Kardinal O'Malley: „Könnte keinen wichtigeren Dienst tun“
„Wir brauchen ein ernsthaftes Engagement, es ist eine Frage der Gerechtigkeit“: Das unterstreicht Kardinal O’Malley mehrfach an dem Tag, an dem der Papst zehn neue Mitglieder der Kommission ernannt hat. Die Tatsache, dass Papst Franziskus die Kommission in das Dikasterium für Glaubenslehre integriert hatte, bedeute, dass diese nun ein „Teil der Kurie“ sei und „die neue Verantwortung habe“, eine „Kultur des Schutzes“ innerhalb derselben zu fördern, so der Bostoner Kardinal gegenüber Vatican News.
Safeguarding-Kultur fördern
„Wir waren immer der Meinung, dass der Heilige Stuhl und die Kurie in dieser Angelegenheit ein Beispiel für die gesamte Kirche sein sollten, und jetzt haben wir die Möglichkeit, in diesem Prozess zu helfen“, betont O’Malley. Die Mitglieder der Kommission, die aus zwölf Laien und acht Kirchenangehörigen besteht, würden sich weiterhin frei äußern, meint der Kardinal, der hervorhebt, dass das Dikasterium für Glaubenslehre das Dikasterium sei, das für die Bearbeitung von Missbrauchsfällen zuständig sei.
„Wir handeln nicht in Einzelfällen, sondern unsere Aufgabe ist es, die Safeguarding-Kultur zu fördern, die Protokolle zu studieren und die Lehren an die Verantwortlichen der Kirche weiterzugeben. Im Dikasterium für die Glaubenslehre haben wir die Möglichkeit, eine pastorale Haltung in dessen wichtige Arbeit einzubringen. Und für uns bedeutet es auch ein besseres Verständnis der Missbrauchsfälle in der Welt, die an das Tribunal herangetragen werden“, erläutert O‘Malley.
Das Phänomen des sexuellen Missbrauchs in der Kirche habe immensen Schaden angerichtet, weit über die direkt Betroffenen hinaus, so O'Malley. „Lange Zeit blieb dieses Übel verborgen. Jetzt will die Kirche reagieren und heilen, Licht in die Dunkelheit bringen.“ Dafür habe sich der Papst seit Beginn seines Pontifikats eingesetzt und als eine der ersten Maßnahmen dazu die Kommission gegründet, erinnert der Bostoner Kardinal.
Seither habe sich viel getan, nicht nur mit dem Kinderschutzgipfel im Vatikan, sondern auch in den einzelnen Bischofskonferenzen, wo Schutz und Fürsorge mittlerweile anerkanntermaßen eine kirchliche Verpflichtung darstellen. Es sei in diesem Zusammenhang auch wichtig, sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen, damit Missbrauch sich nicht wiederholen könne. „Es ist eine Frage der Gerechtigkeit“, betont O'Malley. „Es ist ein schmerzhafter Prozess, aber das Ziel ist, sich um die Überlebenden zu kümmern, Gerechtigkeit zu üben und auch eine Kirche zu schaffen, in der wir ,Familienväter‘ das Gefühl haben, dass unsere Kinder sicher sind.“
Situation kann sich verändern, wenn man sich bemüht
Allerdings brauche es kompetente und unabhängige Mitarbeiter, die bei der Aufarbeitung dieser Geschichte helfen könnten. In den Vereinigten Staaten beispielsweise hätte man nach der Krise von 2002 (als die Missbrauchsfälle und das System der Vertuschung in Boston dank journalistischer Nachforschungen ans Licht kamen, Anm.) das Problem ernst genommen und entschieden gemeinsame Schritte eingeleitet, um Missbrauch einen Riegel vorzuschieben. Mittlerweile gebe es in den Vereinigten Staaten nur sehr wenige neue Fälle, auch wenn jeder einzelne eine Tragödie darstelle, so O’Malley: „Das ist der Beweis dafür, dass eine Situation verändert und wiederhergestellt werden kann, wenn man sich bemüht.“
Es bleibe nach wie vor viel zu tun, doch es sei „unmöglich, in der Kirche zu evangelisieren, wenn man sich nicht stark für den Schutz einsetzt“, betont O’Malley weiter. Nach wie vor gebe es viele Bischöfe, die sich scheuten, mit Überlebenden und Opfern von Missbrauch zu sprechen. „Aber wenn wir uns nicht wirklich bemühen, eine Lösung für dieses Problem innerhalb der Kirche zu finden, wird es unmöglich sein, das Vertrauen der Menschen wiederherzustellen“, so der päpstliche Präventionsbeauftragte. Die Kirche habe „die Pflicht, allen Gläubigen ernsthaft zu zeigen, dass die Sicherheit der Kinder an erster Stelle steht“ und dass sie ihre Verpflichtung ernstnehme, die Kinder zu schützen und zu betreuen. „Das ist nicht einfach, aber es ist von grundlegender Bedeutung, denn wenn wir die Probleme der Vergangenheit nicht korrigieren, wird es für die Kirche unmöglich sein, die Frohe Botschaft zu verkünden.“
Direktes Zeugnis des Leids beeindruckt
Der Kinderschutzgipfel im Februar 2019 sei „ein historischer Moment“ gewesen, der bedeutend dazu beigetragen habe, dass das Bewusstsein für den Missbrauch im Schoß der Kirche gewachsen sei, so O’Malley, dessen Team auch bei den „Baby-Bischofskursen“ in Rom den im Lauf des Jahres ernannten Bischöfen von der Arbeit der Kommission berichtet. „In der Vergangenheit habe ich mich mit Bischöfen getroffen und immer ein Opfer mitgebracht, um mit ihnen zu sprechen. Viele Leute sagen mir, dass das Zeugnis das Wichtigste der ganzen Woche war“, unterstreicht O‘Malley.
Was ihn antreibe, mit seiner belastenden Arbeit weiterzumachen, wollten wir noch von ihm wissen: „Der Wunsch, dass die Opfer und Überlebenden in Frieden in die Kirche zurückkehren. Ich habe so viel Leid gesehen, Menschen, die nach einer so schrecklichen Erfahrung ihren Glauben verloren haben. Als Seelsorger glaube ich, dass dieser Dienst, ja, wirklich schwierig ist, aber ich könnte keinen wichtigeren Dienst tun.“
Papst machte Kinderschutz zur Chefsache
Ab Pfingsten 2022 ist die Kinderschutzkommission, die dem Papst direkt Bericht erstattet, als Teil der Kurie im neuen Dikasterium für die Glaubenslehre eingesetzt, wie es der Artikel 78 der neuen Kurienverfassung „Praedicate Evangelium“ festhält. Papst Franziskus hat damit den Kinderschutz zur Chefsache gemacht. Er trug dem Gremium zudem auf, einen jährlichen Rechenschaftsbericht zu weltweiten Fortschritten und Problemen im Kinderschutz zu liefern.
(vatican news - cs/pr)
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