improvisation überlassen war“.
Eine Reliquie bei der Seligsprechung
Die Vize-Postulatorin ging bei ihrer Wortmeldung auch auf die Reliquie ein, die Papst Franziskus bei der Feier am kommenden Sonntag überreicht werden soll: „Es handelt sich um eine geistliche Handschrift aus dem Privatarchiv von Albino Luciani, das der Vatikan-Stiftung Johannes Paul I. gehört und das sein ganzes Leben umspannt. Auf einem kleinen weißen Blatt Papier, das im Lauf der Zeit vergilbt ist, findet sich ein Entwurf für eine geistliche Reflexion über die drei theologischen Tugenden - Glaube, Hoffnung und Liebe -, der direkt an die drei Generalaudienzen vom 13., 20. und 27. September 1978 erinnert. Die Handschrift stammt aus dem Jahr 1956.“ Die Botschaft des Papstes mit ihrem Verweis auf die Demut, so Falasca abschließend, habe „eine theologische Grundlage, aber auch den großartigen Charakterzug, das Heilige und das Profane zu vermischen, ,nova et vetera‘, mit einer außerordentlichen Einfachheit, die jeden erreicht. Die Wurzeln seiner Heiligkeit müssen im Wesen des Glaubens gesucht werden, den er vermittelt hat.“
„Die Heiligkeit von ,Papa Luciani‘ ist wichtig für die Kirche und die heutige Welt, denn durch sein Beispiel werden wir zum Herzen des christlichen Lebens zurückgerufen: zur Demut und Güte derer, die sich selbst als Sünder erkennen, die der Barmherzigkeit bedürfen, derer, die anderen mit großzügiger Hingabe und guten Werken dienen wollen, indem sie die Freude des Evangeliums verkünden“: das betonte Kardinal Beniamino Stella während der Pressekonferenz an diesem Freitag zur bevorstehenden Seligsprechung von Albino Luciani, Papst vom 3. bis zum 22. September 1978.
Im Ruf der Heiligkeit
Der Postulator des Seligsprechungsprozesses zeichnete in seiner Einlassung die Geschichte der einzelnen Etappen des Selig- und Heiligsprechungsprozesses von Albino Luciani nach. Bereits 1990, lange vor der offiziellen Einleitung des Seligsprechungsprozesses, hatten die brasilianischen Bischöfe den Papst einmütig darum gebeten, seinen Vorgänger seligzusprechen – ein Hinweis auf den Ruf der Heiligkeit, der ihn bereits zu Lebzeiten umwob, unterstrich Stella. Insgesamt 19 Jahre lang dauerte der akribisch geführte Prozess schließlich, „nicht länger und nicht kürzer als andere Prozesse auch“, so der emeritierte Präfekt der Kleruskongregation.
„Luciani bezeugt uns das Gesicht einer demütigen, fleißigen und gelassenen Kirche, die sich um die Nachfolge ihres Herrn bemüht und weit entfernt ist von der häufigen Versuchung, die Bedeutung und den Wert des Evangeliums an der Meinung des Volkes oder der Gesellschaft über sich selbst zu messen“, hob der Postulator weiter hervor. Doch es gebe noch einen weiteren Aspekt zu beachten: „Albino Luciani lehrte uns durch sein Zeugnis als Bischof, dem die universale Dimension der Kirche am Herzen liegt, die Bedeutung der großzügigen Liebe und des bedingungslosen Gehorsams gegenüber dem Nachfolger Petri, ebenso wie den großen Wert der Einheit und der bischöflichen Gemeinschaft.“ In mehreren Episoden seiner Biographie werde diese Haltung deutlich, die seinem tiefen Glauben entspringe und die die „Bedeutung der kirchlichen Gemeinschaft“ anerkenne. Diese erfordere zuweilen „Opfer und Verzicht auf persönliche Positionen und Vorstellungen zum Wohl der Kirche“ und ihrer „angeborenen Berufung zur Einheit“, „die Jesus beim letzten Abendmahl so sehr gewünscht hat“, so der Postulator abschließend.
Große Feier auf dem Petersplatz
Am Sonntag wird Papst Franziskus bei einer feierlichen Messe auf dem Petersplatz seinen Vorgänger seligsprechen. Franziskus selbst hatte im Oktober 2021 eine Wunderheilung anerkannt, die sich auf Fürsprache seines Vorgängers ereignet habe. Die Messe beginnt ab 10.30 Uhr, eine persönliche Teilnahme ist nach Anmeldung bei der Präfektur des Päpstlichen Hauses möglich. Radio Vatikan/Vatican News überträgt live und mit deutschem Kommentar über die üblichen Kanäle Webseite, Facebook, Youtube und Partnersender.
(vatican news - cs)
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